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VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0204

VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0204

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/08/0205 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der M S in G, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H., in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2011-Mag. WM/S, betreffend Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice G vom - festgestellt, dass die Beschwerdeführerin das Anfallsalter auf Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG ab erfüllen würde.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde aus, dass die am geborene Beschwerdeführerin das Anfallsalter gemäß § 253a ASVG erst nach dem Jahr 2010 erreiche und somit für sie nicht mehr das maßgebliche Alter von 56,5 Jahren, sondern das Mindestalter gemäß § 39a Abs. 7 AlVG in Betracht komme. In Form einer tabellarischen Aufstellung für den Zeitraum von Jänner bis Dezember 2011 legte sie dar, dass die Beschwerdeführerin erst mit das Mindestalter nach § 39a Abs. 7 AlVG (von 57 Jahren und 3 Monaten) für den Anspruch auf Übergangsgeld erfüllt habe.

Dem Berufungseinwand, wonach § 39a AlVG dahingehend auszulegen sei, dass lediglich das Anfallsalter gemäß § 253a ASVG in den in § 39a Abs. 7 AlVG angeführten Monaten zu erfüllen sei (und somit die Beschwerdeführerin bereits seit Anspruch auf Übergangsgeld habe), hielt die belangte Behörde entgegen, dass gemäß § 39a Abs. 7 leg. cit. das Anfallsalter nach § 253a ASVG nur mehr insofern maßgeblich sei, als damit eine Entscheidungsgrenze (zur Gewährung des ursprünglich eingeführten Übergangsgeldes bis Ende 2010) gezogen werde. Ab 2011 bestünde grundsätzlich nach Auslaufen der gesetzlichen Verlängerung dieser Leistung kein Anspruch mehr auf Übergangsgeld. Der Gesetzgeber habe jedoch, um einen abrupten Abbruch dieser Leistung zu verhindern, eine Einschleifregelung eingeführt, wonach Personen ab Eintritt eines gewissen Mindestalters weiterhin Übergangsgeld gewährt werden soll. Die Auslegung der Beschwerdeführerin würde den Zugang zum Übergangsgeld in einem Maße öffnen, der dem Ziel des Gesetzgebers, nämlich dem Auslaufen einer Leistung, entgegenstünde. Erfülle man das Anfallsalter nach § 253a ASVG erst nach 2010, sei entsprechend der Regelung des Gesetzgebers nicht mehr das Anfallsalter von 56,5 Jahren (für Frauen) maßgeblich, sondern das Mindestalter, das in § 39a Abs. 7 AlVG in den entsprechenden Monaten erreicht werden müsse, um einen Anspruch auf Übergangsgeld zu erwirken.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003 wurden im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) Bestimmungen über "besondere Leistungen für ältere Personen" (Abschnitt 3a) eingeführt. Diese Maßnahmen standen in einem Zusammenhang mit der Pensionsreform, durch die es zur Abschaffung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit gemäß § 253a ASVG und zu einer Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG gekommen ist. Nach den Ausführungen in der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2003 (59 BlgNR 22. GP, 348) sollen "jene Arbeitslosen, die bei Beibehaltung der bisherigen Rechtslage in den Jahren 2004 bis 2006 nach zwölfmonatiger Arbeitslosigkeit in die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit hätten gehen können, an deren Stelle Übergangsgeld beziehen können".

§ 39a AlVG trat schließlich gemäß § 79 Abs. 72 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 und BGBl. I Nr. 128/2003 mit in Kraft und lautete (auszugsweise) wie folgt:

"§ 39a. (1) Personen, die das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2001 in den Jahren 2004 bis 2006 erfüllen, haben bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Alterspension Anspruch auf ein Übergangsgeld, wenn sie in den letzten fünfzehn Monaten mindestens 52 Wochen arbeitslos im Sinne des § 12 (allenfalls mit Ausnahme des Abs. 3 lit. f) sind und trotz intensiver Bemühungen keine neue Beschäftigung antreten können. …"

Wegen der ab 2009 besonders ungünstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes wurde im Rahmen des "Arbeitsmarktpaketes 2009" (BGBl. I Nr. 2009/90) ab der Zeitraum für die Erreichung des erforderlichen Antrittsalters bis inklusive 2010 verlängert und in § 39a Abs. 7 AlVG eine Einschleifregelung ab 2010 angeordnet.

