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VwGH vom 26.01.2009, 2006/17/0380

VwGH vom 26.01.2009, 2006/17/0380

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des TP in W, vertreten durch Dr. Ramin Mirfakhrai, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS- 05/K/3/9685/2005, UVS-05/V/3/9686/2005, UVS-05/V/3/9688/2005 und UVS-05/V/3/9691/2005, jeweils betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem § 1a Wiener Parkometergesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit vier Schreiben des Magistrats der Stadt Wien jeweils vom wurde der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer gemäß § 1a des Wiener Parkometergesetzes (Wr ParkometerG) aufgefordert bekanntzugeben, wem er ein näher bezeichnetes Fahrzeug, das am , am , am sowie am zu jeweils näher bezeichneten Zeiten an bestimmten Orten in gebührenpflichtigen Kurzparkzonen abgestellt worden sei, überlassen gehabt habe.

Mit Schreiben jeweils vom gab der Beschwerdeführer an, das Fahrzeug jeweils Pera M (unter Bekanntgabe des Geburtsdatums und einer näheren Anschrift in Serbien) überlassen zu haben.

In der Folge teilte der Beschwerdeführer auf Ersuchen der Behörde mit, Pera M habe sich von Anfang Dezember 2004 bis Mitte Jänner 2005 in Wien aufgehalten. Er habe teilweise bei Freunden und teilweise in der Galerie des Beschwerdeführers (F-Gasse 1), die einen Wohnbereich beinhalte, gewohnt. Pera M habe sich das Fahrzeug wiederholt vom Beschwerdeführer abgeholt, um ein Verkehrsmittel zur Verfügung zu haben.

Mit Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer in allen vier Fällen schuldig erkannt, dem Auskunftsverlangen nicht entsprochen zu haben, weil die erteilte Auskunft unrichtig gewesen sei. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von je EUR 35,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 12 Stunden) verhängt und Kostenbeiträge in Höhe von je EUR 3,50 festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, ein Auskunftsersuchen der Behörde an den vom Beschwerdeführer genannten ausländischen Lenker sei von diesem zwar übernommen, nicht aber beantwortet worden. Der Beschwerdeführer habe die Existenz, nicht aber die Lenkereigenschaft der angegebenen Person glaubhaft gemacht. Die erteilten Lenkerauskünfte seien daher als unrichtig zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung.

Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde zweimal jeweils an ihn gerichtete und mit "Pera M" unterzeichnete handgeschriebene Briefe samt Originalkuvert und Übersetzung ins Deutsche vor.

Im ersten (undatierten) Schreiben bestätigte dessen Verfasser, über die Feiertage mit dem Auto des Beschwerdeführers in Wien gefahren zu sein, erachtete die Strafen aber als zu hoch.

Im zweiten Schreiben (vom ) teilte der Verfasser dem Beschwerdeführer mit, aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Wien kommen zu können, um "bei Gericht" zu erscheinen. Er werde aber das Geld für die Strafen schicken.

Weiters teilte der Beschwerdeführer mit, sein Schwager Pera M habe den Geldbetrag an ihn überwiesen und er sei jederzeit bereit, die Strafen im Namen des Pera M einzubezahlen.

Bei der mündlichen Verhandlung bestätigte die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers Anja W im Wesentlichen dessen Angaben, wonach Pera M zu den im Straferkenntnis genannten Zeiten das Fahrzeug überlassen worden sei. Die ebenfalls als Zeugin vernommene Martina S, welche aushilfsweise in der Galerie des Beschwerdeführers tätig war, bestätigte ebenfalls, dass Pera M im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Wien gewesen und wiederholt mit dem Fahrzeug des Beschwerdeführers gefahren sei. Sie gab an, über die konkreten Deliktszeitpunkte zwar nichts sagen zu können, aber die Gespräche aus Anlass der Strafverfügungen sowie der Zusage des Pera M, die Strafen zu übernehmen, gehört zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Versuch, mit dem Zeugen Pera M Verbindung aufzunehmen, sei gescheitert. Dieser habe die Anfrage der Behörde erster Instanz nicht beantwortet, sei zwei Ladungen der belangten Behörde zur mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen und auch vom Beschwerdeführer nicht stellig gemacht worden. Damit habe die belangte Behörde alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten im Ermittlungsverfahren ausgeschöpft. Es sei die Obliegenheit des Beschwerdeführers gewesen, in geeigneter Form das Vorliegen des von ihm behaupteten Sachverhaltes zu beweisen bzw. einen weiteren Entlastungsbeweis anzubieten. Dies sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Er habe in der mündlichen Verhandlung unglaubwürdig gewirkt und sei erkennbar bemüht gewesen, den wahren Sachverhalt zu verschleiern. Seine Aussagen hätten hinhaltend, ausweichend gewirkt und mehrfacher Ergänzung und Korrektur bedurft. Auch die Zeuginnen Anja W und Martina S hätten im unmittelbaren Eindruck instruiert gewirkt und seien erkennbar bemüht gewesen, den Beschwerdeführer nicht zu belasten. Die vom Beschwerdeführer erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben des Pera M seien nicht geeignet, seine Rechtfertigung zu erhärten. Dem in der mündlichen Verhandlung unmittelbar gewonnenen Eindruck von der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sowie der in einem Naheverhältnis zu diesem stehenden Zeuginnen komme jedenfalls eine höhere Beweiskraft zu, als einer vom Beschwerdeführers vorgelegten schriftlichen Erklärung einer im Ausland lebenden Person, verlöre doch sonst der Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Berufungsverfahrens jeden Sinn "(st. Rsp. des UVS Wien, z.B. vom , 03/M/3/3100, ZUV 1/2004, UVS 26W)".

