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VwGH vom 14.05.2021, Ra 2020/05/0059

VwGH vom 14.05.2021, Ra 2020/05/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der Oberösterreichischen Landesregierung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-152544/3/DM, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag nach dem Oö. Bautechnikgesetz 2013 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde S; mitbeteiligte Partei: D S in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Bescheid vom untersagte der Bürgermeister der Marktgemeinde S gemäß § 22 Abs. 1 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994) iVm § 24f und § 26 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) iVm § 45 Abs. 2 und 3 Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013) die Nutztierhaltung (Hühner) auf einem näher bezeichneten Grundstück des Mitbeteiligten. Sämtliche Nutztiere seien bis spätestens zwei Monate nach Rechtskraft dieses Bescheides zu entfernen.

2Begründend wurde ausgeführt, die Liegenschaft sei als Bauland „Wohngebiet“ gewidmet. Sie dürfe daher nur in einer Art und Weise benützt werden, die dieser Wohngebietswidmung entspreche. Im Wohngebiet sei die Haltung von Tieren jedenfalls dann zulässig, wenn sie sich auf Tierarten beziehe, die üblicherweise als Haustiere eingestuft würden (z.B. Hunde, Katzen). Die Haltung von Hühnern, die als landwirtschaftliche Nutztiere zu betrachten seien, gehe über den Rahmen der üblichen Haustierhaltung im Wohngebiet hinaus und sei daher in der Wohngebietswidmung nicht zulässig.

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde statt und behob den Bescheid. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die belangte Behörde sei fälschlicherweise von einer Wohngebietswidmung ausgegangen. Tatsächlich weise das Grundstück jedoch die Widmung „M-gemischtes Baugebiet“ auf, die in Bezug auf die Haltung von Hühnern keine Widmungswidrigkeit zu begründen vermöge.

5Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Oberösterreichischen Landesregierung. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6In der Amtsrevision wird zur Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der - gemäß § 22 Abs. 5 Z 3 Oö. ROG 1994 auch für die Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“ relevanten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Widmungskonformität von Tierhaltung (Hinweis auf ; , 2013/05/0056; , 2002/05/1109; , 2000/05/0279; , 91/05/0150) abgewichen. Bereits diesbezüglich erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

7§ 45 Abs. 2 und 3 Oö. BauTG 2013, LGBl. Nr. 35, lauten inklusive Überschrift:

„§ 45

Grünflächen, Erholungsflächen, Freiflächen

[...]

(2) Die unbebaut bleibenden Flächen des Bauplatzes oder des bebauten Grundstücks im Bauland dürfen nur einer der Art und der zulässigen Verwendung der baulichen Anlage entsprechenden Benützung zugeführt werden. Sie sind so zu gestalten und zu benützen, dass keine Störung des Orts- und Landschaftsbilds, keine Verunstaltung und keine schädlichen Umwelteinwirkungen eintreten; dies gilt sinngemäß für unbebaute Grundstücke im Bauland.

(3) Stellt die Baubehörde fest, dass die unbebaut bleibenden Flächen des Bauplatzes oder des bebauten Grundstücks oder unbebaute Grundstücke im Bauland in einer den Bestimmungen des Abs. 2 widersprechenden Weise benützt werden, so hat sie der Eigentümerin oder dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustands innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen.“

8Die relevanten Bestimmungen des Oö. ROG 1994, LGBl. Nr. 114/1993 idF LGBl. Nr. 69/2015, lauten auszugsweise:

„§ 21

Bauland

[...]

(2) Soweit erforderlich und zweckmäßig, sind im Bauland gesondert zu widmen:

1.Wohngebiete (§ 22 Abs. 1);

[...]

5.gemischte Baugebiete (§ 22 Abs. 5);

[...]

(3) Zur Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen und zur Erreichung eines möglichst wirksamen Umweltschutzes kann die Landesregierung durch Verordnung festlegen,

1.welche bestimmte Arten von Betrieben (Betriebstypen) in den Widmungskategorien gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 errichtet werden dürfen und

2.welche Abstände dabei von den Widmungsgrenzen einzuhalten sind. Die Beurteilung der Betriebstype hat auf Grund der Art der herkömmlicherweise und nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen und der Art und des Ausmaßes der von solchen Betrieben üblicherweise verursachten Emissionen zu erfolgen.

[...]

(5) Nicht im Bauland errichtet werden dürfen

1.Betriebe, die dazu dienen, landwirtschaftliche Nutztiere, wie Schweine oder Geflügel, bodenunabhängig (nicht zum überwiegenden Teil auf eigener Futtergrundlage aufbauend) zu halten,

[...]

