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VwGH vom 18.06.2020, Ra 2020/07/0015

VwGH vom 18.06.2020, Ra 2020/07/0015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der E GmbH in O, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-1054/37/2017, betreffend ein Widerstreitverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Kärnten; mitbeteiligte Parteien: 1. F GmbH in W, vertreten durch Dr. Christina Hofmann, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Stockergasse 10, 2. K GmbH in V, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, und 3. K-Aktiengesellschaft in K, vertreten durch Mag. Stephan Bertuch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Die revisionswerbende Partei beantragte in den Jahren 2013 und 2014 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Wasserkraftwerke „F-O“ („E I“-Oberlieger) und „O-K“ („E II“-Unterlieger), die die motorische Kraft der M zwischen den genannten Orten nutzen und den ökologischen Zustand der M durch Reduktion der von bereits bestehenden Oberliegerkraftwerken ausgehenden Abflusserhöhungen und -verminderungen („Schwall/Sunk“) verbessern sollten.

2Den beiden Projekten der revisionswerbenden Partei stehen drei im Wesentlichen denselben Flussabschnitt der M betreffende und denselben Zweck verfolgende Wasserkraftwerksprojekte der mitbeteiligten Parteien gegenüber. Dabei handelt es sich um das im Jahr 2010 beantragte „Sbauwerk“ der erstmitbeteiligten Partei sowie die jeweils im Jahr 2015 beantragten Kraftwerke „A-K“ der zweitmitbeteiligten Partei und „K“ der drittmitbeteiligten Partei.

3Mit Schreiben vom stellte die belangte Behörde fest, dass die Bestimmungen über das Widerstreitverfahren zur Anwendung gelangten.

4Unter anderem zog die belangte Behörde diesem Verfahren den energiewirtschaftlichen Amtssachverständigen DI Dr. S. bei.

5Dieser gelangte in seinem Gutachten vom zu dem Ergebnis, bei den Projekten der revisionswerbenden Partei würde der nach dem Stand der Technik erforderliche Mindestanlagenwirkungsgrad von 70 % nicht erreicht. Demnach erfolge bei diesen beiden Wasserkraftanlagen auch die Wasserbenutzung nicht unter Beachtung des Standes der Technik. Aus energiewirtschaftlicher Sicht seien nur Kraftwerksprojekte, deren Anlagenwirkungsgrad dem Stand der Technik entsprächen, einer abschließenden Gesamtevaluierung zu unterziehen.

6Von den vorliegendenKraftwerksprojekten weise - bei Einhaltung der Wasserbenutzung nach dem Stand der Technik - das Projekt der drittmitbeteiligten Partei jeweils die höchsten Werte bei Gesamtanlagenwirkungsgrad (78 %), Spitzenleistung (14.970 kW) und Regelarbeitsvermögen (46,6 Gwh) auf. Folglich sei aus energiewirtschaftlicher Sicht dem Projekt der drittmitbeteiligten Partei der Vorzug zu geben.

7Mit Schriftsatz vom erhob die revisionswerbende Partei Säumnisbeschwerde, weil die belangte Behörde über die Bewilligungsanträge der revisionswerbenden Partei bzw. über den Vorzug der widerstreitenden Anträge nicht innerhalb der Entscheidungsfrist von sechs Monaten entschieden habe.

8Das nunmehr zuständige Verwaltungsgericht führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

9In dieser verwies DI Dr. S. auf sein Gutachten vom und legte abermals näher dar, weshalb seiner Ansicht nach die Projekte der revisionswerbenden Partei aufgrund ihres Gesamtanlagenwirkungsgrads nicht dem Stand der Technik entsprächen.

10Dazu brachte die Vertreterin der revisionswerbenden Partei vor, der Stand der Technik sei hier unter der besonderen Schwall- und Sunkthematik zu sehen. Abgesehen davon sei für die Vergleichbarkeit der Jahreswirkungsgrad heranzuziehen.

