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VwGH 11.06.2021, Ra 2020/08/0040

VwGH 11.06.2021, Ra 2020/08/0040

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VStG §14 Abs1
VStG §53b
VStG §54b Abs3
VwGG §30 Abs2
RS 1
Nichtstattgebung - Bestrafung nach dem ASVG - Einen unverhältnismäßigen Nachteil iSd § 30 Abs. 2 VwGG hat der Revisionswerber schon deshalb nicht darzulegen vermocht, weil nach § 54b Abs. 3 VStG die Möglichkeit besteht, einen Antrag auf angemessenen Aufschub oder auf Teilzahlung der verhängten Strafe zu stellen, dem nach der genannten Gesetzesstelle zu entsprechen wäre, wenn die unverzügliche Zahlung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Weiters dürfen nach § 14 Abs. 1 VStG Geldstrafen nur insoweit eingetrieben werden, als dadurch weder der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, noch die Erfüllung der Pflicht, den Schaden gutzumachen, gefährdet wird. Was die Ersatzfreiheitsstrafe anlangt, so genügt es, auf § 53b VStG zu verweisen.
Normen
ASVG §111 Abs1 Z1
ASVG §33 Abs1
ASVG §33 Abs2
RS 1
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. etwa , VwSlg 15653 A/2001; , 2013/08/0140; u.v.a.) unterscheidet § 33 ASVG zwischen der Meldung krankenversicherter Personen im Abs. 1 und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter im Abs. 2. Bestraft die Behörde (das Verwaltungsgericht) wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen), so ist in der Entscheidungsbegründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, das heißt ein Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Dies bedeutet zumindest die Feststellung eines solchen Umfangs der Arbeitsverpflichtung, dass daraus mit Blick auf die lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrags verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Andernfalls käme nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG in Betracht.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/08/0138 B RS 1
Norm
ASVG §4 Abs2
RS 2
Für die Beurteilung, ob eine Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wird, ist es von besonderer Aussagekraft, ob der Erwerbstätige in einen Betrieb mit einer vom Dienstgeber determinierten Ablauforganisation in einer Weise eingebunden war, dass dies der Erteilung ausdrücklicher persönlicher Weisungen und der Vornahme entsprechender Kontrollen gleichgehalten werden kann ("stille Autorität" des Dienstgebers). Weiters spielt die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation eine Rolle, weil sich - unabhängig vom Vorliegen konkreter sachlicher Weisungen (die in der Realität des Arbeitsverhältnisses nicht immer erwartet werden können) - mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw. sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Derartige Dispositionsmöglichkeiten stärken - insbesondere bei Fehlen der Einbindung in eine Betriebsorganisation - die Sphäre persönlicher Ungebundenheit und sprechen für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses (vgl. , mwN).
Normen
ArbVG §34 Abs1
ASVG §4 Abs2
RS 3
Eine Einbindung in die betriebliche Organisation setzt zunächst das Vorhandensein eines Betriebs voraus. Im Sinn der Definition des § 34 Abs. 1 ArbVG ist diejenige Arbeitsstätte als Betrieb anzusehen, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb derer eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Maßgeblich für eine Einbindung in die betriebliche Organisation ist insbesondere, ob von der aus Infrastruktur und beteiligten Personen gebildeten organisatorischen Einheit ein personenbezogener Anpassungsdruck auf den darin eingebundenen Erwerbstätigen ausgeht. Strukturen einer betrieblichen Organisation, in die eine Einbindung erfolgen kann, manifestieren sich zB in einem durch die Erfordernisse der betrieblichen Einrichtung vorgegebenen Ablauf, in einer gemeinsamen aufeinander abgestimmten Tätigkeit mehrerer Mitarbeiter oder in der Anwesenheit von Vorgesetzten an der Arbeitsstätte. Meist wird eine Einbindung in die betrieblichen Strukturen vor Ort von einer (dauerhaften) Zuweisung von einschlägigen Betriebsmitteln an den Erwerbstätigen (zB Schreibtisch, Anschluss und Benutzung einer innerbetrieblichen Informationstechnologie) begleitet (vgl. ; sowie , 0173, mit weiteren Ausführungen zum Begriff der Einbindung in den Betrieb). Insbesondere können auch Baustellen, soweit sie die genannten Kriterien erfüllen, in diesem Sinn als ein Betrieb angesehen werden, in den eine Einbindung erfolgen kann (vgl. zu derartigen Fällen etwa ; , 2010/08/0217).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/08/0090 E RS 2 (hier ohne den letzten Satz)
