VwGH vom 01.09.2016, 2013/17/0502
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamminger, über die Beschwerde 1. der P F GmbH in K und 2. der L in D, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , uvs-2013/18/1215-1, betreffend Beschlagnahme nach dem GSpG:
den Beschluss gefasst:
1. Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der zweitbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ordnete mit Bescheid vom gegenüber den beschwerdeführenden Parteien die Beschlagnahme zweier Glücksspielgeräte an.
2 Die Erstbeschwerdeführerin erhob dagegen Berufung und brachte darin vor, sie habe das gesamte Lokal (in dem die beiden Geräte beschlagnahmt worden waren) an die Zweitbeschwerdeführerin vermietet und mit deren Geschäftsbetrieb nichts zu tun. Sie sei weder Eigentümerin der Geräte noch Veranstalterin der Spiele. Sie komme daher als Bescheidadressatin nicht in Frage.
3 Die Zweitbeschwerdeführerin erhob ebenfalls Berufung. Sie bestätigte, das gegenständliche Lokal zu betreiben und Eigentümerin der beiden beschlagnahmten Geräte zu sein. Das Glücksspielmonopol widerspreche ihrer Auffassung nach der Dienstleistungsfreiheit. Die Beschlagnahme der Glücksspielgeräte sei daher rechtswidrig erfolgt. Sie beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
4 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Berufungen mit der Maßgabe ab, dass als Rechtsgrundlage § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG angeführt wurde. Das Ermittlungsverfahren habe zweifelsfrei ergeben, es bestehe jedenfalls der Verdacht, dass mit den beiden Geräten in dem gegenständlichen Lokal durch verbotene Ausspielungen fortgesetzt gegen § 52 Abs 1 Z 1 GSpG verstoßen worden sei, sodass diese Geräte zu Recht beschlagnahmt worden seien.
Die Verwaltungsakten stützten die Behauptung der Erstbeschwerdeführerin, wonach sie mit den Geräten nichts zu tun habe, nicht. Selbst bei Zutreffen dieser Behauptung erwachse der Erstbeschwerdeführerin durch die Abweisung ihrer Berufung jedoch kein Rechtsnachteil.
Laut Anzeige vom seien zwei Glücksspielautomaten vorgefunden worden, bei denen durch mehrmaliges Betätigen einer Taste der Spieleinsatz auf maximal 10 EUR erhöht habe werden können. Aufgrund des Ermittlungsverfahrens bestehe zweifelsfrei der Verdacht, dass mit diesen Geräten fortgesetzt gegen § 52 Abs 1 Z 1 GSpG verstoßen worden sei. Die Geräte seien daher zu Recht beschlagnahmt worden. Für das reine Beschlagnahmeverfahren sei die Aufnahme von Beweisen nicht erforderlich gewesen. Daher sei auch iSd § 51e Abs 4 VStG die Durchführung der beantragten Verhandlung nicht erforderlich gewesen.
Im Übrigen überzeuge das Vorbringen, wonach das GSpG gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoße, die belangte Behörde nicht. Sie vertrete vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung (Hinweis auf ) die Auffassung, dass die Sanktionsnormen der §§ 52 bis 54 GSpG auch im vorliegenden Fall anzuwenden seien.
5 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
7 Die Behörde kann nach § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG die Beschlagnahme ua der Glücksspielautomaten anordnen, wenn der Verdacht besteht, dass mit diesen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs 1 verstoßen wird.
Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin
8 Die Erstbeschwerdeführerin hat bereits in ihrer Berufung gegen den Beschlagnahmebescheid geltend gemacht, mit dem Geschäftsbetrieb in dem von ihr vermieteten Lokal, in dem die gegenständlichen Geräte beschlagnahmt worden seien, nichts zu tun gehabt zu haben. Dies wurde von der Zweitbeschwerdeführerin auch bestätigt.
9 Die Parteistellung einer vom Eigentümer eines nach § 53 GSpG beschlagnahmten Gerätes verschiedenen Person kommt nur dann in Betracht, wenn sie als Veranstalter oder Inhaber im Sinne des GSpG anzusehen ist (vgl zB ).
