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VwGH 18.12.2009, 2009/02/0307

VwGH 18.12.2009, 2009/02/0307

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
StVO 1960 §29b Abs1;
StVO 1960 §29b Abs2;
StVO 1960 §29b Abs4;
RS 1
Zweck der Regelungen des § 29b Abs 1, 2 und 4 StVO ist es, bestimmten behinderten Personen die nähere Anfahrt zu ihrem Ziel zu ermöglichen, als dies allgemein rechtlich zulässig wäre. Die Art der Behinderung - die dauernde starke Gehbehinderung - ist von diesem Regelungszweck her zu verstehen. Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises iSd § 29b Abs 4 StVO haben demnach Personen, denen es aus Gründen ihrer Gebehinderung unmöglich oder unzumutbar ist, eine Strecke zurückzulegen, wie sie der gewöhnlichen Entfernung von einem (erlaubten) Abstellplatz für das Kraftfahrzeug bis zu einem unter gewöhnlichen Bedingungen erreichbaren Ziel entspricht. Als dauernde starke Gehbehinderung iSd zitierten Gesetzesstelle kommt daher von vornherein nur eine solche Behinderung in Betracht, die das Zurücklegen eines Weges wegen seiner Länge erschwert (Hinweis E , 88/02/0207; hier: eine Person, die wegen Blindheit beim Gehen auf eine Begleitperson angewiesen ist, ist offenbar auch in der Lage, größere Wegstrecken zurückzulegen).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 93/02/0134 E RS 2 (hier nur die ersten beiden Sätze)
Normen
StVO 1960 §23 Abs2;
StVO 1960 §23 Abs3a;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
RS 2
Unter dem Begriff des "Aus- oder Einsteigenlassens" kann bei Auslegung der (jedenfalls vom § 23 Abs. 2 StVO 1960 abweichenden) Ausnahmebestimmung des § 24 Abs 1 lit a StVO nicht auch das darüberhinausgehende Aufsuchen eines (späteren) Fahrgastes in einem Gebäude verstanden werden, weil nicht nur der Wortlaut, sondern im Hinblick darauf, daß damit naturgemäß eine erhebliche Verzögerung des Aufenthaltes des Taxis an dem betreffenden Abstellort verbunden ist, auch der Zweck der Regelung dagegen spricht (Hinweis: E , 90/02/0150). Nichts anderes gilt aber für die bloß abstrakte (wenngleich auch allenfalls sehr wahrscheinliche) Möglichkeit, Besucher einer Großveranstaltung würden in relativ kurzer Zeit die Dienste des Taxilenkers in Anspruch nehmen wollen. In dieser abstrakten Möglichkeit liegt kein zulässiges kurzes Anhalten "zum Aus- oder Einsteigenlassen" im Sinne des § 23 Abs. 3a StVO.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2001/02/0102 E RS 2 (hier nur der erste Satz)
Normen
StVO 1960 §24 Abs1;
StVO 1960 §24 Abs2a;
RS 3
Das Warten auf einen Fahrgast mit einem im Halteverbot stehenden Fahrzeug (Taxifahrzeug) ist nicht dem raschen Ein- oder Aussteigenlassen eines Fahrgastes gleichzusetzen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/03/0007 E RS 2 (Hier mit dem Zusatz: Das Warten auf einen Fahrgast ist nicht von der Ausnahme vom Halteverbot zum Zweck des raschen Ein- oder raschen Aussteigens erfasst.)
Normen
StVO 1960 §29b Abs2;
VwRallg;
RS 4
Bereits durch den Wortlaut der Bestimmung des § 29b Abs. 2 StVO 1960 wird ihr Regelungszweck insofern eingengt, als sowohl das Aus- oder Einsteigen als auch im Fall des - zusätzlichen - Aus- oder Einladens nötiger Behelfe der Haltezeitraum auf "die Dauer dieser Tätigkeiten" eingeschränkt ist. Dieser Text lässt keinen Spielraum dahin, dass noch weitere "Tätigkeiten", etwa die Begleitung zu einem "Zielort", davon umfasst wären.
Normen
StVO 1960 §29b Abs2;
StVO 1960 §29b Abs3;
RS 5
Bei einem reinen Aussteigen ohne weitere "Tätigkeiten" steht gemäß § 29b Abs. 2 StVO 1960 ausschließlich der dafür benötigte Zeitraum zur Verfügung. Das Abstellen des Fahrzeuges zu einer nicht vom Gesetz vorgesehen Tätigkeit für einen Zeitraum von sieben Minuten findet daher in der Ausnahmeregelung des § 29b Abs. 2 StVO 1960 keine Deckung. Für ein über dieses Halten hinaus gehendes Abstellen des Fahrzeuges - etwa zu ihrer Begleitung - stehen Personen mit Behindertenausweis Behindertenparkplätze oder Parkverbote (vgl. § 29b Abs. 3 StVO 1960) zur Verfügung, in denen sie nicht nur zum "Aus- oder Einsteigen" halten dürfen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des H K in S, vertreten durch Mag. Elisabeth Müller-Ozlberger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Trappelgasse 4/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 03/M/36/3963/2009-3, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer hat am in 1060 Wien, Mariahilferstraße 57-59, als Lenker einen Personenkraftwagen im Bereich des Vorschriftzeichens "Halten und Parken verboten" mit der Zusatztafel "Montag bis Freitag (werktags), von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr, ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen sowie ausgenommen Fahrzeuge zum Aus- und Einsteigen" abgestellt und hat seine behinderte Tochter (sie leidet an Epilepsie) zu einem nahe gelegenen Kaffeehaus begleitet. Hinter der Windschutzscheibe des Fahrzeuges war ein Behindertenausweis gemäß § 29b Abs. 1 StVO angebracht. Nach etwa sieben Minuten ist der Beschwerdeführer alleine zum Fahrzeug zurückgekehrt.

