VwGH vom 17.11.2008, 2006/17/0116
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der M GmbH in G, vertreten durch Scheerbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Einspinnergasse 3, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A8-K-123/2005-1, betreffend Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Aus der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten Beschwerdeergänzung und der vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid vom des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz wurde der beschwerdeführenden Partei die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung von zwei Kleinhäusern mit je zwei Wohneinheiten als Zubau zu einem bestehenden Gebäude (Block 1) und von sieben Kleinhäusern mit je zwei Wohneinheiten (Block 2) auf einem Grundstück in der Landeshauptstadt Graz bewilligt. Die ersten Obergeschoße reichen jeweils über das darunter liegende Erdgeschoß hinaus und ruhen an zwei Punkte auf Betonsäulen mit einer Grundfläche von 30 cm x 100 cm.
1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom wurde der beschwerdeführenden Partei für den Anschluss der Liegenschaft ein Kanalisationsbeitrag in Höhe von EUR 94.150,98 vorgeschrieben.
1.3. Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung, in der sie sich insbesondere gegen die Berechnung der verbauten Fläche im Sinne des Stmk. Kanalabgabengesetzes 1955 wandte. Es sei nicht (nur) die Fläche des Erdgeschoßes herangezogen worden, sondern auch die Fläche des ersten Obergeschoßes, wodurch es zur Anrechnung von "Luftgeschoßen" komme.
1.4. Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung stellte die beschwerdeführenden Partei einen Vorlageantrag.
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und die Abgabenvorschreibung auf EUR 94.160,77 abgeändert. Begründend führte die belangte Behörde unter eingehender Zitierung der hg. Rechtsprechung insbesondere aus, dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bei der Vervielfachung des Einheitssatzes zur Berechnung des Kanalisationsbeitrages lediglich auf die verbaute Grundfläche einerseits und die Geschoßanzahl andererseits Bedacht zu nehmen sei. Die Fläche der einzelnen Geschoße spiele keine Rolle. Unter der "verbauten Grundfläche" im Sinne des Gesetzes sei nach der hg. Rechtsprechung der Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der von einem über die Erdoberfläche hinausragenden Gebäude bedeckt werde. Zumindest in Fällen, in denen - wie im Beschwerdefall - die Fläche des Erdgeschoßes überragende Teile der höheren Geschoßebenen "auf tragenden Bauteilen (z.B. Säulen, Wänden) ruhen", sei die verbaute Fläche durch Projektion dieser das Erdgeschoß überragenden Bauteile auf die Erdoberfläche zu bestimmen. Es sei dabei jedoch die "Projektion ... bis maximal nur zur äußersten Begrenzung des jeweils tragenden Bauteils" vorzunehmen. Hingewiesen wird zudem auf die hg. Rechtsprechung zur Niederösterreichischen Bauordnung, nach der die bebaute Fläche und der Grundriss des Erdgeschoßes nicht gleich groß sein müssten. Ferner werde das Auslegungsergebnis der belangten Behörde auch durch die mit der Novelle LGBl. Nr. 81/2005 erfolgte Neuregelung der Berechnung des Kanalisationsbeitrages bestätigt, in welcher der Landesgesetzgeber nunmehr bewusst auf die Bruttogeschoßflächen des Gebäudes abstelle.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführenden Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 752/06, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht. Die beschwerdeführenden Partei wendet sich gegen die von der belangte Behörde vorgenommene Auslegung, weil diese "zu gänzlich unbilligen Ergebnissen" führe.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die maßgebenden Bestimmungen des Gesetzes vom über die Erhebung der Kanalabgaben durch die Gemeinden des Landes Steiermark (Kanalabgabengesetz 1955), LGBl. Nr. 71/1955 (§ 1 in der Fassung LGBl. Nr. 40/1971, §§ 2 und 4 in der Fassung LGBl. Nr. 80/1988, § 5 in der Fassung LGBl. Nr. 158/1963), lauten:
"Abgabeberechtigung.
