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VwGH vom 11.12.2013, 2011/08/0188

VwGH vom 11.12.2013, 2011/08/0188

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des J L in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Führichgasse 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2010-0566-9-003288, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes an den Beschwerdeführer für den Zeitraum vom bis zum widerrufen und ihn zur Rückzahlung des ungerechtfertigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 780,97 verpflichtet.

Der Beschwerdeführer habe zuletzt am beim Arbeitsmarktservice W einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld gestellt, welches ihm gewährt wurde. Der Beschwerdeführer habe dabei verneint, in einer Beschäftigung zu stehen und ein eigenes Einkommen zu lukrieren.

Auf Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer im Juni 2010 in zwei unterschiedlichen jeweils geringfügig entlohnten freien Dienstverhältnissen beschäftigt gewesen sei, jedoch keine der beiden Tätigkeiten dem Arbeitsmarktservice gemeldet habe. Es schienen folgende Versicherungszeiten beim Hauptverband auf:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
bis
A
geringfügiges freies Dienstverhältnis
bis
P
vollversichertes Dienstverhältnis
bis
A
vollversichertes freies Dienstverhältnis
bis
I
geringfügiges freies Dienstverhältnis
bis
A
geringfügiges freies Dienstverhältnis

Nach Ansicht der belangten Behörde sei keinesfalls eine vorübergehende Beschäftigung gegeben. Es seien nämlich jeweils zwei unbefristete freie Dienstverträge abgeschlossen worden, die dann auch tatsächlich länger als vier Wochen ausgeübt worden seien. Laut den der Behörde übermittelten Lohnbescheinigungen habe der Beschwerdeführer im Juni 2010 bei A EUR 239,60 und bei I EUR 152,50 lukriert, was in Summe EUR 392,10 ausmache.

Daher sei durch Addition der Gehälter der beiden freien geringfügigen Dienstverhältnisse die für 2010 gültige Geringfügigkeitsgrenze von monatlich EUR 366,33 überschritten worden. Da der im Juni 2010 zusätzlich absolvierte Auftrag bei A bei der Wiener Gebietskrankenkasse unter demselben Dienstgeberkonto gelaufen sei und darüber hinaus für diese Tätigkeit kein eigener freier Dienstvertrag abgeschlossen worden sei, scheide "eine Differenzierung von Tätigkeitsbereichen schon vorweg aus".

Rechtlich erachtete die Behörde, dass der Beschwerdeführer durch das Verschweigen maßgebender Tatsachen eine Meldepflichtverletzung iSd § 50 Abs. 1 AlVG begangen habe. Folglich sei ein Rückforderungstatbestand gegeben. In Ermangelung der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit gemäß § 12 AlVG sei für den Zeitraum vom bis zum ein Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 auszusprechen und ein Betrag von EUR 780,97 für diesen Zeitraum rückzufordern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit - als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 7 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AlVG) - maßgebliche § 12 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."

Gemäß § 12 Abs. 3 AlVG gilt u.a. nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a). Gemäß § 12 Abs. 6 AlVG gilt jedoch u.a. als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt (lit. a). Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 ASVG gilt eine Beschäftigung als geringfügig, wenn sie für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als EUR 366,33 (im Jahr 2010) gebührt.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Nach § 25 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Diese Verpflichtung besteht selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0191, mwN).

2. Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 6. Mai bis beim Unternehmen I und von 2. Juni bis beim Dienstgeber A jeweils durchgehend geringfügig beschäftigt war (zum Ausschluss tageweiser Beschäftigung bei Vorliegen eines freien Dienstvertrags vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0123) und dabei im Monat Juni 2010 infolge Zusammenrechnung der beiden Einkommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0185) die Geringfügigkeitsgrenze überschritt, indem er insgesamt EUR 392,10 verdiente.

Zu dem im angefochtenen Bescheid erwähnten "zusätzlichen Auftrag" ergibt sich aus dem Verwaltungsakt weiters, dass der Beschwerdeführer am - ebenfalls für den Dienstgeber A - eine Tätigkeit im Rahmen einer Kundenbefragung in einem Supermarkt verrichtete und dafür EUR 80,-- lukrierte. In der von diesem Unternehmen ausgefüllten Lohnbestätigung wird dieser Betrag nicht eigens ausgeworfen, sondern bildet einen Bestandteil des für Juni 2010 ausbezahlten Lohnes.

3. § 21a AlVG lautet:

"§ 21a. (1) Das aus vorübergehender Erwerbstätigkeit erzielte Nettoeinkommen in einem Kalendermonat ist auf das an den verbleibenden Anspruchstagen gebührende Arbeitslosengeld in diesem Kalendermonat anzurechnen. Als vorübergehende Erwerbstätigkeit gelten Beschäftigungen, die für weniger als vier Wochen vereinbart wurden, und selbständige Erwerbstätigkeiten, die weniger als vier Wochen lang ausgeübt werden.

(2) Als Nettoeinkommen im Sinne des Abs. 1 gilt das auf der Lohnbestätigung bzw. auf der Honorarnote ausgewiesene Einkommen abzüglich der abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.

(3) Bei der Anwendung des Abs. 1 ist der tägliche Anrechnungsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass das Nettoeinkommen um den der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG entsprechenden Betrag zu vermindern und 90 vH des verbleibenden Betrages durch die Zahl der Tage im Kalendermonat zu teilen ist."

Vorübergehende Erwerbstätigkeiten führen daher einerseits dazu, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld an diesen Tagen - mangels Arbeitslosigkeit - nicht besteht (insoweit ist der Bezug von Arbeitslosengeld iSd § 46 Abs. 5 und 7 AlVG unterbrochen); anderseits ist das aus der vorübergehenden Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen gemäß § 21a Abs. 1 AlVG auf das an den verbleibenden Anspruchstagen gebührende Arbeitslosengeld in diesem Kalendermonat anzurechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0030).

Im vorliegenden Fall kann der von A zusätzlich erteilte Auftrag nichts daran ändern, dass ein durchlaufendes freies Dienstverhältnis zu A bestand und daher die Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 nicht vorliegen.

Da die Verdienste beider geringfügigen freien Dienstverhältnisse die monatliche Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 Z. 2 ASVG überschreiten, hat die belangte Behörde daher zu Recht den erstinstanzlichen Bescheidausspruch zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes gemäß § 25 AlVG wie auch dessen Widerruf gemäß § 24 Abs. 2 leg. cit. bestätigt.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am