VwGH vom 19.10.2011, 2011/08/0227
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H W in S, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH, in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS- 38/10251/22-2011, betreffend (u.a.) Übertretungen des § 111 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird - soweit sie sich gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides richtet - als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Dienstgeber (R Bar in S) zu verantworten, dass er drei im angefochtenen Bescheid namentlich genannte Personen als in der Krankenversicherung pflichtversicherte Personen (Vollversicherte und Teilversicherte) nicht vor Arbeitsbeginn (, bzw. ) beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch in drei Fällen Übertretungen gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG begangen, weshalb über ihn gemäß § 111 Abs. 2 ASVG drei Strafen von je EUR 2.180,-- verhängt wurden.
Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides betrifft Schuldsprüche nach dem AuslBG; hiezu ist die Beschwerde zur hg. Zl. 2011/09/0152 anhängig.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bei einer Kontrolle am um ca. 21.25 Uhr seien in dem vom Beschwerdeführer als "Go-Go-Bar" betriebenen und beworbenen Nachtlokal R in S die rumänischen Staatsangehörigen G und P sowie die ungarische Staatsangehörige Z in Animier- bzw. Tanzkleidung angetroffen worden.
Nach der mit dem Beschwerdeführer geschlossenen Arbeitsvereinbarung hätten die ausländischen Tänzerinnen an fünf mit dem Beschwerdeführer festgelegten Tagen pro Woche während der Lokalöffnungszeit von 21 Uhr bis ca. 6 Uhr morgens in der R Bar als "Go-Go-" bzw. "Table-Tänzerinnen" allgemeine Tanzvorführungen sowie auf Bestellung Privattänze darzubieten sowie die Gäste zur Bestellung von Tanzvorführungen sowie zum Getränkekonsum zu animieren gehabt. Bei dieser Beschäftigung seien die Ausländerinnen dem Weisungs- und Kontrollrecht des Beschwerdeführers oder dessen Gehilfen (Kellnerin M) unterlegen.
Für ihre Tätigkeit hätten die Ausländerinnen ein tägliches Fixum von ca. EUR 30,-- bis EUR 40,-- pro Nacht sowie einen vom Beschwerdeführer im Vorhinein festgelegten Anteil der vom Gast an die Kellner zu bezahlenden Kosten der Privattänze und Getränke erhalten, für welche im Lokal Preislisten aufgelegen seien. Der den Ausländerinnen gebührende Anteil für einen Privattanz in der Dauer von einem Lied habe EUR 17,-- (hinsichtlich P EUR 35,--), für einen Privattanz in der Dauer von drei Liedern EUR 30,-- (hinsichtlich P EUR 60,--) betragen. Die Getränkeprovision, die im Falle von G und P 20 % der Getränkekonsumation, hinsichtlich Z hingegen EUR 4,-- pro Piccolo und EUR 16,-- pro Sekt ausgemacht habe, sowie die Anteile für Privattanzvorführungen seien vom Kellner aufgezeichnet und von den Ausländerinnen gegen Unterfertigung täglich in der Früh, die Fixbeträge hingegen vom Beschwerdeführer ausbezahlt worden.
Der den Ausländerinnen unbekannte deutschsprachige Inhalt der bei der Kontrolle vorgefundenen Verträge habe jeweils nicht der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung entsprochen. Im Juni 2010 seien gegen den Beschwerdeführer bereits drei rechtskräftige Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 3 Abs. 1, 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG und wegen Meldepflichtverletzungen gemäß §§ 33 Abs. 1, 111 Abs. 1 und 2 ASVG vorgelegen. Im Zusammenhang mit Kontrollen vom in den von ihm betriebenen Nachtlokalen R und C seien weitere amtsbekannte Verwaltungsstrafverfahren anhängig.
Maßgebend für die Einordnung einer Tätigkeit in den Begriff der Beschäftigung nach AuslBG und ASVG sei, dass diese in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt werde.
