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VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0190

VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des M A in S, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 35, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom , Zl. LGSSbg/2/0566/2011, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides des AMS S (in der Folge: AMS) vom - gegenüber dem Beschwerdeführer der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. bis "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von EUR 776,40 verpflichtet.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer mit ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis bei der X-KEG aufgenommen sowie die Aufnahme eines voll versicherten Beschäftigungsverhältnisses bei der Y-GmbH dem AMS nicht sofort gemeldet habe. Das AMS sei erst durch eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes vom , somit nach Auszahlung des "Arbeitslosengeldes" für April 2011 in Kenntnis gesetzt worden, dass parallel zur laufenden geringfügigen Beschäftigung des Beschwerdeführers ab zusätzlich ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zur Y-GmbH vorgelegen sei. Die Einholung der Lohnbescheinigungen habe ergeben, dass der Beschwerdeführer im Monat April bei der Y-GmbH EUR 100,11 und bei der X-KEG EUR 333,41 brutto verdient habe; die Summe dieser Einkünfte ergebe EUR 433,52, während die Geringfügigkeitsgrenze für 2011 EUR 374,02 betrage.

Auf Grund der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze durch Zusammenrechnung dieser Einkünfte im Kalendermonat April 2011 sei - so die belangte Behörde weiter - vom zuständigen Sozialversicherungsträger gesetzeskonform die Vollversicherungspflicht für den ganzen Kalendermonat April 2011 bestätigt worden. Die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit liege daher im Bezugszeitraum April 2011 im Sinne von § 12 AlVG nicht vor, weshalb die Zuerkennung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen gewesen sei. Indem der Beschwerdeführer die Aufnahme der Beschäftigung bei der Y-GmbH ab nicht unverzüglich gemeldet habe, habe er gegen die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 1 leg. cit. verstoßen und den Tatbestand der Verschweigung maßgeblicher Tatsachen im Sinne von § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung zur Verfügung, wer unter anderem arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder diese ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

..."

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu, wenn sie sich gegen die Auffassung der belangten Behörde richtet, wonach die Auskunft seitens des Sozialversicherungsträgers, dass auf Grund der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze durch Zusammenrechnung der Einkünfte aus beiden Beschäftigungsverhältnissen Vollversicherungspflicht für das gesamte Kalendermonat April 2011 vorliege, auch die Annahme des Ausschlusses der Arbeitslosigkeit im Zeitraum von 1. bis tragen würde:

Hat die Partei in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung widerrufen und zurückgefordert worden war, vorgebracht, in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen zu sein, muss sich die Berufungsbehörde mit diesem Vorbringen auseinandersetzen und prüfen, ob die Partei während dieses Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden (und daher im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a iVm Abs. 6 lit. a AlVG Arbeitslosigkeit ausschließenden) Entgeltanspruch gehabt hat. Sie ist von eigenen Ermittlungen nur dann enthoben, wenn das Bestehen eines die Vollversicherungspflicht und die Arbeitslosenversicherungspflicht für den genannten Zeitraum begründenden Beschäftigungsverhältnisses bescheidmäßig rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0054).

Im vorliegenden Fall wurde das Vorliegen eines bescheidmäßigen Abspruches über das Bestehen weder behauptet, noch ergibt sich solcher aus den vorgelegten Verwaltungsakten. Vielmehr steht außer Streit, dass der Beschwerdeführer bis zum in einem geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnis gestanden ist und erst ab dem zusätzlich ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber angetreten hat.

Für die Beurteilung eines Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist eine zeitraumbezogene Betrachtungsweise geboten: Der Umstand, dass der Sozialversicherungsträger den Beschwerdeführer mit Monatsanfang als vollversichert eintrug, vermag nichts an dem Umstand zu ändern, dass dieser bis zum in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stand und damit - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - als arbeitslos iSd § 12 Abs. 3 lit. a iVm Abs. 6 lit. a AlVG anzusehen ist. § 471h ASVG, wonach die Pflichtversicherung bei Zusammentreffen zweier oder mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse rückwirkend beginnen kann, ist auf das Zusammentreffen von geringfügiger Beschäftigung mit Vollversicherung nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0307).

Indem die belangte Behörde dies verkannte und zu Unrecht die gewährte Notstandshilfe im Zeitraum vom 1. bis widerrufen und die daraus bezogene Notstandshilfe rückgefordert hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am