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VwGH vom 29.02.2012, 2009/03/0032

VwGH vom 29.02.2012, 2009/03/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des R M in B, Deutschland, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Bundesland Tirol vom , Zl. uvs-2008/32/3476-5, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Der Antrag des Beschwerdeführers, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union einzuleiten, wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom wurde dem Beschwerdeführer - zusammengefasst - zur Last gelegt, als gewerberechtlicher Geschäftsführer eines näher bezeichneten Beförderungsunternehmens mit Sitz in Deutschland nicht dafür gesorgt zu haben, dass am auf der Martinsbrucker Straße B 185 bei Kilometer 7,500 in Fahrtrichtung Nauders in einem nach Kennzeichen näher umschriebenen LKW die gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde, obwohl das Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von C O, der als türkischer Staatsbürger Staatsangehöriger eines Drittstaates sei, mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern von einem Orte, welcher außerhalb des Bundesgebietes liegt, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von einem innerhalb des Bundesgebietes liegenden Ort in das Ausland verwendet worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 23 Abs 1 Z 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) in Verbindung mit Art 6 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr 484/2002 verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: zwei Tage) verhängt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe ab, dass (ua) im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Ausdruck "gewerberechtlicher Geschäftsführer" durch den Ausdruck "handelsrechtlicher Geschäftsführer" ersetzt und bei der als erwiesen angenommenen Tat hinzugefügt werde, dass sich "das Fahrzeug auf einer Fahrt D-5 E über B und Österreich nach I-3 L" befunden und ein Klavier geladen gehabt habe.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der seitens der ersten Instanz angenommene Sachverhalt stehe auch nach der Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens fest. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei der Tatvorwurf im erstinstanzlichen Straferkenntnis ausreichend konkret gewesen. Die vorgenommene Spruchänderung diene lediglich der Präzisierung von Tatbestandselementen, die rechtzeitig vorgeworfen worden seien, und ändere den relevanten Tatvorwurf nicht. Der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer des die gegenständliche grenzüberschreitende Güterbeförderung durchführenden Beförderungsunternehmens und habe es somit zu verantworten, dass die erforderliche Fahrerbescheinigung nicht mitgeführt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Überdies stellte der Beschwerdeführer den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine näher bezeichnete Frage im Wege der Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) richten.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift, zu der sich der Beschwerdeführer noch einmal äußerte, und sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass im Beschwerdefall die Verordnung (EG) Nr 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs noch nicht anzuwenden ist; maßgeblich sind daher die unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EWG) Nr 881/92 des Rates vom über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl Nr L 095 vom , idF der Verordnung (EG) Nr 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 881/92 und (EG) Nr 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung, ABl L Nr 076 vom (im Folgenden: VO).

Art 6 Abs 4 der VO sieht (ua) vor, dass die (zuvor in Art 6 leg cit näher umschriebene) Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers ist, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Die Fahrerbescheinigung ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.

Gemäß § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu EUR 7.267 zu ahnden ist, wer als Unternehmer (ua) nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 erforderlichen Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

Gemäß § 23 Abs 3 GütbefG ist ein Unternehmer nach der zuletzt genannten Vorschrift auch dann strafbar, wenn er die in der Verordnung (EWG) Nr 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt.

2. Die Beschwerde bestreitet den von der belangten Behörde angenommenen (oben wiedergegebenen) Sachverhalt nicht. Sie macht aber - zusammengefasst - geltend, dass dem Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG weder das Ladegut sowie der Be- und Entladeort der gegenständlichen Güterbeförderung noch seine Inanspruchnahme als handelsrechtlicher (statt gewerberechtlicher) Geschäftsführer konkret bekannt gegeben worden seien. Die Spruchkorrektur durch die belangte Behörde sei daher unzulässig gewesen und habe den Beschwerdeführer in grundlegenden Verteidigungsrechten beschränkt, da er erst nach Bekanntwerden dieser Umstände in die Lage versetzt worden sei, "firmeninterne Untersuchungen vorzunehmen und den Hintergrund zu erforschen." Eine Verteidigung während des laufenden Berufungsverfahrens sei somit nicht möglich gewesen.

Dem ist entgegen zu halten, dass eine (die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende) Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG zwar auf eine bestimmte physische Person des Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzenden Verwaltungsvorschriften iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen ist, für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung aber noch nicht gefordert ist, dass dem individuell bestimmten Beschuldigten allenfalls auch vorgeworfen werden muss, er habe die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 VStG zu verantworten (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2011/03/0130). Zur Individualisierung der zum Vorwurf gemachten Handlung ist somit eine korrekte Festlegung, in welcher Eigenschaft den Beschuldigten die strafrechtliche Verantwortung trifft, noch nicht erforderlich (vgl etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, E 72 ff zu § 32 VStG, mwN).