10 Die Zustellung eines Bescheides an eine Person macht diese noch nicht zur Partei des Verfahrens, wenn die Voraussetzungen für die Parteistellung objektiv nicht gegeben sind (vgl , mwN).
11 Unter Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens war die Erstbeschwerdeführerin somit nicht Partei des Beschlagnahmeverfahrens. Ihre Berufung hätte daher zurückgewiesen werden müssen. Durch die abweisende Entscheidung konnte die Erstbeschwerdeführerin jedoch nicht in ihren Rechten verletzt werden, sodass ihre Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.
Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin
12 Im Beschwerdefall hat die Zweitbeschwerdeführerin ein umfangreiches Vorbringen erstattet, wonach ihrer Auffassung nach das GSpG dem Unionsrecht widerspreche.
13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) hat zur Beurteilung der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch den nationalen Richter eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, zu erfolgen (vgl , Rz 67ff unter Hinweis auf , Robert Pfleger ua Rn 52). Dabei sind nicht bloß der Wortlaut der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes samt Gesetzesmaterialien, sondern auch faktische Gegebenheiten (wie etwa der Umfang der Beschaffungskriminalität und der Kriminalität gegenüber Glücksspielern im Mitgliedstaat, eine allfällige expansionistische Geschäftspolitik der Konzessionäre und deren Zielsetzung etc) in den Blick zu nehmen (siehe dazu , sowie , Admiral Casinos Entertainment AG , wonach es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen).
14 Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen der belangten Behörde zur Frage der Unionsrechtskonformität von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes werden einer solchen Gesamtwürdigung nicht gerecht. Der bloße Hinweis auf das Erkenntnis des , vermag eine Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen und Auswirkungen des GSpG nicht zu ersetzen.
15 Die belangte Behörde ist somit durch das Unterlassen einer solchen Gesamtwürdigung ihrer Pflicht, die anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht zu beurteilen, nicht in gesetzmäßiger Weise nachgekommen und hat damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl ).
16 Für das fortzusetzende Verfahren wird überdies zu beachten sein, dass die belangte Behörde sich im angefochtenen Bescheid bei der Frage ihrer Zuständigkeit darauf beschränkte, die Angaben in der Anzeige zu den möglichen Höchsteinsätzen wiederzugeben, ohne jedoch dazu eigene Feststellungen zu treffen. Im Revisionsfall lag die Tathandlung, auf die sich der Verdacht nach § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG bezieht, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle BGBl I Nr 13/2014 mit . Die belangte Behörde hätte daher von Amts wegen Feststellungen zur maximalen möglichen Einsatzhöhe zu treffen gehabt (, mwN). Das Landesverwaltungsgericht wird sich im fortzusetzenden Verfahren daher auch mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen und Feststellungen zur maximal möglichen Einsatzhöhe zu treffen haben, es sei denn, es gelangt zur Überzeugung, dass das GSpG dem Unionsrecht widerspricht.
17 Aus den oben genannten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhalts nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
18 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und einem Entfall der Verhandlung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) weder Art 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom , S 389, entgegenstanden. Der EGMR hat nämlich in seiner Entscheidung vom , Speil/Österreich , Nr 42057/98, das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der EGMR darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl , mwN). Auch im vorliegenden Fall wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 455/2008. Obwohl im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren von den beiden beschwerdeführenden Parteien eine gemeinsame Beschwerde eingebracht wurde, waren diese dennoch nicht als einheitliche Prozesspartei im Sinn des § 53 VwGG anzusehen, weil ihre Beschwerden - jede beschwerdeführende Partei für sich betrachtet - nicht dasselbe Schicksal haben. Die Beschwerden der einzelnen beschwerdeführenden Parteien müssen daher ihrem
verschiedenen Erfolg nach hinsichtlich der Aufwandersatzpflicht gesondert betrachtet werden und zwar nach jenen Regeln, die im § 47 VwGG enthalten sind (vgl dazu , mwN).
Wien, am