In der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 2009/90 hat § 39a AlVG auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 39a. (1) Personen, die das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2001 in den Jahren 2004 bis 2010 erfüllen, haben bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Alterspension, längstens jedoch bis zum Ablauf des Kalendermonates, in dem das Regelpensionsalter erreicht wird, Anspruch auf ein Übergangsgeld, wenn sie in den letzten fünfzehn Monaten mindestens 52 Wochen arbeitslos im Sinne des § 12 (allenfalls mit Ausnahme des Abs. 3 lit. f) sind und trotz intensiver Bemühungen keine neue Beschäftigung antreten können. Der Zeitraum von 52 Wochen verlängert sich um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 Z 1. Wenn keine Aussicht auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit besteht, kann die regionale Geschäftsstelle im Rahmen der Richtlinie des Arbeitsmarktservice (§ 38b AMSG) nach Anhörung des Regionalbeirates festlegen, dass solche Personen sich für eine bestimmte Zeit nicht ständig zur Aufnahme und Ausübung einer Beschäftigung bereithalten (§ 7 Abs. 3 Z 1) müssen. Während dieser Zeit sind § 49 (Kontrollmeldungen) und § 16 Abs. 1 lit. g (Ruhen bei Auslandsaufenthalt) nicht anzuwenden. Die regionale Geschäftsstelle hat für diese Personen nach Anhörung des Regionalbeirates festzulegen, dass sie der Arbeitsvermittlung wieder ständig zur Verfügung stehen müssen, wenn begründete Aussicht auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt besteht.

(2) …

(7) Für Personen, die das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2001 erst nach 2010 erfüllen, gelten die Abs. 1 bis 6 ab Erreichung folgenden Mindestalters

1. im Jänner bis April 2011 für Frauen 56 Jahre 9 Monate und für Männer 61 Jahre 9 Monate,

2. im Mai bis August 2011 für Frauen 57 Jahre und für Männer 62 Jahre,

3. im September bis Dezember 2011 für Frauen 57 Jahre 3 Monate und für Männer 62 Jahre 3 Monate,

4. im Jänner bis April 2012 für Frauen 57 Jahre 6 Monate und für Männer 62 Jahre 6 Monate,

5. im Mai bis August 2012 für Frauen 57 Jahre 9 Monate und für Männer 62 Jahre 9 Monate,

6. im September bis Dezember 2012 für Frauen 58 Jahre und für Männer 63 Jahre,

7. im Jänner bis April 2013 für Frauen 58 Jahre 3 Monate und für Männer 63 Jahre 3 Monate,

8. im Mai bis August 2013 für Frauen 58 Jahre 6 Monate und für Männer 63 Jahre 6 Monate,

9. im September bis Dezember 2013 für Frauen 58 Jahre 9 Monate und für Männer 63 Jahre 9 Monate,

10. im Jänner bis April 2014 für Frauen 59 Jahre und für Männer 64 Jahre,

11. im Mai bis August 2014 für Frauen 59 Jahre 3 Monate und für Männer 64 Jahre 3 Monate,

12. im September bis Dezember 2014 für Frauen 59 Jahre 6 Monate und für Männer 64 Jahre 6 Monate,

13. im Jänner bis April 2015 für Frauen 59 Jahre 9 Monate und für Männer 64 Jahre 9 Monate."

§ 607 Abs. 10 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 lautet auszugsweise wie folgt:

"(10) Die am geltenden Bestimmungen über

die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer

(vorzeitige Knappschaftsalterspension bei langer

Versicherungsdauer) sind - mit Ausnahme der §§ 108h Abs. 1, 238,

239, 261, 261b, 284 Z 3 und 284b - auf Versicherungsfälle, in

denen der Stichtag nach dem liegt, weiterhin

anzuwenden, jedoch tritt abweichend von § 253b Abs. 1

1. an die Stelle des 738. Lebensmonates, wenn der

Versicherte diesen Lebensmonat vollendet

- im Juli oder August oder September 2004 der

740. Lebensmonat

- im Oktober oder November oder Dezember 2004 der 742.