Norm
ASVG §4 Abs2
RS 4
Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH, dass dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, die Behörde bzw. das VwG berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. etwa , mwN). Spricht also eine Vermutung der genannten Art für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. , Ra 2015/08/0135, mwN). In diesem Sinn kann insbesondere bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten - wie etwa Bauhilfsarbeiten -, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. etwa , mwN). In Ermangelung eines Betriebes des Beschäftigers, in den der Beschäftigte integriert gewesen ist, reicht das bloße Vorliegen einfacher manueller Arbeiten im Allgemeinen aber nicht aus, um (schon deshalb) vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ausgehen zu können (vgl. etwa ; , 2012/08/0024; sowie ; , Ra 2015/08/0080). Allein die Tatsache, dass die verrichtete Tätigkeit keine besondere Qualifikation erfordert, lässt nämlich - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - noch keine Vermutung zu, die im Sinn der genannten Rechtsprechung die Behörde bzw. das VwG berechtigen könnte, ohne weitere Erhebungen von einem Dienstverhältnis auszugehen. Ist eine Vermutung der genannten Art, die die Behörde bzw. das VwG berechtigen könnte, von einem Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen, nicht zu bejahen, so ist anhand näherer Umstände des Falles zu klären, ob bei der Erfüllung der übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist (vgl. ; , 2013/08/0146).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/08/0090 E RS 3 (hier nur die ersten drei Sätze)
Norm
ASVG §4 Abs2
RS 5
Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH, dass dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, die Behörde bzw. das VwG berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. etwa , mwN). Spricht also eine Vermutung der genannten Art für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. , Ra 2015/08/0135, mwN). In diesem Sinn kann insbesondere bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten - wie etwa Bauhilfsarbeiten -, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. etwa , mwN). In Ermangelung eines Betriebes des Beschäftigers, in den der Beschäftigte integriert gewesen ist, reicht das bloße Vorliegen einfacher manueller Arbeiten im Allgemeinen aber nicht aus, um (schon deshalb) vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ausgehen zu können (vgl. etwa ; , 2012/08/0024; sowie ; , Ra 2015/08/0080). Allein die Tatsache, dass die verrichtete Tätigkeit keine besondere Qualifikation erfordert, lässt nämlich - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - noch keine Vermutung zu, die im Sinn der genannten Rechtsprechung die Behörde bzw. das VwG berechtigen könnte, ohne weitere Erhebungen von einem Dienstverhältnis auszugehen. Ist eine Vermutung der genannten Art, die die Behörde bzw. das VwG berechtigen könnte, von einem Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen, nicht zu bejahen, so ist anhand näherer Umstände des Falles zu klären, ob bei der Erfüllung der übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist (vgl. ; , 2013/08/0146).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/08/0090 E RS 3 (hier nur der letzte Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des R, geboren 1950, vertreten durch Dr. Wolfgang Bernt, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 10/26, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich Aussenstelle Wiener Neustadt vom , LVwG-S-992/001-2019, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich wurde über den Revisionswerber - in Bestätigung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom  - wegen Übertretung des ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von € 730,- (Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden) verhängt.