§ 1. Die Gemeinden des Landes Steiermark, welche öffentliche Kanalanlagen zur Ableitung von Abwässern errichten und betreiben, werden auf Grund des § 8 Abs. 5 des Finanzverfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, durch Beschluss des Gemeinderates eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben.
Gegenstand der Abgabe.
§ 2. (1) Der Kanalisationsbeitrag ist einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht.
...
(3) Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile. Bei Wiedererrichtung einer zerstörten, abgetragenen oder beschädigten Baulichkeit ist der Kanalisationsbeitrag nur insoweit zu leisten, als das wiedererrichtete Bauwerk die Ausmaße des früheren überschreitet.
(4) Für außerhalb des Verpflichtungsbereiches gelegene Liegenschaften entsteht die Beitragspflicht mit dem freiwilligen Anschluss an das öffentliche Kanalnetz.
Ausmaß.
§ 4. (1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschoße je zur Hälfte eingerechnet werden; Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet.
(2) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 7) nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage höchstens bis zu 5 v. H. dieser Baukosten für den Meter festzusetzen. Bei der Festsetzung des Einheitssatzes sind aus Bundes- und Landesmitteln für die Errichtung und die Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage gewährte Beiträge und Zuschüsse in Abschlag zu bringen.
...
Abgabepflichtiger, Fälligkeit und Verjährung.
§ 5. (1) Zur Entrichtung des einmaligen Kanalisationsbeitrages ist der Eigentümer der anschlusspflichtigen Liegenschaft, sofern dieser aber mit dem Bauwerkseigentümer nicht identisch ist, der Eigentümer der Anschlusspflichtigen Baulichkeit verpflichtet.
(2) Der Kanalisationsbeitrag ist nach Ablauf der im Abgabenbescheid (§ 8) festzusetzenden Zahlungsfrist fällig und kann in den im Abgabenbescheid festzusetzenden Teilzahlungen entrichtet werden.
(...)
Kanalabgabenordnung.
§ 7. (1) In jeder Gemeinde mit einer öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalabgabenordnung zu beschließen, welche zu enthalten hat:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
a) | die Erhebung der Kanalisationsbeiträge (§ 1); | |||||||||
b) | die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren (§ 6); | |||||||||
c) | die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanalisationsbeiträge (§ 4), erforderlichenfalls getrennt für Schmutzwasser-, Regenwasser- und Mischwasserkanäle; | |||||||||
d) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühren (§ 6), erforderlichenfalls getrennt für Schmutzwasser-, Regenwasser- und Mischwasserkanäle; | ||||||||||
e) die Zahlungstermine für die laufenden Kanalbenützungsgebühren. |
(2) Die Kanalabgabenordnung sowie allfällige spätere Änderungen oder Ergänzungen sind nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung zwei Wochen hindurch öffentlich kundzumachen und treten, sofern nicht anderes bestimmt wird, mit dem dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Monatsersten in Kraft."
2.2. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 der Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz vom in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom betrug der gemäß § 4 Abs. 2 Kanalabgabengesetz 1955 zu Grunde zu legende Einheitssatz S 284,85 (zuzüglich USt), umgerechnet EUR 20,70.
2.3. Wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Rechtslage mehrfach Stellung genommen. Er hat dabei insbesondere klargestellt, dass bei der nach dem Gesetz erforderlichen Produktbildung tatsächlich lediglich auf die "verbaute Grundfläche" abzustellen sei, welche mit der maßgeblichen Geschoßanzahl zu vervielfachen sei, gleichgültig, ob alle Geschoße die gleiche Fläche aufwiesen (vgl. hiezu zusammenfassend aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/17/0283, oder das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/17/0358). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ging der Verwaltungsgerichtshof dabei davon aus, dass gegen eine solche Rechtslage insoferne keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, als dadurch bei typisierender Betrachtungsweise der Entsorgungsnutzen, den das Bauwerk, das der Berechnung zu Grunde gelegt wird, aus der Anlage zieht, in die Berechnung einfließt.
