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VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0229

VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0229

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der A F in S, vertreten durch Mag. Christoph Arnold und Mag. Fiona Kathrin Arnold, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Stafflerstraße 2/EG, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0566/-706/2011, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice L (in der Folge: AMS) vom - den Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG abgewiesen.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin seit bis laufend in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zur Sparkasse I als Dienstgeberin stehe, woraus sie im Mai 2011 ein Entgelt in Höhe von EUR 351,89 bezogen habe. Außerdem sei die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom bis als Angestellte beim Dienstgeber Schuhhaus H vollversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie habe darüber hinaus vom 26. April bis eine Urlaubsabfindung bzw. Urlaubsentschädigung - davon für den Zeitraum vom 1. bis einen Betrag von EUR 533,13 - erhalten und daher in Summe im Monat Mai 2011 Leistungen in Höhe von EUR 885,02 bezogen. Da das Einkommen der einander überschneidenden Dienstverhältnisse der Beschwerdeführerin im Monat Mai 2011 insgesamt über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG (EUR 374,02) gelegen sei, sei die Beschwerdeführerin gemäß § 53a Abs. 3 und § 471f iVm § 471h ASVG das ganze Monat pensionsversicherungspflichtig. (Im Übrigen beziehe die Beschwerdeführerin - auf Grund ihres in der Folge für gestellten Antrages - ab diesem Tag Arbeitslosengeld.)

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhoben Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (unter anderem) arbeitslos ist.

§ 12 Abs. 1 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige)

Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der

Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfertigung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige

oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht.

Nach § 12 Abs. 6 lit. a leg. cit. gilt jedoch als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. k und l ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt bzw. für den Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) nach dem Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, in der jeweiligen Fassung besteht.

Die belangte Behörde hat den Monat Mai 2011 als zur Gänze pensionsversicherungspflichtig beurteilt, weil die Beschwerdeführerin in diesem Monat sowohl vollversichert (bis - Verlängerung der Pflichtversicherung mit Urlaubsentschädigung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG), als auch (während des gesamten Monats) geringfügig beschäftigt gewesen sei. Die belangte Behörde hat sich dabei u.a. auf § 471f iVm § 471h ASVG berufen. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile entschieden, dass dies rechtswidrig ist: trifft eine nicht der Vollversicherung unterliegenden geringfügigen Beschäftigung mit einer die Vollversicherungspflicht begründenden Beschäftigung in einem Teil des Monats zusammen, so stellt dies - in Ermangelung der Tatbestandsvoraussetzung eines Einkommens (§ 44a ASVG) aus zwei oder mehreren für sich gesehen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen - keinen Anwendungsfall des § 471f ASVG dar, weshalb auch die für diese spezielle Konstellation vorgesehenen Sonderbestimmungen für den Beginn und das Ende einer solchen Pflichtversicherung (§ 471h ASVG) nicht anwendbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0307 und jenes vom , 2011/08/0361).

Danach kommt es nur darauf an, ob nach Beendigung der anwartschaftsbegründenden Beschäftigung der Bestand einer weiteren, jedoch nur geringfügig entlohnten Beschäftigung seit der Änderung des § 12 Abs. 1 AlVG durch die Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 der Annahme von Arbeitslosigkeit entgegensteht.

Damit hat sich der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0155, auseinandergesetzt und dazu ausgesprochen,

"dass die in § 12 Abs. 1 AlVG vorgenommenen Änderungen als notwendige Folge der Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Arbeitslosenversicherung angesehen wurden und dass an der vor der Novelle geltenden Rechtslage insoweit nichts geändert werden sollte, als eine weitere selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit mit geringfügigem Einkommen der Annahme von Arbeitslosigkeit weiterhin nicht in jedem Fall entgegen stehen soll (sofern nicht die Verfügbarkeit beeinträchtigt ist; der Hinweis auf die 'andere' geringfügige Erwerbstätigkeit bezieht sich auf § 12 Abs. 3 lit h AlVG, wonach im Ergebnis die Reduzierung einer bisher vollversicherten Beschäftigung auf eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber Arbeitslosigkeit ausschließt). Insbesondere der ausdrückliche Verweis der Erläuterungen auf den unveränderten § 12 Abs. 6 AlVG, in dem die entsprechenden Ausnahmen geregelt sind, bestätigt das Auslegungsergebnis, dass auch nach der neuen Rechtslage geringfügige Beschäftigungen im Sinne dieser Bestimmung Arbeitslosigkeit - von der Ausnahme des § 12 Abs. 3 lit h AlVG abgesehen - nicht in jedem Fall ausschließen".

§ 12 Abs. 1 Z. 2 AlVG sieht ausdrücklich vor, dass die bestehende Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund des Bezuges einer Urlaubsersatzleistung der Annahme der Arbeitslosigkeit nicht entgegensteht.

Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass, wenngleich für das Bestehen der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG - ebenso wie für das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nach § 16 Abs. 1 lit. l AlVG - eine Umlegung der Urlaubsabfindung auf den dadurch "abgegoltenen" Zeitraum erfolgt, dies nichts daran ändert, dass während dieses "Bezugszeitraums" das Dienstverhältnis nicht mehr besteht, gebührt doch diese Ersatzleistung gemäß § 10 Abs. 1 UrlaubsG "zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0082).

Angesichts der bei der Beurteilung eines Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gebotenen zeitraumbezogenen Betrachtungsweise hätte die belangte Behörde daher im Sinne des zuvor genannten hg. Erkenntnisses vom , auf dessen Ausführungen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, allein darauf abstellen müssen, ob die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden (und daher gemäß § 12 Abs. 3 lit. a iVm Abs. 6 lit. a AlVG Arbeitslosigkeit ausschließenden) Entgeltanspruch gehabt habe. Nach den getroffenen Feststellungen lag aber zu diesem Zeitpunkt lediglich das geringfügige Beschäftigungsverhältnis zum Dienstgeber Sparkasse I vor.

Indem die belangte Behörde dies verkannte und zu Unrecht die Zuerkennung von Arbeitslosengeld ab verwehrt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am