2 Mit der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision ist der Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Antrag wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Revisionswerber eine Pension in Höhe von monatlich € 2.000,- netto beziehe. Davon müsse er allerdings seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Ehefrau, die bloß eine „Mindestpension“ beziehe, bestreiten, sodass die Vollstreckung für ihn einen unverhältnismäßigen Nachteil bedeuten würde.

3 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht und ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

4 Der Vollzug der Entscheidung an sich ist noch kein Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, sofern dadurch nicht der Rechtsschutz der Partei dauernd wesentlich beeinträchtigt wird. Ein bloßer Vermögensnachteil, der im Falle des Obsiegens vor dem Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen wieder ausgeglichen werden kann, muss daher für sich allein genommen noch kein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG sein, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten (vgl. ).

5 Einen solchen unverhältnismäßigen Nachteil hat der Revisionswerber schon deshalb nicht darzulegen vermocht, weil nach § 54b Abs. 3 VStG die Möglichkeit besteht, einen Antrag auf angemessenen Aufschub oder auf Teilzahlung der verhängten Strafe zu stellen, dem nach der genannten Gesetzesstelle zu entsprechen wäre, wenn die unverzügliche Zahlung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Weiters dürfen nach § 14 Abs. 1 VStG Geldstrafen nur insoweit eingetrieben werden, als dadurch weder der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, noch die Erfüllung der Pflicht, den Schaden gutzumachen, gefährdet wird. Was die Ersatzfreiheitsstrafe anlangt, so genügt es, auf § 53b VStG zu verweisen.

6 Dem Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher nicht stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des R B in E, vertreten durch Dr. Wolfgang Bernt, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 10/26, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-S-992/001-2019, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich wurde der Revisionswerber - in Bestätigung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom  - gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 und 1a ASVG mit einer Geldstrafe von 730 € bestraft, weil er es als Dienstgeber unterlassen habe, den Dienstnehmer MG vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber beziehe seit Alterspension. Davor sei er als Bauarbeiter tätig gewesen, wobei das Unternehmen, das ihn beschäftigt habe, insbesondere Kernbohrungen sowie Brunnenbau durchgeführt habe.

3 Der Revisionswerber sei Zulassungsbesitzer eines Pritschenwagens. Diesen Pritschenwagen habe MG, wie im Zuge einer Verkehrskontrolle festgestellt worden sei, am gelenkt. Mit dem Pritschenwagen gezogen worden sei ein Kompressoranhänger, der auf das Unternehmen WT zugelassen gewesen sei. Auf der Ladefläche seien diverse Werkzeuge mitgeführt worden. Ein Mitarbeiter des Unternehmens WT sei mit MG im Pritschenwagen mitgefahren. MG habe im Zuge der Verkehrskontrolle angegeben, dem Revisionswerber bei „Brunnenbauarbeiten“ auszuhelfen, weil der erkrankte Revisionswerber diese nicht selbst durchführen könne. Der Revisionswerber habe telefonisch gegenüber dem die Verkehrskontrolle durchführenden Beamten mitgeteilt, dass MG ihm an diesem Tag „aushelfe“. Es ergebe sich somit, dass der aus Serbien stammende MG den Pritschenwagen samt den mitgeführten Werkzeugen und Geräten im Auftrag des Revisionswerbers gelenkt habe. In der Zeit, in der MG sich in Österreich aufgehalten habe, habe er beim Revisionswerber gewohnt und habe von diesem auch „gratis Mahlzeiten“ erhalten. Der Vater des MG sei ein in Serbien wohnhafter Bekannter des Revisionswerbers.

4 Im Zuge seiner Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, es sei nicht bestritten worden, dass MG den Pritschenwagen am gelenkt und den Transport für den Revisionswerber durchgeführt habe. Nicht glaubwürdig seien die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes getätigten Aussagen des Revisionswerbers und des MG, wonach MG für den Revisionswerber im Zuge eines Freundschaftsdienstes lediglich eine Rückstellung des Kompressoranhängers an das Unternehmen WT vorgenommen hätte. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die im Zuge der Verkehrskontrolle gemachten Angaben, wonach MG dem Revisionswerber bei Brunnenbauarbeiten ausgeholfen habe, weil dieser erkrankt gewesen sei, den Tatsachen entsprochen hätten.

