VwGH vom 24.03.2010, 2009/03/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des R S in K, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl und Dr. Robert Kugler, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 4/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom , Zl 2Wa-463/08, betreffend Erlassung eines Waffenverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom ergebe sich, dass der Beschwerdeführer am in Klagenfurt seine Ehefrau C S. durch Versetzen eines Schlages auf den Kopf sowie durch einen Armstreckhebel vorsätzlich am Körper verletzt habe, wobei die Tat eine Kopfprellung, einen Tinnitus und Prellungen im Bereich des rechten Armes mit Hämatomen zur Folge gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch das Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB begangen. Die Durchführung eines Strafverfahrens wegen dieses Tatvorwurfes würde jedoch vorläufig für eine Probezeit von zwei Jahren unterbleiben, wenn der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in der Höhe von EUR 120,00 einzahle. Diese justizbehördliche Erledigung führe zwar zu keiner Vorstrafe, indiziere aber, dass die Anklagebehörde die Tatbildlichkeit, die Rechtswidrigkeit und die strafrechtliche Schuld des Verhaltens des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen habe. Dadurch sei die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers und der von ihm auch in der Berufung an die belangte Behörde geltend gemachte Rechtfertigungsgrund der Notwehr eindeutig widerlegt. Die belangte Behörde werte in freier Beweiswürdigung die (den Beschwerdeführer belastende) Aussage seiner Ehefrau vom als glaubwürdig und nehme den darin angeführten Sachverhalt als erwiesen. Die Einlassung des Beschwerdeführers sei hingegen eine bloße Schutzbehauptung. Diese Annahme sei umso berechtigter, als der Beschwerdeführer seine leugnende Verantwortung im strafprozessualen Vorverfahren aufgegeben habe, indem er die erwähnte Entscheidung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt akzeptiert und sich somit einsichtig gezeigt habe.
Das vom Beschwerdeführer demnach begangene aggressionsorientierte Delikt berechtige zweifelsfrei die Befürchtung, dass dem Beschwerdeführer eine missbräuchliche Verwendung von Waffen im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG zuzutrauen sei; dies umso mehr, als der Beschwerdeführer nach der glaubwürdigen Aussage seiner Ehefrau unter Alkoholeinfluss immer aggressiv reagiere und "wie eine anderer Person" wirke. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1979 und 1984 einmal wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung zum Nachteil seiner damaligen Ehefrau bzw zweimal wegen des Verdachts der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB angezeigt worden sei. Der Ausgang dieser Verfahren könne jedoch - abgesehen von einer im Oktober 1979 erfolgten Zurücklegung einer Anzeige gemäß § 90 Abs 1 StPO (aF) - nicht mehr nachvollzogen werden. Auch wenn diese Fakten schon Jahrzehnte zurück lägen und möglicherweise zu keiner Verurteilung geführt hätten, seien sie doch bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers nicht völlig außer acht zu lassen und ließen in Verbindung mit der als erwiesen angenommenen verfahrensgegenständlichen Körperverletzung zum Nachteil der C S. ein Aggressionspotential des Beschwerdeführers erkennen, das ein Waffenverbot rechtfertige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegen stünde. Dabei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen (vgl zur ständigen Rechtsprechung etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0087, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen bereits festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs 1 WaffG rechtfertigen kann, wobei nicht entscheidend ist, durch welches Verhalten die Auseinandersetzungen ihren Ursprung genommen hat (vgl die hg Erkenntnisse vom , Zl 2005/03/0134, und vom , Zl 2008/03/0154). Wesentlich ist ausschließlich die Tatsache, dass dem vom Waffenverbot betroffenen Menschen, der im Affekt gewaltsam gegen einen anderen Menschen vorgegangen ist, auch weiterhin eine missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 93/01/0337).
Für die Beurteilung dieser Frage ist es nicht entscheidend, ob die Strafverfolgungsbehörde wegen des strittigen Vorfalls von einer Verfolgung (allenfalls nach diversionellem Vorgehen) Abstand genommen hat, weil diese Entscheidung für die Waffenbehörde keine Bindungswirkung entfaltet (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/03/0064).