Wenn dabei in einzelnen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes - worauf in der Beschwerde hingewiesen wird - davon die Rede ist, dass die Grundfläche des Erdgeschoßes maßgeblich sei, so ist zu beachten, dass es sich in diesen Fällen um solche handelte, in denen die Obergeschoße eine geringere Fläche aufwiesen als das Erdgeschoß (zT als sogenannte "zurückspringende Obergeschoße" bezeichnet). Wie die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof in diesen Entscheidungen nicht mit der Frage zu befassen, was gilt, wenn nicht das Obergeschoß, sondern das Erdgeschoß "zurückspringt".
Vor dem Hintergrund der dargestellten Überlegungen zum Entsorgungsnutzen als maßgeblichem Gesichtspunkt für eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Abgabenregelung begegnet es keinen Bedenken, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Fläche des Obergeschoßes größer als jene des Erdgeschoßes ist, jedenfalls dann, wenn das Obergeschoß wie im Beschwerdefall auf außerhalb des Grundrisses des Erdgeschoßes situierten, tragenden Bauteilen wie Säulen oder Wänden ruht, als verbaute Grundfläche die durch die Projektion des Gebäudeumrisses auf den Erdboden bestimmte Grundfläche heranzuziehen.
Die belangte Behörde hat hiezu auch auf die hg. Rechtsprechung zum Niederösterreichischen Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 hingewiesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0221). Wenngleich in diesem Gesetz der Begriff der "bebauten Fläche" ausdrücklich dahin gehend näher präzisiert war, dass darunter jener Teil der Liegenschaft zu verstehen war, der "von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses einer über das Gelände hinausragenden Baulichkeit" verdeckt würde, während im Stmk. KanalAbgG eine solche nähere Definition gerade fehlt, zeigt die genannte Bestimmung jedenfalls, dass der niederösterreichische Landesgesetzgeber unter Zugrundelegung der (notwendigerweise) gleichen verfassungsrechtlichen Überlegungen zur Maßgeblichkeit des Versorgungsnutzens und des Erfordernisses der Heranziehung einer Berechnung, die diesen Versorgungsnutzen, wenn auch unter typisierender Betrachtungsweise so doch möglichst präzise, abbildet, zu eben jenem Ergebnis gelangt ist, zu dem man im Fall des hier anzuwendenden § 4 Abs. 1 Stmk. KanalAbgG im Auslegungswege gerade unter Einbeziehung des Gesichtspunktes einer gleichmäßigen Besteuerung vergleichbarer Sachverhalte kommt.
Der Einwand in der Beschwerde, dass die von der belangte Behörde gewählte Auslegung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre, ist unzutreffend, führte doch gerade die in der Beschwerde vertretene Auffassung zu einer einfachen Möglichkeit einer weitgehenden Abgabenvermeidung durch entsprechende (kleine) Gestaltung der Erdgeschoßfläche.
2.4. Die Neufassung des § 4 Abs. 1 Stmk. KanalAbgG 1955 mit LGBl. Nr. 81/2005, der zu Folge es nunmehr nur mehr (allein) auf die Bruttogeschoßfläche ankommt, war im Beschwerdefall, in dem sich der Abgabentatbestand im Jahre 2003 (siehe oben, Punkt 1.1.) verwirklichte, hingegen noch nicht anwendbar.
2.5. Es ist angesichts der dargestellten Rechtslage müßig, Fallkonstellationen zu bilden (wie dies in der Beschwerde getan wird), in denen je nach getrennter Ausführung von Bauteilen oder der Ausführung als ein einheitliches Gebäude selbst bei gleicher Gesamtfläche ein unterschiedlicher Kanalisationsbeitrag zu entrichten wäre.
Der in der Beschwerde verwendete Begriff des "Luftgeschoßes" geht jedenfalls insoweit an der Sache vorbei, als die nach der hier anwendbaren Rechtslage anzuwendende Berechnungsmethode nicht dazu führt, dass etwa nicht vorhandene Geschoße anzurechnen wären.
2.6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-86424