5 In rechtlicher Hinsicht verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspreche, dass dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, somit arbeitend unter solchen Umständen angetroffen werde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuteten, die Behörde berechtigt sei, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt würden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstünden. Das sei im vorliegenden Fall, dem die Durchführung einfacher manueller Tätigkeiten - nämlich eines Transportes - durch MG zu Grunde liege, zu bejahen. Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste seien nur kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden aufgrund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht würden und ihrer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhielten. Auch wenn es sich bei MG um den Sohn eines Bekannten des Revisionswerbers handle, sei das Vorliegen eines Freundschaftsdienstes mangels einer spezifischen Bindung nicht zu bejahen. Im Übrigen habe MG seine Tätigkeit auch nicht unentgeltlich erbracht, sondern „Kost und Logis“ vom Revisionswerber erhalten. Dabei habe es sich um ein beitragspflichtiges Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1 ASVG gehandelt. Der Revisionswerber habe MG somit zumindest am beschäftigt. Er sei daher zur Anmeldung des MG vor Arbeitsantritt verpflichtet gewesen. Die Unterlassung sei ihm auch subjektiv vorwerfbar.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen hat:

7 Zur Zulässigkeit der Revision wird unter anderem vorgebracht, selbst wenn - wie bestritten werde - ein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen wäre, so sei aus dem festgestellten Sachverhalt nicht abzuleiten, dass die Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden wäre. Es ergebe sich daher - anders als im angefochtenen Erkenntnis angenommen - keine Verletzung der Meldepflicht nach § 33 Abs. 1 ASVG. Das Verwaltungsgericht sei somit von der (in der Revision näher dargestellten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

8 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

9 Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG besteht diese Anmeldepflicht auch in Bezug auf die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG Pflichtversicherten.

10 § 33 ASVG unterscheidet somit zwischen der Meldung krankenversicherter Personen im Abs. 1 und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter im Abs. 2. Bestraft die Behörde (das Verwaltungsgericht) wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen), so ist in der Entscheidungsbegründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, das heißt ein Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Dies bedeutet zumindest die Feststellung eines solchen Umfangs der Arbeitsverpflichtung, dass daraus mit Blick auf die lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrags verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Andernfalls kommt nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 iVm. Abs. 2 ASVG in Betracht (vgl. , mwN).

11 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber - in Bestätigung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom  - wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG bestraft. Hinsichtlich des Entgeltes hat das Verwaltungsgericht lediglich festgestellt, dass MG vom Revisionswerber Kost und Logis erhalten habe. Ein darüber hinausgehender Anspruch des MG gegen den Revisionswerber könnte sich insbesondere aus einer Vereinbarung oder aufgrund der Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages in Zusammenhalt mit einer bestimmten geleisteten Arbeitszeit ergeben. Derartiges hat das Verwaltungsgericht nicht dargetan.

12 Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts kann somit nicht abgeleitet werden, dass MG - das Bestehen eines Dienstverhältnisses vorausgesetzt - Anspruch auf ein die Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) überschreitendes Arbeitsentgelt gehabt hätte. Schon aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

13 Im Übrigen ist die Revision im Ergebnis damit im Recht, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes seine rechtliche Beurteilung, es sei ein Beschäftigungsverhältnis des MG nach § 4 Abs. 2 ASVG aufgrund seiner Tätigkeit für den Revisionswerber vorgelegen, nicht zu tragen vermögen.

14 Ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffspaares - davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. auf Grund eines freien Dienstvertrages im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien der Abgrenzung der persönlichen Abhängigkeit von der persönlichen Unabhängigkeit sind nur die Bindungen des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung (§ 49 ASVG), die an sich in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).