Dem Vorwurf des Beschwerdeführers, die Strafbehörden hätten den Beschwerdeführer lange Zeit im Unklaren darüber gelassen, welche grenzüberschreitende Güterbeförderungsfahrt dem gegenständlichen Strafverfahren zugrunde lag, ist zu erwidern, dass dem Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist schon im erstinstanzlichen Verfahren der Ort und der Zeitpunkt der Beanstandung, das betroffene Transportfahrzeug (individualisiert nach Kennzeichen) und dessen Lenker eindeutig bekannt gegeben worden sind. Ausgehend davon ist nicht nachzuvollziehen, dass der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt gewesen wäre und keine Möglichkeit zur firmeninternen Klärung des Sachverhalts gehabt hätte.

Somit reichten die von der Strafbehörde rechtzeitig vorgenommenen Verfolgungshandlungen aus, um die Verfolgungsverjährung zu unterbrechen, und es war der belangten Behörde auch nicht verwehrt, den Spruch des Erkenntnisses - wie eingangs dargestellt - richtig zu stellen bzw näher zu präzisieren.

3. Die Beschwerde rügt weiters, die Verpflichtung des Beförderungsunternehmers dafür zu sorgen, dass die gemäß der VO erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt werde, sei eine "rein nationale Bestimmung des österreichischen Güterbeförderungsgesetzes". Art 6 Abs 4 der VO enthalte nur das Gebot an den Güterbeförderungsunternehmer, dem Fahrer eine Fahrerbescheinigung zur Verfügung zu stellen. Die Pflicht zum Mitführern der Fahrerbescheinigung treffe jedoch ausschließlich den Fahrer und nicht den Beförderungsunternehmer. Da das gegenständliche Beförderungsunternehmen es offenkundig verabsäumt habe, eine Fahrerbescheinigung zu beantragen, könne es dem Gebot des Art 6 Abs 4 der VO auch nicht entsprechen.

Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde, dass Art 6 Abs 4 der VO den Verkehrsunternehmer verpflichtet, dem Fahrer eine Fahrerbescheinigung (die den Kontrollberechtigten bei Verlangen vorzuzeigen ist) zur Verfügung zu stellen, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers sieht die VO nicht bloß die Verpflichtung des Verkehrsunternehmers vor, dem Fahrer eine Fahrerbescheinigung zu einem beliebigen Zeitpunkt auszuhändigen, sondern enthält das Gebot an ihn, dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrerbescheinigung dem Fahrer bei der gemeinschaftslizenzpflichtigen Güterbeförderungsfahrt zur Verfügung steht und den Kontrollorganen vorgewiesen werden kann. Insofern verpflichtet die VO den Verkehrsunternehmer, für das Mitführen der Fahrerbescheinigung Sorge zu tragen. Der Beschwerdeführer irrt daher, wenn er davon ausgeht, dass § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG in den Geboten der VO keine Deckung findet. Mit dieser Strafbestimmung soll vielmehr die Einhaltung der VO sichergestellt werden. Dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann, wurde in der hg Rechtsprechung im Übrigen bereits mehrfach erkannt (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom , Zl 2007/03/0127, und vom , Zl 2007/03/0221).

4. Ausgehend davon kommt auch den unionsrechtlichen Bedenken der Beschwerde keine Berechtigung zu. Dabei geht die Beschwerde nämlich von ihrer - wie oben dargelegt wurde - unrichtigen Rechtsansicht aus, § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG pönalisiere die Nichteinhaltung einer in der VO nicht vorgesehenen Verpflichtung des Beförderungsunternehmers, weshalb ihr die Tatortfiktion des § 23 Abs 3 GütbefG aus Sicht des Unionsrechts problematisch erscheint. Gleichzeitig gesteht die Beschwerde aber zu, dass die Ausdehnung der österreichischen Strafverfolgungskompetenz auf Auslandstaten in Bezug auf Verletzungen des "EG-Rechts" (Unionsrechts) im Interesse der "Gemeinschaft" (Union) liege und daher "als solche grundsätzlich nicht zu beanstanden" sei. Da § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG eben dieses Ziel verfolgt, geht die Argumentation der Beschwerde ins Leere (vgl zu verfassungsrechtlichen Überlegungen im Zusammenhang mit der Tatortfiktion auch das zitierte hg Erkenntnis Zl 2007/03/0221). Aus diesem Grund sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, die gegenständliche Rechtsfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege einer Vorabentscheidung heranzutragen. Der bezughabende Antrag des Beschwerdeführers war zurückzuweisen, weil dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf das Einholen einer Vorabentscheidung nicht zukommt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/19/0730, mwN).

5. Soweit die Beschwerde abschließend vorbringt, die belangte Behörde hätte gemäß § 21 VStG von der Verhängung der Strafe absehen müssen, weil es sich um ein "reines Formalvergehen" handle und der Beschwerdeführer bislang unbescholten gewesen sei, vermag sie ein geringfügiges Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht darzulegen, weil darunter nur solche Fälle zu verstehen wären, in denen das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt zurückbleibt (vgl dazu etwa Raschauer/Wessely, VStG (2010), Rz 6 zu § 21, mwN).

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am