§ 22

Widmungen im Bauland

(1) Als Wohngebiete sind solche Flächen vorzusehen, die für Wohngebäude bestimmt sind, die einem dauernden Wohnbedarf dienen; andere Bauwerke und sonstige Anlagen dürfen in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewohnerinnen bzw. Bewohner dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Bewohnerinnen bzw. Bewohner mit sich bringt; unter den letztgenannten Voraussetzungen sind Räumlichkeiten für Büros, Kanzleien und personenbezogene Dienstleistungen in Wohngebieten darüber hinaus zulässig, soweit die einzelnen Bauwerke nicht überwiegend für solche Zwecke benützt werden und damit keine erheblichen Belästigungen durch zusätzlichen Straßenverkehr für die Bewohnerinnen bzw. Bewohner verbunden sind; Einrichtungen, die auf Grund ihrer Betriebstype überwiegend während der Nachtstunden betrieben werden, sind unzulässig. Die Privatzimmervermietung im Sinn des § 1 Z 6 Oö. Tourismus-Gesetz 1990 ist zulässig. Flächen für Wohngebiete können auch als reine Wohngebiete vorgesehen werden; in diesen Wohngebieten dürfen neben Wohngebäuden nur solche in Wohngebieten zulässige Bauwerke und sonstige Anlagen errichtet werden, die dazu dienen, den täglichen Bedarf der Bewohnerinnen bzw. Bewohner zu decken. Weiters können Flächen für förderbare mehrgeschoßige (mindestens drei Geschoße über dem Erdboden) Wohnbauten oder Gebäude in verdichteter Flachbauweise (§ 2 Z 29 Oö. Bautechnikgesetz 2013) vorgesehen werden; in diesen Wohngebieten dürfen nur förderbare mehrgeschoßige Wohnbauten oder Gebäude in verdichteter Flachbauweise sowie Bauwerke und sonstige Anlagen errichtet werden, die dazu dienen, den täglichen Bedarf der Bewohnerinnen bzw. Bewohner zu decken.

[...]

(5) Als gemischte Baugebiete sind solche Flächen vorzusehen, die vorrangig dazu dienen,

1.Klein- und Mittelbetriebe aufzunehmen, die auf Grund ihrer Betriebstype die Umgebung nicht wesentlich stören;

2.Lagerplätze zu errichten, die nicht wesentlich stören;

3.sonstige Bauwerke und Anlagen, die in Wohngebieten (Abs. 1) errichtet werden dürfen, sowie Büro- und Verwaltungsgebäude aufzunehmen.

Zur funktionalen Gliederung kann in gemischten Baugebieten die Zulässigkeit von Bauwerken und Anlagen, die in Wohngebieten errichtet werden dürfen, eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. In einem solchen Fall dürfen, sofern nicht ausdrücklich in der Widmung ausgeschlossen, auch die zugeordneten Betriebswohnungen errichtet werden.

[...]“

9Die Revision wendet sich gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die Widmung „M-gemischtes Baugebiet“ vermöge in Bezug auf die Haltung von Hühnern keine Widmungswidrigkeit zu begründen. Unter Wiedergabe der hg. Judikatur zur Tierhaltung in der Widmungskategorie „Wohngebiet“ wird darauf verwiesen, dass gemäß § 22 Abs. 5 Z 3 Oö. ROG 1994 als gemischte Baugebiete solche Flächen vorzusehen seien, die vorrangig dazu dienten, sonstige Bauwerke und Anlagen, die „in Wohngebieten (Abs. 1)“ errichtet werden dürfen, sowie Büro- und Verwaltungsgebäude aufzunehmen. Dadurch, dass § 22 Abs. 5 Z 3 Oö. ROG 1994 ausdrücklich auf Abs. 1 leg. cit. (und damit auf die Wohngebietswidmung) verweise, seien die für Wohngebiete geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen auch für sonstige Bauwerke und Anlagen im Sinn des § 22 Abs. 5 Z 3 leg. cit. in der Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“ zu beachten. Da das Verwaltungsgericht die genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Tierhaltung im Wohngebiet nicht beachtet habe bzw. von dieser abgewichen sei, habe es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

10Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht war die Aufforderung an den Mitbeteiligten zur Unterlassung der Nutztierhaltung (Hühner) auf dem gegenständlichen Grundstück sowie die Erteilung eines Auftrages zur Entfernung sämtlicher Nutztiere. Das Verwaltungsgericht war daher verpflichtet, die Rechtmäßigkeit des im Spruch des Bescheides erteilten Auftrages zu überprüfen. Dabei war es nicht auf die Überprüfung der Übereinstimmung mit der Widmungskategorie „Wohngebiet“ beschränkt.