11Das Verwaltungsgericht erteilte den Parteien des Widerstreitverfahrens sodann den Auftrag, ihre Projektunterlagen dahingehend zu ergänzen, dass insbesondere Aussagen zur Auswirkung der Schwallreduktion auf die Gewässerstruktur der zukünftigen Restwasserstrecke der M getroffen würden. Zur Erfüllung dieses Verbesserungsauftrags setzte es den Parteien eine Frist bis zum .

12Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte die Vertreterin der revisionswerbenden Partei, zum Gutachten des energiewirtschaftlichen Amtssachverständigen DI Dr. S. werde noch eine Äußerung erstattet. Des Weiteren sei von Seiten der revisionswerbenden Partei mehrfach die technische Ausführbarkeit des Ausgleichsbeckens der drittmitbeteiligten Partei in Frage gestellt worden. Bis dato liege dazu noch keine fachliche Stellungnahme vor. Es werde beantragt, einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen damit zu beauftragen.

13Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan erwiderte darauf, es habe der drittmitbeteiligten Partei bereits mitgeteilt, dass das Ausgleichsbecken anders situiert sein sollte.

14Daran anschließend vertagte das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung.

15Bis zum legten die Parteien des Widerstreitsverfahrens Unterlagen, mit denen dem Verbesserungsauftrag entsprochen werden sollte, vor.

16Mit Schreiben jeweils vom 4. und übermittelte das Verwaltungsgericht diese Unterlagen einem gewässerökologischen sowie wasserwirtschaftlichen Amtssachverständigen. Dazu führte es aus, im gegenständliche Widerstreitverfahren hätten „fünf Projektwerber“ im selben Gewässerabschnitt der M um wasserrechtliche Bewilligung angesucht, wobei das Verfahren ergeben habe, dass nur mehr die Projekte der erst- und drittmitbeteiligten Parteien bewilligungsfähig seien. Es ersuchte die Amtssachverständigen, eine Vorprüfung hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit dieser beiden Projekte vorzunehmen und - im Falle deren Genehmigungsfähigkeit - eine Prüfung dahingehend durchzuführen, welchem dieser Projekte der Vorzug gebühre, und darüber ein Gutachten zu erstatten.

17Am langte das Gutachten des gewässerökologischen Amtssachverständigen vom beim Verwaltungsgericht ein. Darin gelangte der Sachverständige zusammengefasst zu dem Ergebnis, dem Projekt der drittmitbeteiligten Partei sei der Vorzug zu geben.

18Mit Schriftsatz vom legte die revisionswerbende Partei eine Stellungnahme des DI W. (G. ZT GmbH) vom zum Gutachten des DI Dr. S. vom vor. Darin wies sich DI W. als „Zivilingenieur für Kulturtechnik & Wasserwirtschaft“ sowie „Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger“ aus. Inhaltlich führte DI W. im Wesentlichen aus, der energiewirtschaftliche Amtssachverständige DI Dr. S. habe in seinem Gutachten die Grundsätze der Erstellung von Befund und Gutachten über weite Strecken missachtet. Zudem trat er aus näher dargelegten fachlichen Gründen der Einschätzung des DI Dr. S. entgegen, dass die Projekte der revisionswerbenden Partei nicht dem Stand der Technik entsprächen.

19Am langte schließlich das Gutachten des wasserwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom beim Verwaltungsgericht ein. Darin führte dieser zusammengefasst aus, die Projekte der erst- und drittmitbeteiligten Partei seien jeweils grundsätzlich bewilligungsfähig, jedoch seien die Projektunterlagen in einigen Punkten zu ergänzen. Aus der vom Sachverständigen vorgenommenen Beurteilungszusammenstellung gehe hervor, dass aus wasserfachlicher Sicht beide Projekte nahezu gleichwertig anzusehen seien und daher keinem der beiden Projekte der Vorzug zu geben wäre. Demnach müssten zu dieser Entscheidung die Gutachten der anderen berührten Fachbereiche, insbesondere die Gutachten der Fachbereiche Gewässerökologie und Naturschutz, herangezogen werden.

20Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom sprach das Verwaltungsgericht sodann aus, dem Vorhaben der drittmitbeteiligten Partei gebühre gegenüber den anderen eingereichten Vorhaben der Vorrang im Sinn der § 17 und 109 WRG 1959. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

21Zunächst stellte es den bisherigen Verfahrensgang samt wörtlicher Wiedergabe sämtlicher von der belangten Behörde und vom Verwaltungsgericht eingeholter Amtssachverständigengutachten dar.

22Zu den Projekten der revisionswerbenden Partei führte es beweiswürdigend aus, laut dem energiewirtschaftlichen Gutachten des DI Dr. S. vom entsprächen diese nicht dem Stand der Technik. Der Gutachter lege nachvollziehbar und schlüssig dar, dass der Verlust des Leistungswirkungsgrads bei beiden Projekten erheblich und daher der Stand der Technik nicht gegeben sei. Auch dieses Gutachten sei in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Wenn nunmehr die revisionswerbende Partei fast zweieinhalb Jahre nach Gutachtenerstattung bzw. eineinhalb Jahre nach der mündlichen Verhandlung eine „Gegendarstellung“ (gemeint: die Stellungnahme des DI W. vom ) einbringe, so erscheine dies „ausschließlich der Verfahrensverzögerung“ zu dienen. Noch dazu sei nicht erkennbar, dass dem Gutachten des Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene begegnet werde, weil der Fachbereich der Zivilingenieure „ein anderer“ sei.

23Die Einwände seien auch nicht nachvollziehbar, zumal der Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung sehr deutlich dargelegt habe, aus welchen Gründen und aufgrund welcher Gegebenheiten die Projekte der revisionswerbenden Partei nicht dem Stand der Technik entsprächen. Dass das Gutachten des Amtssachverständigen die Grundsätze zur Erstellung eines Gutachtens missachte, könne nicht nachvollzogen werden, zumal zu Beginn im Befund die Kenndaten der einzelnen Projekte dargelegt würden, dann Verlust und Wirkungsgrade erklärt würden, um dann im Gutachten die Verifizierung der einzelnen Projekte vorzunehmen. Der Gutachter begründe auch nachvollziehbar, weshalb er die von der revisionswerbenden Partei angegebenen Werte nicht habe übernehmen können.

24In der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, ob die beiden Projekte der revisionswerbenden Partei als „Alternativeinreichungen“ zu sehen seien (jedes einzeln oder beide gemeinsam), müsse hier nicht näher beurteilt werden, weil unabhängig davon beide Projekte als nicht dem Stand der Technik entsprechend beurteilt worden seien. Sie seien damit gar nicht bewilligungsfähig und schon aus diesem Grund als unzulässige Vorhaben nicht in den Widerstreit einzubeziehen. Der Beurteilung des Amtssachverständigen aus dem Bereich Energiewirtschaft sei klar zu entnehmen, dass bei diesen beiden Projekten keine möglichst vollständige wirtschaftliche Ausnutzung der in Anspruch genommenen Wasserkraft vorliege, weil der Gesamtanlagenwirkungsgrad bei beiden Projekten viel zu gering sei. Ergebe sich, dass ein Unternehmen zur Ausnutzung der motorischen Kraft eines öffentlichen Gewässers einer möglichst vollständigen wirtschaftlichen Ausnutzung der in Anspruch genommenen Wasserkraft nicht entspreche, so sei ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens im öffentlichen Interesse als unzulässig anzusehen (§ 105 Abs. 1 lit. i WRG 1959). Es komme daher ein Widerstreit in Bezug auf die Projekte der revisionswerbenden Partei nicht in Betracht; diese Projekte seien mangels Bewilligungsfähigkeit nicht widerstreittauglich.

25Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

26Dagegen erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 3602/2019-6, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag der revisionswerbenden Partei mit Beschluss vom , E 3602/2019-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

27In der nunmehr vorliegenden Revision wird beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.

28Die zweit- und die drittmitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragen.

29Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

30In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird unter anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung gegen die Projekte der revisionswerbenden Partei nur darauf gestützt, dass diese im Hinblick auf den Gesamtanlagenwirkungsgrad nicht dem Stand der Technik entsprächen. Die entscheidende Feststellung stütze sich einzig auf das Gutachten des Amtssachverständigen DI Dr. S. vom . Diesem sei die revisionswerbende Partei mit der Stellungnahme des DI W. vom entgegengetreten, die das Verwaltungsgericht allerdings ignoriert habe.

31Die beiden Rechtfertigungsversuche des Verwaltungsgerichts, wonach die Vorlage dieser Stellungnahme „ausschließlich der Verfahrensverzögerung“ diene und DI W. zur Erstattung der Stellungnahme fachlich nicht qualifiziert sei, würfen zudem weitere Rechtsfragen auf, weil es damit die - aus der näher zitierten hg. Rechtsprechung abgeleiteten - tragenden Verfahrensgrundsätze der amtswegigen Wahrheitsforschung sowie der Begründungspflicht verletzt habe.

32Die Revision erweist sich bereits aus diesem Grund als zulässig und berechtigt.

33Nach der hg. Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit alle notwendigen Beweise aufzunehmen und darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. ; , Ra 2015/08/0211, jeweils mwN).

34Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass den Projekten der revisionswerbenden Partei das öffentliche Interesse nach § 105 Abs. 1 lit. i WRG 1959 entgegenstehe, sich also im Widerstreitverfahren ergeben habe, dass diese Projekte zur Ausnutzung der motorischen Kraft der M einer möglichst vollständigen wirtschaftlichen Ausnutzung der in Anspruch genommenen Wasserkraft nicht entsprächen.

35Diese rechtliche Beurteilung stützt es auf die aus dem Gutachten des energiewirtschaftlichen Amtssachverständigen DI Dr. S. vom abgeleitete Feststellung, dass die Projekte der revisionswerbenden Partei aufgrund ihres Gesamtanlagenwirkungsgrads nicht dem Stand der Technik entsprächen.

36Die diesem Gutachten entgegentretende Stellungnahme des Zivilingenieurs DI W. vom erachtet das Verwaltungsgericht hingegen aus den in der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses angestellten Überlegungen als unbeachtlich.

37Nun wirft nach der ständigen hg. Rechtsprechung eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. etwa , mwN). Im vorliegenden Fall ist davon in Bezug auf das Übergehen der Stellungnahme des DI W. jedoch aus folgenden Gründen nicht auszugehen:

38Dazu ist zunächst voranzustellen, dass das Verwaltungsgericht selbst bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses den entscheidungswesentlichen Sachverhalt im gegenständliche Widerstreitverfahren als nicht vollständig geklärt ansah, erteilte es doch in der mündlichen Verhandlung vom sämtlichen Parteien des Widerstreitsverfahrens einen Verbesserungsauftrag in Bezug auf die Auswirkungen der Schwall- und Sunkregulierung auf die Restwasserstrecke der M. In der Folge sah sich das Verwaltungsgericht aufgrund der von den Parteien vorgelegten Unterlagen auch veranlasst, weitere Amtssachverständigengutachten aus den Bereichen Gewässerökologie und Wasserwirtschaft - die erst am bzw. bei ihm einlangten - einzuholen und diese der Feststellung des Sachverhaltes des angefochtenen Erkenntnisses zu Grunde zu legen.

39Bereits in Anbetracht des erteilten Verbesserungsauftrags kann der revisionswerbenden Partei kein Vorwurf einer Verfahrensverzögerung gemacht werden, wenn sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu erkennen gab, sich auch zum Gutachten des energiewirtschaftlichen Amtssachverständigen DI Dr. S. vom noch äußern zu wollen, und zudem die Einholung eines Gutachtens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen zur technischen Ausführbarkeit des Ausgleichsbeckens der drittmitbeteiligten Partei beantragte. Letztlich stand ihr jedenfalls aufgrund des Umstands, dass das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung vertagte, die Möglichkeit offen, bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die Stellungnahme zum Gutachten des DI Dr. S vorzulegen.

40Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, wonach die revisionswerbende Partei mit der Vorlage der Stellungnahme des Zivilingenieurs DI W. vom das Widerstreitverfahren zu verzögern beabsichtigte, erscheint daher nicht nachvollziehbar. Somit vermag die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die revisionswerbende Partei ziele mit der Einbringung dieser Stellungnahme „ausschließlich“ auf eine „Verfahrensverzögerung“ ab, das Übergehen derselben nicht zu begründen.

41Das Verwaltungsgericht legt auch nicht näher dar, weshalb es Zivilingenieur DI W. die fachliche Eignung zur Erstattung der Stellungnahme vom abspricht. Die bloße Behauptung, der Fachbereich der Zivilingenieure sei „ein anderer“, erweist sich als begründungslos, weil daraus nicht hervorgeht, welches Fachgebiet das Verwaltungsgericht zur Klärung der von ihm als relevant erachteten Tatsachenfrage, ob die Projekte der revisionswerbenden Partei dem Stand der Technik entsprächen, als einschlägig betrachtet.

42DI W. wies sich als „Zivilingenieur für Kulturtechnik & Wasserwirtschaft“ sowie „Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger“ aus. Der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses kann demgegenüber nicht entnommen werden, weshalb ein solcher Sachverständiger zur Klärung des Sachverhalts nichts beitragen könnte.

43Ist aber eine Partei durch Vorlage eines Privatgutachtens einem Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten, so ist es Aufgabe eines Verwaltungsgerichts, den in der Sache schon herangezogenen Amtssachverständigen aufzufordern, sein eigenes Gutachten zu ergänzen und sich dabei mit den Aussagen des Privatsachverständigen im Detail auseinander zu setzen und insbesondere auch dessen Grundlagen zu erörtern und gegebenenfalls darzulegen, warum die Annahme des Privatgutachters seiner Ansicht nach nicht zutreffen (vgl. ; , Ra 2017/11/0227; , Ra 2018/03/0130, jeweils mwN).

44Das Verwaltungsgericht hat sich aber demgegenüber über die von der revisionswerbenden Partei vorgelegte Stellungnahme des DI W. ohne Begründung hinweggesetzt.

45Im Übrigen wird im angefochtenen Erkenntnis mit keinem Wort auf den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Einholung eines wasserbautechnischen Amtssachverständigengutachtens zum Projekt der drittmitbeteiligten Partei eingegangen. Die Äußerung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans in der mündlichen Verhandlung, wonach er der drittmitbeteiligten Partei bereits mitgeteilt habe, dass das Ausgleichsbecken anders situiert sein sollte, sowie die Einschätzung des wasserwirtschaftlichen Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom , wonach (auch) die Projektunterlagen der drittmitbeteiligten Partei „in einigen Punkten“ zu ergänzen wären, deuten darauf hin, dass der Antrag der revisionswerbenden Partei für das gegenständliche Verfahren nicht von vornherein irrelevant wäre.

46Die revisionswerbende Partei legt in der Zulässigkeitsbegründung zudem die Relevanz des dargestellten Mangels für den Verfahrensausgang ausreichend dar (vgl. dazu etwa bis 0379, mwN). Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass bei Berücksichtigung der Stellungnahme des DI W. vom die Projekte der revisionswerbenden Partei nicht doch als bewilligungsfähig anzusehen und damit der Interessenabwägung nach § 17 WRG 1959 zu Grunde zu legen wären.

47Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

48Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

49Für das fortgesetzte Verfahren ist das Verwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Rechtsprechung bei der Wertentscheidung nach § 17 Abs. 1 WRG 1959 im Falle widerstreitender Kraftwerksprojekte weder allein noch primär auf das Ausmaß der Energiegewinnung ankommt (vgl. ; , 98/07/0194).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070015.L00
Schlagworte:
Allgemein Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung hinsichtlich einander widersprechender Beweisergebnisse Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Beweiswürdigung der Behörde

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