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VwGH vom 19.03.2013, 2009/02/0366

VwGH vom 19.03.2013, 2009/02/0366

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des H U in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/S/4/3533/2009-22, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der G. GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am auf einer Baustelle in 1220 Wien entgegen § 48 Abs. 7 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), wonach Baugruben, Gräben oder Künetten nur betreten werden dürften, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 durchgeführt seien, wobei Abs. 2 leg. cit. bestimme, dass beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen sei, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden könnten:

1. die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten seien entsprechend § 50 abzuböschen;

2. die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten seien entsprechend § 51 und § 52 zu verbauen, oder

3. es seien geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung (§ 53) anzuwenden,

Arbeitnehmer der G. GmbH mit Baumeisterarbeiten beschäftigt habe und die Baugrube zur Durchführung der Sauberkeitsschicht betreten worden sei, obwohl die ca. 3,2 m tiefe straßenseitige Erdwand der Baugrube senkrecht unter einem Böschungswinkel von ca. 90 Grad in lehmigem, sandigem und schottrigem Material gegraben gewesen sei und die Erdwände weder gemäß § 50 BauV abgeböscht noch gemäß §§ 51, 52 BauV mit Verbauen gesichert oder gemäß § 53 BauV durch Bodenverfestigung gesichert gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung des § 48 Abs. 7 iVm Abs. 2 BauV iVm § 130 Abs. 5 Z 1 Arbeitnehmerschutzgesetz iVm § 161 BauV iVm § 9 Abs. 1 VStG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Woche, 4 Tage, 4 Stunden) verhängt wurde. Zudem wurde die Haftung der G. GmbH nach § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe samt Verfahrenskosten von EUR 420,-- zur ungeteilten Hand ausgesprochen.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsstrafverfahrens wieder, hielt die Angaben der vernommenen Personen fest und ging sachverhaltsmäßig davon aus, dass Arbeitnehmer der G. GmbH am auf einer Baustelle in Wien Bauarbeiten durchgeführt hätten. Bei der Kontrolle der Baustelle durch den Arbeitsinspektor Ing. D. sei für die G. GmbH an diesem Tag unter anderem G. G. beschäftigt gewesen. Es habe sich dort eine ca. 20 bis 25 m lange Baugrube mit einer Tiefe von etwa 3,2 m befunden. Die Baugrube sei von den Arbeitnehmern der G. GmbH betreten worden, um von der Straßenseite über die Grube zum Container und dem hinter der Baugrube befindlichen Objekt zu gelangen und um die Sauberkeitsschicht durchzuführen. Die straßenseitig gelegene Baugrubenwand habe im unteren Bereich aus Schotter und Kies mit Sandeinflüssen bestanden, darüber habe sich lehmiges Material befunden. Dabei handle es sich um den auf einem Foto im Vordergrund ersichtlichen Bereich nächst der Leiter, und zwar von der 6. bis zur 9. Sprosse der Leiter. Im Bildhintergrund sei eine Betonwand zu sehen, welche eine Länge von ca. 5 bis 7 m gehabt habe. Der Böschungswinkel habe bei der Böschungskrone ca. 70 Grad und beim Böschungsfuß 90 Grad betragen. Im mittleren Bereich, der aus lehmigem Material bestehe, sei ein Böschungswinkel von ca. 80 Grad bis 90 Grad vorgelegen, wobei teilweise auch Überhänge vorhanden gewesen seien. Bei dieser Baugrubenwand seien keine Sicherungsmaßnahmen durchgeführt worden.

Der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der G. GmbH, die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für diese Baustelle sei dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten nicht gemeldet worden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, hinsichtlich der Beschaffenheit des Erdreichs entlang der Baugrube sei dem Zeugen Ing. D zu glauben gewesen, der eine HTL für Tiefbau besucht habe und seit 24 Jahren beim Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten für die laufende Baustellenkontrolle zuständig sei. Nach den Aussagen von Ing. D handle es sich im fraglichen Bereich um lehmiges Material, bei der Frage des Böschungswinkels sei der Zeuge von zwei Referenzwerten ausgegangen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass mangels Übermittlung einer Meldung der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten an das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten die Verantwortung beim Beschwerdeführer als Geschäftsführer der G. GmbH liege. Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung nahm die belangte Behörde vor dem Hintergrund der Feststellungen über das Vorhandensein von lehmigem bzw. sandigem Material und des Umstandes, dass keine Maßnahmen zur Bodenverfestigung getroffen worden seien, Verbaue nicht errichtet worden seien und im fraglichen Bereich ein Böschungswinkel von ca. 80 bis 90 Grad vorgelegen sei, die objektive Tatseite als erwiesen an. Auch die subjektive Tatseite läge vor, weil der Beschwerdeführer kein wirksames Kontrollsystem dargestellt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat daraufhin repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu dem auch in der Beschwerde erhobenen Einwand, der Beschwerdeführer habe G.G. zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt, ohne dies allerdings dem zuständigen Arbeitsinspektorat mitzuteilen, ist auf die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (ArbIG) zu verweisen, wonach die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.