Kriterien für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit seien die persönliche Arbeitspflicht, die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten und sich darauf beziehende persönliche Weisungs- und Kontrollbefugnisse des Arbeitgebers, die zu einer weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung führten. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ergebe sich im Allgemeinen aus der persönlichen Abhängigkeit; sie finde ihren Ausdruck vor allem im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel.
Für die Beurteilung, ob diese Merkmale der Abhängigkeit bei einer Beschäftigung vorlägen, komme es auf das Gesamtbild und den wahren wirtschaftlichen Gehalt der konkret ausgeübten Tätigkeit an. Bei Vorliegen eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages sei daher nicht die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses, sondern die tatsächliche Durchführung der Beschäftigung entscheidend. Auch aus dem Umstand, dass über eine Tätigkeit grundsätzlich ein Werkvertrag abgeschlossen werden könnte, könne nicht automatisch der Schluss gezogen werden, dass ein damit Beschäftigter nicht (abhängig) beschäftigt worden sei.
Bei einer Verwendung für einfache manuelle Tätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und ihre Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlaubten und typischerweise den Inhalt eines Dienstverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildeten, könne in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen einer der Bewilligungs- und Meldepflicht nach AuslBG und ASVG unterworfenen Beschäftigung ausgegangen werden.
Eine Tätigkeit als "Table-Tänzerin", Kellnerin oder Animierdame in einem Barbetrieb oder Nachtclub werde in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wie in einem Arbeitsverhältnis. Atypische Umstände, die einer solchen Deutung entgegenstünden, seien nicht hervorgekommen.
Es fehlten jegliche Hinweise dafür, dass die Ausländerinnen im Rahmen eines erfolgsbezogen entlohnten Werkvertrages selbständig tätig geworden seien, der mit der Erbringung eines vorweg bestimmten, abgrenzbaren und gewährleistungspflichtigen Erfolgs geendet hätte. Auch sei nicht hervorgekommen, dass sie ihre Arbeit - außer mit eigener Arbeitskleidung - mit ins Gewicht fallenden eigenen Betriebsmitteln und eigenem unternehmerischen Risiko bei freier Gestaltungsmöglichkeit verrichtet hätten. Hingegen habe sich ergeben, dass die Personen dem Beschwerdeführer in der Tatzeit ein dauerndes, persönliches und leistungsbezogen entlohntes Bemühen geschuldet hätten, ihre Tätigkeit unter der Weisungs- und Kontrollbefugnis des Beschwerdeführers in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit, arbeitsbezogenes Verhalten und Preisgestaltung weitestgehend den Vorgaben von Vorgesetzten unterworfen, in die Organisation des Barbetriebs planmäßig eingegliedert und - von der Beistellung der Wohnmöglichkeit bis zur Steigerung der Attraktivität der Bar durch die Beschäftigten - in allen Aspekten zum wirtschaftlichen Nutzen des Beschwerdeführers so mit dessen Betrieb verknüpft gewesen seien, dass diese Personen ihre Arbeitskraft faktisch keinen anderen Arbeitgebern mehr zur Verfügung stellen hätten können.
Im Hinblick auf die Höhe des Entgelts sei ein jeweils vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG vorgelegen.
Dass die Beschäftigung eines Ausländers einer rechtzeitigen Meldung beim Krankenversicherungsträger bedürfe, sei dem Beschwerdeführer zur Tatzeit bereits aufgrund der früher erfolgten rechtskräftigen Bestrafungen wegen jeweils einschlägiger Taten bekannt gewesen. Angesichts der zur Bescheinigung von Werkvertragsbeziehungen vorgelegten Vertragsurkunden habe davon ausgegangen werden müssen, dass der Beschwerdeführer zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse jeweils vorsätzlich gehandelt und jedenfalls gewusst habe, dass der tatbildliche Erfolg mit seinem Handeln verbunden sei.
