VwGH vom 15.02.2022, Ra 2020/05/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des Ing. Y K in W, vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-111/077/10533/2018-5, betreffend Baueinstellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (in der Folge: Magistrat) vom wurde gegenüber dem Revisionswerber als Bauherr und Grundeigentümer gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit. a der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO für Wien) angeordnet, die Bauführung zum Abbruch eines Gebäudes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien einzustellen. Es liege keine Bestätigung des Magistrates gemäß § 62a Abs. 5a BO für Wien vor, gegenständlich handle es sich daher um einen gemäß § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. bewilligungspflichtigen Abbruch. Eine solche Bewilligung sei bislang nicht erteilt worden.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab (I.) und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig (II.).
3Dazu führte es, soweit hier relevant, aus, die Bewilligung für das gegenständliche Haus sei vermutlich vor dem erteilt worden. Das Haus sei als Amtsgebäude der Polizei in Verwendung gewesen und durch den Revisionswerber im Jahr 2015 von der Bundesimmobilienverwaltung erworben worden. Der Revisionswerber habe vor Inkrafttreten des Landesgesetzblattes Nr. 37/2018, also vor dem , den nach damaliger Rechtslage für das gegenständliche Gebäude noch bewilligungsfreien Abbruch angezeigt und auch vor dem mit den Abbrucharbeiten rechtmäßig begonnen. Eine Bescheinigung des Magistrates gemäß § 62a Abs. 5a BO für Wien darüber, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse bestehe, habe der Revisionswerber nicht eingeholt. Eine weitere Ausnahme vom Bewilligungserfordernis der Abbrucharbeiten für solche Abbrucharbeiten, die vor dem rechtmäßig begonnen worden seien, sehe das Gesetz nicht vor. Sofern der Revisionswerber daher nicht eine Bescheinigung des Magistrates gemäß § 62a Abs. 5a BO für Wien erlangen sollte, obliege es ihm, gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 37/2018 die Bewilligung des Abbruches des Gebäudes zu beantragen und im Rahmen dieses Bewilligungsverfahrens ins Treffen zu führen, dass er mit den Abbrucharbeiten bereits rechtmäßig nach alter Rechtslage begonnen habe. Aus den Grundrechten auf Eigentum und Erwerbsausübungsfreiheit lasse sich nicht ableiten, dass es dem Landesgesetzgeber verwehrt wäre, ab einem bestimmten Stichtag Abbrucharbeiten, auch wenn diese bereits begonnen worden seien, einem Bewilligungserfordernis zu unterstellen. Warum es dem Gebäudeeigentümer nicht zumutbar sein solle, seinen behaupteten Anspruch auf Abbruch des Gebäudes in einem solchen Bewilligungsverfahren durchzusetzen und der vorgesehene Rechtszug eines Bewilligungsverfahrens bereits eine Verletzung in Grundrechten sein solle, sei für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.
4Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 4946/2018-8, E 4997/2018-7, E 5087/2018-8, ablehnte. Mit weiterem Beschluss vom , E 4946/2018-12, E 4997/2018-11, E 5087/2018-12, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende Revision.
6Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher er (u.a.) ausdrücklich ausführt, aufgrund des unstrittig feststehenden Sachverhaltes, der jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/05/0012, zugrundelag, gleicht, werde dem Revisionsvorbringen nicht entgegengetreten.
7Die Revision ist in Anbetracht der in der Zulässigkeitsbegründung
(§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Rechtsfrage, ob vor dem Inkrafttreten des LGBl. für Wien Nr. 37/2018 bereits rechtmäßig begonnene Abbrucharbeiten an vor dem errichteten Gebäuden, wenn eine Bestätigung des Magistrates im Sinne des § 62a Abs. 5a BO nicht vorgelegt wurde, einer Bewilligungspflicht unterlägen und mit einem Auftrag zur Baueinstellung vorgegangen werden dürfe oder ob die rechtmäßig begonnenen Abbrucharbeiten ohne Bewilligung weitergeführt werden dürften, zulässig; zutreffend verweist die Revision auf einen Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/05/0012. Ihr kommt aus diesem Grund auch Berechtigung zu.
8Mit der Neufassung des § 60 Abs. 1 lit. d BO durch die am in Kraft getretene Novelle LGBl. für Wien Nr. 37/2018 wurde normiert, dass für den Abbruch von Gebäuden, die vor dem errichtet wurden, dann eine Baubewilligungspflicht gegeben ist, wenn der Anzeige des Abbruches gemäß § 62a Abs. 5a leg. cit. keine Bestätigung des Magistrates angeschlossen ist, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. Auf dem Boden dieser Rechtslage erging der gegenständliche Auftrag zur Baueinstellung wegen fehlender Baubewilligung. Der Feststellung des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis, dass das verfahrensgegenständliche Gebäude vor dem errichtet wurde, trat keine Verfahrenspartei entgegen; auch aus den vorgelegten Verfahrensakten ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte.
9Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem nach dem angefochtenen Erkenntnis erlassenen Erkenntnis vom , Ro 2019/05/0012, in einem gleichgelagerten Fall, in dem mit Abbrucharbeiten bereits vor Inkrafttreten der Novelle LGBl. für Wien Nr. 37/2018 begonnen worden war und diese auch im Zeitpunkt der Erlassung des Baueinstellungsbescheides des Magistrates noch nicht abgeschlossen waren, ausgesprochen hat, ist für die Frage, ob eine Baubewilligung erforderlich ist, die Rechtslage, die bei Beginn der Ausführung des Bauvorhabens (hier: des Abbruches) gegolten hat, heranzuziehen. Zur weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
10Im vorliegenden Revisionsfall, in dem unbestritten mit den Abbrucharbeiten bereits vor dem begonnen worden war und diese bei Erlassung des genannten Bescheides nicht abgeschlossen waren, bestand im Zeitpunkt des maßgeblichen Beginnes des Abbruches aufgrund des § 60 Abs. 1 BO iVm § 62a leg. cit. in der Fassung vor Inkrafttreten der genannten Novelle keine Baubewilligungspflicht, sodass für den genannten Auftrag zur Baueinstellung keine rechtliche Grundlage bestand (vgl. zum Ganzen nochmals das Erkenntnis ).
11Das angefochtene Erkenntnis war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
12Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020050006.L00 |
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