Da eine solche schriftliche Mitteilung im Beschwerdefall beim zuständigen Arbeitsinspektorat nicht eingelangt ist, ist die belangte Behörde mangels wirksamer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten zutreffend von der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als handelsrechtlichem Geschäftsführer der G. GmbH ausgegangen.

In der Sache nahm die belangte Behörde eine Übertretung des § 48 Abs. 7 iVm Abs. 2 BauV als gegeben an.

Gemäß § 48 Abs. 2 BauV ist beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können:

1. Die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 50 abzuböschen,

2. die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 51 und 52 zu verbauen, oder

3. es sind geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung (§ 53) anzuwenden.

Nach § 48 Abs. 7 BauV dürfen Baugruben, Gräben oder Künetten nur betreten werden, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 durchgeführt sind.

Gemäß § 50 Abs. 1 BauV ist bei Baugruben, Gräben oder Künetten die Böschungsneigung nach den bodenmechanischen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Einflüsse, die auf die Böschung wirken, festzulegen. Der Böschungswinkel darf im Regelfall

1. bei nichtbindigen oder weichen bindigen Böden, wie Mutterböden, Sande oder Kiese, höchstens 45 Grad,

2. bei steifen oder halbfesten bindigen Böden, wie Lehm, Mergel, fester Ton, höchstens 60 Grad


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3.
bei leichtem Fels höchstens 80 Grad,
4.
bei schwerem Fels höchstens 90 Grad


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betragen.

Werden steilere Böschungen als nach Abs. 1 ausgeführt, ist vor Ausführung der Arbeiten von einer fachkundigen Person ein rechnerischer Nachweis der Standsicherheit zu erstellen (Abs. 3 leg. cit.).

Unter Bezug auf - im Rahmen der Rechtsrüge - fragmentarisch wiedergegebene Aussagen einzelner Zeugen verweist der Beschwerdeführer darauf, dass es zu keinem Zeitpunkt zum Abrutschen von Material gekommen sei, und rügt unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sodann, dass die belangte Behörde entgegen seinem Antrag kein Gutachten über die Bodenbeschaffenheit eingeholt habe. Ungeklärt sei die Frage geblieben, ob ein Abrutschen des Materials überhaupt möglich gewesen wäre.

Davon ausgehend, dass der Beschwerdeführer die konkreten Feststellungen über die Zusammensetzung des Erdreichs in der Baugrube nicht bestreitet, ist zur Frage des möglichen Abrutschens kein Gutachten erforderlich, weil es auf die Beantwortung dieser Frage nicht ankommt. Nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen bestand nämlich der mittlere Bereich der Baugrube aus lehmigem Material bei einem Böschungswinkel von 80 bis 90 Grad , wogegen gemäß § 48 Abs. 2 iVm § 50 Abs. 1 Z. 2 BauV der Böschungswinkel im Regelfall bei steifen oder halbfesten bindigen Böden, wie Lehm, Mergel, fester Ton, höchstens 60 Grad betragen darf, ohne dass als weitere Voraussetzung gefordert wäre, dass Material abzurutschen drohe. Außerdem betrug nach den Feststellungen beim Böschungsfuß der Böschungswinkel 90 Grad mit teilweisen Überhängen, ohne dass irgendwelche Sicherungsmaßnahmen getroffen worden wären, während gemäß § 50 Abs. 1 Z 4 BauV nur bei schwerem Fels der Böschungswinkel höchstens 90 Grad betragen darf.

Es wäre sohin beim Beschwerdeführer gelegen gewesen, vor Ausführung der Arbeiten von einer fachkundigen Person einen rechnerischen Nachweis der Standsicherheit erstellen zu lassen (§ 50 Abs. 3 BauV), wenn er bei gegenständlichem Bauvorhaben steilere Böschungen auszuführen hatte, als unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodenbeschaffenheit nach Abs. 1 leg. cit. zulässig gewesen wären. Dass ein derartiger Nachweis erstellt worden wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Soweit die vorliegende Beschwerde unsubstantiiert Verfahrens- und Begründungsmängel rügt, genügt es darauf zu verweisen, dass die dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zukommende Prüfungskompetenz hinsichtlich der Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde nur für den Fall wirksam werden kann, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Vorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, muss der Beschwerdeführer jene entscheidenden Tatsachen in der Beschwerde angeben, die bei Einhaltung der verletzten Vorschriften zu einem anderen Bescheid hätten führen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 591 und 600 f zitierte Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen treffen auf die Beschwerdebehauptungen, die belangte Behörde habe ihre Begründungspflicht verletzt und die Sachverhaltsfeststellungen seien unzureichend, nicht zu.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am