15 Für die Beurteilung, ob eine Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wird, ist es von besonderer Aussagekraft, ob der Erwerbstätige in einen Betrieb mit einer vom Dienstgeber determinierten Ablauforganisation in einer Weise eingebunden war, dass dies der Erteilung ausdrücklicher persönlicher Weisungen und der Vornahme entsprechender Kontrollen gleichgehalten werden kann („stille Autorität“ des Dienstgebers). Weiters spielt die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation eine Rolle, weil sich - unabhängig vom Vorliegen konkreter sachlicher Weisungen (die in der Realität des Arbeitsverhältnisses nicht immer erwartet werden können) - mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw. sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Derartige Dispositionsmöglichkeiten stärken - insbesondere bei Fehlen der Einbindung in eine Betriebsorganisation - die Sphäre persönlicher Ungebundenheit und sprechen für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses (vgl. , mwN).

16 Die Annahme einer Einbindung in die betriebliche Organisation setzt das Vorhandensein eines Betriebs voraus. Im Sinn des § 34 Abs. 1 ArbVG ist diejenige Arbeitsstätte als Betrieb anzusehen, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb derer eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Maßgeblich für eine Einbindung in die betriebliche Organisation ist insbesondere, ob von der aus Infrastruktur und beteiligten Personen gebildeten organisatorischen Einheit ein personenbezogener Anpassungsdruck auf den darin eingebundenen Erwerbstätigen ausgeht. Strukturen einer betrieblichen Organisation, in die eine Einbindung erfolgen kann, manifestieren sich zB in einem durch die Erfordernisse der betrieblichen Einrichtung vorgegebenen Ablauf, in einer gemeinsamen aufeinander abgestimmten Tätigkeit mehrerer Mitarbeiter oder in der Anwesenheit von Vorgesetzten an der Arbeitsstätte. Meist wird eine Einbindung in die betrieblichen Strukturen vor Ort von einer (dauerhaften) Zuweisung von einschlägigen Betriebsmitteln an den Erwerbstätigen (zB Schreibtisch, Anschluss und Benutzung einer innerbetrieblichen Informationstechnologie) begleitet (vgl. , mwN).

17 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. etwa , mwN). In diesem Sinn kann insbesondere bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten - wie etwa Bauhilfsarbeiten -, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. , mwN.)

18 Das Verwaltungsgericht hat sich im vorliegenden Fall hinsichtlich des Vorliegens eines Dienstverhältnisses darauf gestützt, dass im Sinn dieser Rechtsprechung Umstände vorgelegen seien, die auf ein Dienstverhältnis hätten schließen lassen. Den Feststellungen ist insoweit jedoch lediglich zu entnehmen, dass MG im Auftrag des Revisionswerbers einen Transport mit dessen Pritschenwagen durchgeführt und der Revisionswerber MG untergebracht und verköstigt hat. Weiters ergibt sie in Zusammenhalt mit der Beweiswürdigung, dass das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass MG dem Revisionswerber bei „Brunnenbauarbeiten ausgeholfen“ habe.

19 Dass der Revisionswerber einen Betrieb etabliert hätte, in den MG eingebunden gewesen wäre, kann aus den Feststellungen dagegen nicht abgeleitet werden. Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis darauf, dass es sich bei der Tätigkeit des MG um eine leichte manuelle Arbeit gehandelt habe, aber nicht ausreichend, um im Sinn der zitierten Rechtsprechung die Vermutung zu begründen, dass MG für den Revisionswerber in persönlicher Abhängigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG tätig geworden wäre (vgl. zu einem ähnlichen Fall nochmals VwGH Ra 2019/08/0090).

20 Ist eine Vermutung der genannten Art, die die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht berechtigen könnte, von einem Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen, nicht zu bejahen, so ist anhand näherer Umstände des Falles zu klären, ob bei der Erfüllung der übernommenen Arbeitspflicht die dargestellten Merkmale persönlicher Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist (vgl. wiederum VwGH Ra 2019/08/0090, mwN).

21 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

22 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VStG §14 Abs1
VStG §53b
VStG §54b Abs3
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080040.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAE-86529