Die wesentliche Rechtsfrage im Beschwerdefall stellt sich dahin, ob § 29b Abs. 2 StVO neben dem Aus- oder Einsteigen einschließlich des Aus- oder Einladens der für den Ausweisinhaber nötigen Behelfe (wie etwa ein Rollstuhl) auch das Entfernen vom Fahrzeug erlaube.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 29b StVO lautet in den hier interessierenden Passagen:

"(1) Die Behörde hat Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen. Inhalt und Form des Ausweises hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie durch Verordnung zu bestimmen. Bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung ist der Ausweis vom Inhaber der ausstellenden Behörde unverzüglich abzuliefern; kommt der Inhaber dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Behörde den Ausweis zu entziehen.

(2) Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 dürfen

a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen 'Halten und Parken verboten' ein Halte- und Parkverbot kundgemacht ist,

b) entgegen der Vorschrift des § 23 Abs. 2 über das Abstellen eines Fahrzeuges am Rand der Fahrbahn mit dem von ihnen selbst gelenkten Fahrzeug oder mit einem Fahrzeug, das sie als Mitfahrer benützen, zum Aus- oder Einsteigen einschließlich des Aus- oder Einladens der für den Ausweisinhaber nötigen Behelfe (wie etwa ein Rollstuhl u. dgl.) für die Dauer dieser Tätigkeiten halten.

(3) Ferner dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 befördern,

a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen 'Parken verboten' ein Parkverbot kundgemacht ist,

b)

in einer Kurzparkzone ohne zeitliche Beschränkung,

c)

auf Straßen, für die ein Parkverbot, das gemäß § 44 Abs. 4 kundzumachen ist, erlassen worden ist, und

d) in einer Fußgängerzone während der Zeit, in der eine Ladetätigkeit vorgenommen werden darf, parken."