Der Beschwerdeführer habe keine objektiven Befangenheitsgründe aufgezeigt und solche lägen auch nicht vor. Dass der Verhandlungsleiter dem Berufungswerber, der sich in der mündlichen Verhandlung ebenso ungehalten wie diskussionsfreudig gezeigt habe, im Laufe des Ermittlungsverfahrens den Stand desselben, insbesondere seinen Eindruck über die Glaubwürdigkeit der Aussage des Berufungswerbers sowie der Zeugen mitgeteilt habe, sei kein Anzeichen von Befangenheit, sondern, im Gegenteil, Ausdruck einer fairen Verfahrensführung.

Bei einer zusammenfassenden Würdigung seien daher die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen als erwiesen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Hinweis auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor und stellte den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt als inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, dass die belangte Behörde sich auf die Bestimmungen des ParkometerG, LGBl. Nr. 47/1974, gestützt habe, obwohl am das Wr ParkometerG 2006 in Kraft getreten sei.

Vom Beschwerdeführer wird daher übersehen, dass für die verwaltungsstrafrechtliche Beurteilung eines Verhaltens grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Begehung der Tat entscheidend ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/10/0183).

Der Beschwerdeführer vertritt in seiner Beschwerde die Auffassung, eine richtige und vollständige Auskunft erteilt zu haben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist es Sinn und Zweck der Regelung des § la Wr ParkometerG, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen. Die aufgrund einer behördlichen Anfrage nach § la Abs. 1 Wr ParkometerG erteilte Auskunft darf daher weder in sich widersprüchlich noch unklar sein; sie muss vielmehr in solcher Weise richtig und vollständig sein, dass aufgrund dieser Auskunft die Person, der das (Kraft-)Fahrzeug überlassen worden ist, bzw. der Lenker des Fahrzeuges ohne weitere Umstände festgestellt und allenfalls zur Verantwortung gezogen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0361, mwN).

Im Beschwerdefall ist nicht zweifelhaft, dass die vom Beschwerdeführer auf die behördliche Anfrage erteilte Auskunft unzweideutig eine bestimmte Person (seinen Schwager Pera M) mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift bezeichnet hatte. Auch die belangte Behörde geht nicht davon aus, dass die erteilte Antwort etwa unvollständig geblieben wäre. Ob sie auch inhaltlich richtig ist, ist eine Sachverhaltsfeststellung in Würdigung der aufzunehmenden Beweise. Hiebei ist es Sache der Behörde, die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Unrichtigkeit nachzuweisen (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0361, mwN).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nach Einvernahme des Beschwerdeführers und zweier Zeuginnen sowie Einsichtnahme in zwei vom Beschwerdeführer vorgelegte Briefe als erwiesen angenommen, dass die Auskunft des Beschwerdeführers, wonach er zu den Deliktszeitpunkten sein Fahrzeug Pera M überlassen habe, unrichtig gewesen sei. Sie hat ihre Beweiswürdigung ausschließlich auf die persönlichen Eindrücke des Verhandlungsleiters vom Auftreten des Beschwerdeführers und der beiden Zeuginnen bei der Verhandlung gestützt, ohne jedoch anzugeben, auf welche konkreten Wahrnehmungen sich diese gründeten. Die belangte Behörde hat sich mit den Aussagen der vernommenen Personen auch inhaltlich nicht auseinandergesetzt und keine allfälligen Widersprüchlichkeiten oder andere bemerkenswerte Umstände, aus denen auf unrichtige bzw. abgesprochene Aussagen geschlossen werden könnte, aufgezeigt. Es kann daher im Hinblick auf den Beschwerdefall nicht von einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung gesprochen werden, wenn sich die belangte Behörde vage auf einen in der Berufungsverhandlung "unmittelbar gewonnenen Eindruck" beruft und diesem von vornherein eine höhere Beweiskraft zubilligt als anderen Beweismitteln. Darüber hinaus hat es die belangte Behörde gänzlich unterlassen, sich mit den beiden Schreiben des Pera M beweiswürdigend auseinanderzusetzen, sodass die Beweiswürdigung auch in dieser Hinsicht fehlerhaft ist und der dem Verwaltungsgerichtshof allein zustehenden Schlüssigkeitsprüfung nicht standzuhalten vermag.

Bei diesem Ergebnis war daher auf die behauptete Befangenheit nicht einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und Art. 6 Abs. 1 MRK, dem - im Hinblick darauf, dass vor der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat - nicht entgegensteht, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz der begehrten Pauschalgebühr war nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrenshilfe von deren Entrichtung befreit war.

Wien, am