11Das Verwaltungsgericht hat ohne nähere Begründung angenommen, dass Hühnerhaltung mit der Widmung „gemischtes Baugebiet“ nicht unvereinbar sei und allein aufgrund dessen den bekämpften Bescheid aufgehoben. Dabei lässt das Verwaltungsgericht die gesetzlichen Anforderungen an die Widmungskategorie „gemischtes Baugebiet“, anhand derer die Widmungskonformität einer bestimmten Nutzung zu messen ist, ungeprüft.

12Gemäß § 21 Abs. 5 Z 1 Oö. ROG 1994 dürfen im Bauland Betriebe nicht errichtet werden, die dazu dienen, landwirtschaftliche Nutztiere, wie Schweine oder Geflügel, bodenunabhängig (nicht zum überwiegenden Teil auf eigener Futtergrundlage aufbauend) zu halten. Das angefochtene Erkenntnis enthält weder Feststellungen, die auf das Vorliegen eines solchen Betriebes hindeuten, noch solche, die das Vorliegen eines solchen Betriebes jedenfalls ausschließen. Bereits diesbezüglich greift die - nicht weiter ausgeführte - Begründung des Verwaltungsgerichtes, die Widmung „M-gemischtes Baugebiet“ vermöge in Bezug auf die Haltung von Hühnern keine Widmungswidrigkeit zu begründen, zu kurz. Das Verwaltungsgericht hätte sich vielmehr mit dem (Nicht)Vorliegen eines Betriebes nach § 21 Abs. 5 Z 1 Oö. ROG 1994 auseinandersetzen müssen. Läge nämlich ein solcher vor, wäre er im Bauland unzulässig.

13Darüber hinaus normiert § 22 Abs. 5 Oö. ROG 1994, welche Flächen als gemischte Baugebiete vorzusehen sind.

14Die Revisionswerberin führt zu Z 3 leg. cit. zutreffend aus, dass aufgrund des Verweises auf in Wohngebieten zulässige Bauwerke und Anlagen auch die diesbezüglich zu Wohngebieten ergangene hg. Judikatur übertragbar ist.

15In seinem Beschluss vom , Ra 2018/05/0056, betonte der Verwaltungsgerichtshof nach Darstellung einschlägiger Vorjudikatur, dass für die Beantwortung der Frage, ob bestimmte Tiere auf einer Liegenschaft mit der Widmung „Wohngebiet“ gehalten und ob darauf bauliche Anlagen zum Zweck der Haltung solcher Tiere errichtet werden dürfen, von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist, ob solche Tiere typischerweise in einem Haushalt im Wohngebiet gehalten werden, also eine übliche Tierhaltung im Haushalt vorliegt. Dementsprechend wurde die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, dass Hühner nicht typischerweise im Haushalt gehalten und demnach bauliche Anlagen zur Haltung von Hühnern von der Wohnbevölkerung nicht üblicherweise errichtet werden würden, sodass die Haltung von drei Haushühnern und die Errichtung eines Hühnerstalls mit der Widmung „Wohngebiet“ unvereinbar sei, nicht als rechtswidrig erkannt.

16Unter Rückgriff auf diese zur Widmung „Wohngebiet“ ergangene, bei Prüfung der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Z 3 Oö. ROG 1994 zu beachtende Judikatur hätte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass Hühnerhaltung jedenfalls nach dieser Bestimmung nicht widmungskonform erfolgen kann. Mit der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht auseinandergesetzt.

17Aber auch mit den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Z 1 und 2 Oö. ROG 1994 hat sich das Verwaltungsgericht nicht beschäftigt, wobei mangels Feststellung des relevanten Sachverhaltes insbesondere nicht beurteilt werden kann, ob ein „Klein- oder Mittelbetrieb“ zur Hühnerhaltung vorliegen könnte.

18Die Begründung der Aufhebung des baupolizeilichen Auftrages durch das Verwaltungsgericht, die Widmung „M-gemischtes Baugebiet“ vermöge in Bezug auf die Haltung von Hühnern keine Widmungswidrigkeit zu begründen, greift aus den dargestellten Gründen zu kurz. Das Verwaltungsgericht hätte sich vielmehr mit den Tatbeständen des § 21 Abs. 5 Oö. ROG 1994 und des § 22 Abs. 5 leg. cit. auseinandersetzen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen durchführen und darauf aufbauend Feststellungen treffen müssen. Erst solche Feststellungen ermöglichen die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des baupolizeilichen Auftrages.

19Wegen des Fehlens der für die rechtliche Beurteilung notwendigen Sachverhaltsfeststellungen liegt ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. ).

20Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050059.L00

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