Lebensmonat

- …

- im April oder Mai oder Juni 2014

der 780. Lebensmonat;

2. an die Stelle des 678. Lebensmonates, wenn die

Versicherte diesen Lebensmonat vollendet

- im Juli oder August oder September 2004 der


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680.
Lebensmonat
- im Oktober oder November oder Dezember 2004 der 682.
Lebensmonat
-
-
im April oder Mai oder Juni 2014
der 720. Lebensmonat."
2.
In der Beschwerde wiederholt die Beschwerdeführerin ihre Ansicht, wonach die Übergangsregelung in § 39a Abs. 7 AlVG für jenen Personenkreis, der die Voraussetzungen nach § 39a Abs. 1 leg. cit. erst nach 2010 erfüllt, dahingehend auszulegen sei, dass nicht nur das entsprechende Alter, sondern zusätzlich auch das Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension nach den früheren Bestimmungen erreicht werden müsse (somit würde das begehrte Übergangsgeld nach Vollendung von 56,5 Lebensjahren und zusätzlich einem Alter von 56 Jahren und 9 Monaten - hier also: ab - zustehen).
Dieser Ansicht ist zu folgen:
In der ursprünglichen Fassung des § 39a AlVG war der Zugang zum Übergangsgeld nur jenen Personen möglich, die das erforderliche Mindestalter spätestens 2006 erreicht haben. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit war aber ermächtigt, bei ungünstiger Entwicklung des Arbeitsmarktes durch Verordnung auch Personen den Zugang zum Übergangsgeld zu ermöglichen, die das Anfallsalter gemäß § 253a ASVG in den Jahren 2007 bis 2009 erreichten. Von dieser Verordnungsermächtigung wurde wegen der ungünstigen Beschäftigungsaussichten Gebrauch gemacht und damit der Zugang zum Übergangsgeld bis Ende 2009 möglich.
Wegen der ab 2009 besonders ungünstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes wurde im Rahmen des "Arbeitsmarktpaketes 2009" (BGBl. I Nr. 90/2009) ab der Zeitraum für die Erreichung des erforderlichen Antrittsalters bis inklusive 2010 verlängert und in § 39a Abs. 7 AlVG eine Übergangsregelung ab 2011 angeordnet (die Verordnungsermächtigung ist damit entfallen).
In den Erläuterungen (AB 249 BlgNR 24. GP, 3f) wird die Regelung als "Einschleifregelung" bezeichnet. Dies wird zwar im Übrigen nicht näher erörtert, aber darauf verwiesen, dass das Übergangsgeld als Überbrückungsleistung zwischen dem Arbeitslosengeldbezug und der auf Grund der schrittweisen Anhebung des Antrittsalters für die auslaufende vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) erst mit Verzögerung zustehenden vorzeitigen Alterspension geschaffen worden sei. Damit ist als Vorbild für die Übergangsregelung in § 39a Abs. 7 AlVG die Bestimmung des § 607 Abs. 10 ASVG (zur weiteren Anwendung von § 253b ASVG) zu sehen.
Bezüglich § 607 Abs. 10 ASVG ist unstrittig (vgl. Tomandl, Sozialrecht, 6. Auflage, Rz 245a; Sonntag in Sonntag, ASVG2, § 253b Rz 1; vor allem aber Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG,§ 253b Anm. 2.1 mit umfangreicher Tabelle), dass das Anfallsalter etappenweise bis April 2014 bis zur Höhe des Regelpensionsalters hinaufgesetzt wird, der Vorgang aber erst mit Beginn des letzten Quartals 2017 abgeschlossen sein wird. § 607 Abs. 10 ASVG wird dahingehend verstanden, dass die vorzeitige Alterspension (bei Frauen, Z. 2) ab dem 680. Lebensmonat zusteht, wenn der 678. Lebensmonat im Juli bis September 2004 vollendet wird; ab dem
682.
Lebensmonat, wenn wiederum der 678. Lebensmonat im Oktober bis Dezember 2004 vollendet wird (usw.). Es kommt also für das jeweils geltende Anfallsalter immer darauf an, wann der 678. Lebensmonat vollendet wird.
§ 39a Abs. 7 AlVG ist somit dahingehend auszulegen, dass für Personen, die das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG (also bei Frauen: 56 Jahre und 6 Monate) erst nach 2010 erfüllen, zwar das Mindestalter für das Übergangsgeld erhöht wird, dies aber in Abhängigkeit davon erfolgt, wann das Alter von 56,5 Jahren erreicht wird.
Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass (nach Z. 1 dieser Bestimmung) bei Vollendung des Alters von 56 Jahren und 6 Monaten im Jänner bis April 2011 das Übergangsgeld ab Erreichung des Alters von 56 Jahren und 9 Monaten zusteht.
3.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am