VwGH vom 19.03.2010, 2009/02/0317
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des F W in R, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2007/14/2123-2, betreffend Übertretung des FSG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr am an einem näher genannten Ort gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse oder Unterklasse, in die das Kraftfahrzeug falle, gewesen sei, weil ihm diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom entzogen worden sei.
Er habe dadurch § 37 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 FSG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 37 Abs. 4 Z. 1 FSG eine Geldstrafe von EUR 1.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 240 Stunden) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom , B 549/08, ablehnte und sie an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.
In der ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die belangte Behörde legte die Akten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet unter Hinweis auf frühere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein, der Mangel der Einvernahme eines Beschuldigten nach § 40 Abs. 1 VStG durch die Behörde erster Instanz belaste das Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit. Dieser Verfahrensmangel könne durch die Möglichkeit einer Rechtfertigung vor der Berufungsbehörde nicht saniert werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Verletzung des Parteiengehörs in einem Verwaltungsstrafverfahren durch die Behörde erster Instanz im Zuge des Berufungsverfahrens dann saniert wird, wenn der im Verwaltungsstrafverfahren Beschuldigte durch die ihm hiezu von der Behörde zweiter Instanz gebotene Gelegenheit in seinem Recht auf Rechtfertigung nach Lage der Sache und in Ansehung der Entscheidung der Behörde nicht ungünstiger gestellt wird, als dies bei einem vor der Behörde erster Instanz gewährten Parteiengehör der Fall gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0353, m.w.N.). Da der Beschwerdeführer sowohl in der Berufung als auch in der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung die Möglichkeit hatte, seine Rechtfertigung vorzubringen, ist der der Behörde erster Instanz unterlaufene Verfahrensmangel saniert (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom ).
Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, der Mandatsbescheid vom , mit dem ihm ursprünglich die Lenkberechtigung entzogen worden sei, könne mangels Durchführung eines Ermittlungsverfahrens keine Entziehungsfrist enthalten. Dies ergebe sich eindeutig aus § 25 Abs. 1 FSG, wonach der Zeitraum der Entziehung aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen sei. Trotz der in der EMRK normierten Unschuldsvermutung sei im Führerscheinentzugsverfahren a priori davon ausgegangen worden, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe. Zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei noch kein rechtskräftiger Führerscheinentzugsbescheid vorgelegen.
Die Einwendungen betreffend den Mandatsbescheid vom im Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung gehen schon deshalb ins Leere, weil es im Beschwerdefall um ein anderes Verfahren, nämlich die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung des FSG geht. Überdies stellte die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Aktenlage fest, der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde nicht bestritten, dass ihm der Führerschein (gemeint wohl: die Lenkberechtigung) durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zunächst auf die Dauer von 7 Monaten und dann später (im Zuge des weiteren Verwaltungsverfahrens) auf die Dauer von 16 Monaten entzogen worden sei. Es liegen auch keine Anhaltpunkte dafür vor, dass die Entziehung der Lenkberechtigung zum Tatzeitpunkt aufgrund des Mandatsbescheides vom nicht rechtswirksam gewesen wäre. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.
Schließlich wird vom Beschwerdeführer eingewendet, er habe anlässlich der Berufungsverhandlung glaubhaft ausgeführt, dass er mit seinem Kfz habe fahren müssen, um sich in der Apotheke in K. Bluthochdrucktabletten zu kaufen. Er brauche diese Tabletten regelmäßig. Es habe bei der Fahrt mit dem Kfz eindeutig eine Notsituation bestanden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II, 2. Auflage, S. 124, unter E 9 zu § 6 VStG wiedergegebene Judikatur).
Zum Wesen des Notstandes gehört es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0331).
Mit seinem Vorbringen zeigte der Beschwerdeführer nicht auf, dass eine unmittelbare Gefahr für sein Leben bestanden habe, noch legte er näher dar, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung (hier: durch Übertretung des FSG) zu beheben gewesen wäre. Es liegt daher auch kein Notstand im Sinne der vorzitierten hg. Judikatur vor.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am