VwGH vom 27.01.2012, 2006/17/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der MP in
N, vertreten durch Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Tirolerstraße 30/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für
Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE./0553-I/7/2006, betreffend Einheitliche Betriebsprämie 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria vom wurde der Beschwerdeführerin für das Jahr 2005 eine Betriebsprämie in der Höhe von EUR 45.575,44 zuerkannt. Die Zahlungsansprüche wurden dabei gemäß Art. 37 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (in der Folge: Verordnung (EG) Nr. 1782/2003) auf der Grundlage der in den Jahren 2000 bis 2002 gewährten Förderungen berechnet. Die von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge auf Anerkennung als Sonderfall-Neueinsteiger und auf Richtigstellung von Zahlungsansprüchen wurden abgewiesen.
1.2. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie darauf hinwies, dass durch die Aufnahme des Betriebs erst im Oktober des Jahres 2000 sie in diesem Jahr nicht voll habe produzieren können und somit auch nur einige Stierprämien habe beantragen können. Der Betrieb sei ein reiner Stiermastbetrieb und es sei erst in den Jahren 2001 und 2002 möglich gewesen, den Betrieb voll auszulasten.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Artikel 37, 42 Abs. 3 sowie 2 lit. k der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aus, dass die Beschwerdeführerin selbst angegeben habe, dass sie den Betrieb seit Oktober 2000 führe. Die Beschwerdeführerin habe somit unbestritten bereits im Kalenderjahr 2000 eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Die Berechnung des Beihilfebetrags habe daher nicht auf Grund des Art. 37 Abs. 2 (Neueinsteiger), sondern auf Grund des Art. 37 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 zu erfolgen gehabt. Soweit sie argumentiere, dass sie im ersten Jahr noch nicht voll habe produzieren können, sei anzumerken, dass mit der Heranziehung eines dreijährigen Durchschnitts gerade derartige jährliche Produktionsschwankungen besser ausgeglichen werden sollten. Aufgrund ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit im Jahr 2000 erfüllte die Beschwerdeführerin nicht die Anforderungen für den Sonderfall Neueinsteiger und die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß Art. 33 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 können Betriebsinhaber die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen, wenn ihnen im Bezugszeitraum nach Art. 38 im Rahmen von mindestens einer der Direktzahlungen gemäß Anhang VI eine Zahlung gewährt wurde oder sie den Betrieb oder einen Teil des Betriebes durch Vererbung oder durch vorweggenommene Erbfolge von einem Betriebsinhaber erhalten haben, der die Bedingungen nach lit. a erfüllt oder wenn sie einen Zahlungsanspruch aus der nationalen Reserve oder durch Übertragung erhalten haben. Der angesprochene Bezugszeitraum gemäß Art. 38 der Verordnung umfasst die Kalenderjahre 2000, 2001 und 2002.
Für die Berechnung des Referenzbetrags sieht Art. 37 der Verordnung Folgendes vor:
"(1) Der Referenzbetrag entspricht dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der Zahlungen, die ein Betriebsinhaber im Rahmen der Stützungsregelungen nach Anhang VI in jedem Kalenderjahr des Bezugszeitraums nach Artikel 38 bezogen hat und der gemäß Anhang VII berechnet und angepasst wurde.
(2) Abweichend von Absatz 1 wird, wenn ein Betriebsinhaber im Bezugszeitraum eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnimmt, der Durchschnitt der Beihilfen zugrunde gelegt, die ihm in dem Kalenderjahr oder den Kalenderjahren, in dem bzw. denen er die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, gewährt wurden."
Art. 40 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 lautet:
"Härtefälle
(1) Abweichend von Artikel 37 kann ein Betriebsinhaber, dessen Produktion im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt wurde, beantragen, dass der Referenzbetrag auf der Basis des/der durch die höhere Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände nicht betroffenen Kalenderjahre(s) des Bezugszeitraums berechnet wird.
(2) War der gesamte Bezugszeitraum durch die Fälle höherer Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände betroffen, so wird der Referenzbetrag von den Mitgliedstaaten auf der Basis des Zeitraums 1997 bis 1999 berechnet. In diesem Fall gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände sind vom Betriebsinhaber der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb der vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Frist schriftlich mitzuteilen.
(4) Als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände werden von der zuständigen Behörde unter anderem anerkannt:
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a) | Tod des Betriebsinhabers, |
b) | länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers, |
c) | eine schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht, |
d) | unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs, |
e) | Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers." |
Art. 42 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 lautet: |
"(3) Die Mitgliedstaaten können die nationale Reserve nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen vorrangig zur Gewährung von Referenzbeträgen an Betriebsinhaber, die nach dem - oder im Jahre 2002, ohne jedoch Direktzahlungen erhalten zu haben - eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben, verwenden."
Art. 2 lit. k der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe lautet:
"k) Bei der Anwendung von Artikel 37 Absatz 2 und Artikel. 42 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gelten als 'Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben,' natürliche oder juristische Personen, die in den fünf Jahren vor Aufnahme der neuen landwirtschaftlichen Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weder eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben noch die Kontrolle einer eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübenden juristischen Person innehatten, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübte."
2.2. Zunächst ist im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 21/07 und V 20/07, Folgendes festzuhalten:
Für die Auswirkungen der Aufhebung zweier Worte in § 99 Abs. 1 Z 6 Marktordnungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 210 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2001, und der Betriebsprämie-Verordnung, BGBl. II Nr. 336/2004, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 21/07 und V 20/07, auf den Beschwerdefall ist auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/17/0181, und vom , Zl. 2006/17/0362, zu verweisen. Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde ausschließlich auf unmittelbar anwendbare gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen gestützt, die ungeachtet der Aufhebung der Betriebsprämie-Verordnung, BGBl. II Nr. 336/2004, vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall anzuwenden sind. Darüber hinaus ist der Beschwerdefall kein Anlassfall der genannten Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof.
2.3. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auf Art. 37 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gestützt, in der Gegenschrift aber auch darauf hingewiesen, dass sich am Ergebnis nichts ändere, wenn die Berechnung nach Art. 37 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vorgenommen werde.
Die Beschwerdeführerin hat demgegenüber bereits im Verwaltungsverfahren die (ausschließliche) Heranziehung der in den Jahren 2001 und 2002 ausbezahlten Prämien beantragt und sich in der Beschwerde hiezu begründend auf die "tragenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechts" berufen.
2.4. Zutreffend ist - wie die belangte Behörde auch in der Gegenschrift erkannt hat -, dass die Berechnung des Referenzbetrages im Fall eines Neueinsteigers nach Art. 37 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 zu erfolgen hat. Der Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass sich damit jedoch am Ergebnis nichts änderte, kann aber nicht gefolgt werden. Ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unterlassen, näher darzulegen, wie der Referenzbetrag auf dem Boden des Art. 37 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 im Beschwerdefall zu berechnen ist.
2.5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-86415