Das Vorbringen des Beschwerdeführers geht im Wesentlichen dahin, dass die Bestimmung des § 29b Abs. 2 StVO weit auszulegen sei, um auch auf Behinderte anwendbar zu sein, die sich nicht alleine vom Fahrzeug weg bewegen können.

Zweck der Regelungen des § 29b Abs. 1, 2 und 4 StVO ist es, bestimmten behinderten Personen die nähere Anfahrt zu ihrem Ziel zu ermöglichen, als dies allgemein rechtlich zulässig wäre. Die Art der Behinderung - die dauernde starke Gehbehinderung - ist von diesem Regelungszweck her zu verstehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0295).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 23 Abs. 3a StVO, wonach unter anderem Taxis in "zweiter Spur" zum Aus- oder Einsteigenlassen kurz angehalten werden dürfen ausgeführt, dass diese Erlaubnis nur für die zum Ein- und Aussteigenlassen der Fahrgäste unbedingt notwendige Dauer besteht und unter dem Begriff des "Aus- oder Einsteigenlassens" nicht auch das darüber hinausgehende Aufsuchen eines (späteren) Fahrgastes in einem Gebäude verstanden werden kann, weil nicht nur der Wortlaut, sondern im Hinblick darauf, dass damit naturgemäß eine erhebliche Verzögerung des Aufenthaltes des Taxis an dem betreffenden Abstellort verbunden ist, auch der Zweck der Regelung dagegen spricht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0102, mwH).

Bei Vorliegen einer Ausnahme vom Halteverbot zum Zweck des raschen Ein- oder raschen Aussteigens (vgl. etwa § 24 Abs. 2a StVO) heißt es in der Rechtsprechung zum Begriff des kurzen Haltens zum Aus- oder Einsteigen - wieder den Fall eines Taxis betreffend -, dass "das Warten auf einen Fahrgast mit einem im Halteverbot stehenden Fahrzeug nicht mit dem raschen Ein- oder Aussteigenlassen eines Fahrgastes gleichzusetzen ist, von einer solchen Ausnahme demnach das Warten auf einen Fahrgast nicht erfasst gewesen wäre" (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/03/0007).

Im Beschwerdefall wird bereits durch den Wortlaut der Bestimmung des § 29b Abs. 2 StVO ihr Regelungszweck insofern eingengt, als sowohl das Aus- oder Einsteigen als auch im Fall des - zusätzlichen - Aus- oder Einladens nötiger Behelfe der Haltezeitraum auf "die Dauer dieser Tätigkeiten" eingeschränkt ist. Dieser Text lässt keinen Spielraum dahin, dass noch weitere "Tätigkeiten", etwa die Begleitung zu einem "Zielort", davon umfasst wären.

Im vorliegenden Fall bedurfte es keines Aus- und Einladens nötiger Behelfe. Bei einem reinen Aussteigen ohne weitere "Tätigkeiten" steht gemäß § 29b Abs. 2 StVO nach dem Gesagten ausschließlich der dafür benötigte Zeitraum zur Verfügung. Das Abstellen des Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer zu einer nicht vom Gesetz vorgesehen Tätigkeit für einen Zeitraum von sieben Minuten findet daher in der Ausnahmeregelung des § 29b Abs. 2 StVO keine Deckung. Für ein über dieses Halten hinaus gehendes Abstellen des Fahrzeuges - etwa zu ihrer Begleitung - stehen Personen mit Behindertenausweis Behindertenparkplätze oder Parkverbote (vgl. § 29b Abs. 3 StVO) zur Verfügung, in denen sie nicht nur zum "Aus- oder Einsteigen" halten dürfen.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
StVO 1960 §23 Abs2;
StVO 1960 §23 Abs3a;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §24 Abs1;
StVO 1960 §24 Abs2a;
StVO 1960 §29b Abs1;
StVO 1960 §29b Abs2;
StVO 1960 §29b Abs3;
StVO 1960 §29b Abs4;
VwRallg;
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut
des Gesetzes VwRallg3/2/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2009020307.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAE-86425