Den zu beurteilenden Wiederholungstaten des Beschwerdeführers sei jeweils ein beträchtlicher Unrechtsgehalt beizumessen. Über das Vermögen des Beschwerdeführers, der zu seinen Lebensverhältnissen keine genauen Angaben gemacht habe, aber als Einzelunternehmer Hotels, Lokale und Bars betreibe, sei ein Sanierungsverfahren eröffnet worden. Angesichts der Vielzahl der zum Tatzeitpunkt gegen den Beschwerdeführer vorgelegenen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen und der für die einschlägigen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vortaten bereits ausgesprochenen Verwaltungsstrafen, vermöchten jedoch ungünstige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers keine Herabsetzung der für die neuerlichen Wiederholungstaten jeweils in der Mindesthöhe verhängten Strafen zu bewirken. Diese seien vielmehr in Anbetracht der jeweils vorsätzlichen Tatbegehung sowie nachteiligen Tatfolgen in Form von Abgaben-, Steuerhinterziehung und eines erhöhten Verfahrensaufwandes als äußerst milde und jedenfalls angemessen sowie geboten anzusehen, um dem Beschwerdeführer das Unrecht seiner Taten vor Augen zu führen, ihn sowie die Allgemeinheit in Hinkunft von weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten und einer gänzlichen Aushöhlung des Verwaltungsstrafrechtes entgegen zu wirken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die ausländischen Staatsangehörigen seien als Selbständige, welche werkvertragliche Leistungen erbracht hätten, zu beurteilen. Sie hätten ein individualisiertes Werk gegen ein erfolgsbezogenes Entgelt erbracht, der Leistungserfolg sei genau umrissen gewesen. Es sei keine organisatorische Verknüpfung mit dem Barbetrieb vorgelegen, da der Beschwerdeführer den ausländischen Staatsangehörigen jedenfalls keine Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung gestellt habe. Es sei auch keine fixe tägliche Arbeitszeit vereinbart worden, weshalb die ausländischen Staatsangehörigen auch in der Lage gewesen wären, ihre Arbeitskraft anderwärtig einzusetzen. Der Beschwerdeführer habe den ausländischen Staatsangehörigen auch keine Betriebsmittel zur Verfügung gestellt, jedenfalls habe er auch keine kostenlose Unterkunft angeboten.
Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, die Vernehmung der Zeuginnen G sowie Z sei unterblieben. Es sei auch kein Beweisverfahren zur Frage einer Animiertätigkeit der ausländischen Staatsangehörigen durchgeführt worden.
2. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass nach der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Aussage der Zeugin P die Frage der Animiertätigkeit erörtert wurde (vgl. Seite 10 des angefochtenen Bescheides: "Meine Aufgabe war es zu tanzen und zu animieren"; auch erwähnte sie Provisionen für Getränke). Ausgehend von diesen Beweisergebnissen kann die Beschwerde auch eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung zu diesem Thema nicht aufzeigen. Ein Verfahrensmangel liegt insoweit nicht vor.
Hinsichtlich der unterbliebenen Vernehmung der Zeuginnen G und Z wird in der Beschwerde nicht dargelegt, dass die belangte Behörde bei deren Vernehmung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Insbesondere wird in der Beschwerde auch nicht behauptet, dass diese beiden Personen unter - rechtlich relevanten - anderen Bedingungen als die vernommene Zeugin tätig gewesen seien.
3. Ausgehend von den sohin auf einem mangelfreien Verfahren beruhenden Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde gleicht der hier zu beurteilende Fall - soweit er Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides betrifft - in Sachverhalt und Rechtsfrage jenen (ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden) Fällen, die mit Erkenntnis vom , Zlen. 2011/08/0206 bis 0207, entschieden wurden. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen.
Aus den in jenem Erkenntnis angeführten Gründen war daher die Beschwerde - soweit sie sich gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wendet - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-86634