Wenn die Beschwerde in ihrer Rechtsrüge daher geltend macht, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (Rücktritt von der Verfolgung unter Bestimmung einer Probezeit und Zahlung eines Kostenbeitrags gemäß § 203 iVm § 198 StPO) lasse - selbst bei Unterstellen einer Tätlichkeit des Beschwerdeführers - den Schluss zu, dass "keineswegs die Unverlässlichkeit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit einem Waffenbesitz abgeleitet werden könne", kann ihr nicht gefolgt werden. Wäre davon auszugehen, dass die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers in allen Punkten zutrifft, so hätte der Beschwerdeführer sie in alkoholisiertem Zustand grundlos angegriffen und in massiver Weise verletzt. Dieses Verhalten hätte im Zusammenhalt mit ihrer weiteren Darstellung, der Beschwerdeführer wirke unter Alkohol wie ein anderer Mensch und reagiere immer aggressiv, ungeachtet der Einstellung des wegen dieses Vorfalls eingeleiteten Strafverfahrens ein Waffenverbot gerechtfertigt.
Zu Recht weist die Beschwerde aber darauf hin, dass die Begründung der belangten Behörde für die Annahme einer solchen Tätlichkeit des Beschwerdeführers einer nachprüfenden Kontrolle nicht Stand hält.
Die belangte Behörde begründete ihre Beweiswürdigung, wonach die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers glaubwürdig seien, während seine Aussage als bloße Schutzbehauptung gewertet werden müsse, lediglich damit, dass der Beschwerdeführer den Rücktritt der Staatsanwaltschaft von einer Verfolgung nach § 203 StPO (der voraussetze, dass die Tatbildlichkeit, die Rechtswidrigkeit und die strafrechtliche Schuld als erwiesen angenommen werde) akzeptiert habe. Damit habe er seine "leugnende Verantwortung" im strafprozessualen Vorverfahren aufgegeben.
Diese Einschätzung erweist sich insoweit als unrichtig, als die Diversion zwar eine hinreichende Klärung des Sachverhalts durch die Strafverfolgungsbehörden voraussetzt, auf Grund derer ein komprimierter Tatverdacht mit einer hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit gegeben ist. Erwiesen muss die Tat, deretwegen eine Diversion in Betracht gezogen wird, hingegen nicht sein. Auch ein Geständnis des Beschuldigten ist für ein diversionelles Vorgehen nicht vorausgesetzt, sondern es reicht eine (zumindest partielle) Übernahme der Verantwortung durch den Täter, um spezialpräventive Bedenken im Sinne einer Notwendigkeit der Bestrafung auszuräumen. Schon die Bereitschaft zur diversionellen Vorgangsweise indiziert idR eine solche Verantwortungsübernahme ( Schroll in Fuchs/Ratz , Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung (2008(, § 198 StPO Rz 3 u 36).
Ausgehend davon lässt sich weder aus dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft noch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer - aus welchen Gründen auch immer - die Diversion als Mittel der Erledigung des gegen ihn geführten Strafverfahrens hingenommen hat, ohne Weiteres auf die Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfes schließen. Keinesfalls wurde dadurch - wie die belangte Behörde argumentierte - der auch noch in der Berufung im Administrativverfahren vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtfertigungsgrund für sein Verhalten "eindeutig widerlegt". Die belangte Behörde hätte sich vielmehr mit seiner Darstellung des Geschehens näher auseinander setzen und nachvollziehbar darlegen müssen, warum sie den Angaben der Ehefrau mehr Glauben schenkte. Der angefochtene Bescheid weist daher einen relevanten Begründungsmangel auf, der zu seiner Aufhebung führen muss.
Bei den ergänzenden beweiswürdigenden Überlegungen wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auch zu bedenken haben, dass die Heranziehung früherer Fehlverhalten des Beschwerdeführers, die ein Bild seiner Persönlichkeit zeichnen sollen, konkrete Feststellungen über Zeitpunkte und Umstände der ihm vorgeworfenen Delikte erforderlich machen würden. Das Aufzählen von gegen den Beschwerdeführer eingebrachten polizeilichen Anzeigen und der bloße Hinweis darauf, dass der Ausgang der damals begonnenen Verfahren (größtenteils) nicht mehr festgestellt werden habe können, reicht dafür - wie die Beschwerde im Ergebnis richtig ausführt - nicht aus.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am