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VwGH vom 24.02.2021, Ra 2020/03/0171

VwGH vom 24.02.2021, Ra 2020/03/0171

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des J M in G, vertreten durch Dr. Kurt Fassl und Mag. Alexander Haase, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Grieskai 98/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.9-142/2020-37, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leibnitz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom wurde dem Revisionswerber Folgendes angelastet:

„Datum/Zeit: bis , 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr

Ort: [...]

[...]

Sie haben zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort durch das beschriebene Verhalten in ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Der angeführte Lärm war vermeidbar und wirkte störend.

Sie haben in der Zeit von bis in der Zeit von 07:00 bis 20:00 Uhr täglich mehrmals in der Stunde (6 bis 7 Mal) in einem Zeitraum der letzten zwei bis drei Wochen durch eine Schießanlage (Gasdruckanlage) bei ihrer Fischzucht ungebührlich Lärm erregt und Anwohner in ihrer Ruhe dadurch gestört.

Sie haben zur Vergrämung der Kormorane und Fischreiher eine Gasdruckanlage mit Zeitschaltuhr betrieben, wodurch sich die Privatanzeigerin in ihrer Ruhe empfindlich gestört fühlt.“

2Dadurch habe der Revisionswerber § 1 Abs. 1 Steiermärkisches Landes-Sicherheitsgesetz (StLSG) übertreten. Über ihn wurde deshalb gemäß § 4 Abs. 1 StLSG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 400,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage, 19 Stunden) verhängt.

3In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde verwies der Revisionswerber unter anderem auf ein Schreiben der Landwirtschaftskammer Steiermark, mit welchem dem Revisionswerber die Auskunft erteilt worden sei, dass die Landesregierung eine Ausnahmebewilligung zum Abschuss von Kormoranen gemäß § 18 Abs. 5 Z 3 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 2017 zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden dann erteilen könne, wenn alle Abwehrmaßnahmen - wie insbesondere auch die akustische Vergrämung mittels Schreckschusswaffen - erfolglos geblieben seien. Der Revisionswerber verwies weiters darauf, dass im Falle der Nichtabwehr durch die gegenständliche Schussanlage ein Fischereiausfall von bis zu 100 % zu erwarten sei.

4Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wies die Beschwerde des Revisionswerbers (unter Spruchpunkt I.) mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Tatzeitraum wie folgt neu festgelegt werde:

„Sie haben in der Zeit von bis mehrmals täglich mit ihrer Gasdruckanlage ungebührlich Lärm erregt und dadurch Anwohner in deren Ruhe gestört“

5Weiters legte das Verwaltungsgericht den zu leistenden Beitrag des Revisionswerbers zum Beschwerdeverfahren mit EUR 80,- fest (Spruchpunkt II.) und erklärte (unter Spruchpunkt III.) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

6Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, dass in dem im Straferkenntnis angegebenen Zeitraum Lärm durch das Schießen einer Gasdruckanlage erzeugt worden sei. Der Revisionswerber habe in der Beschwerdeverhandlung einen naturschutzrechtlichen Bescheid vom vorgelegt, mit dem ihm eine naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung für die Verwendung einer Gasschussanlage zur akustischen Vergrämung von Kormoranen an der Teichanlage bis zum erteilt worden sei. Durch das Schießen der Gasdruckanlage zu den im Spruch angeführten Zeiten sei es zu einer Lärmentwicklung gekommen, welche die umliegenden Anrainer, insbesondere S. und H., als ungebührlich erachtet hätten. Das Grundstück von H. liege höher als die Teichanlage und sei etwa 1,2 km entfernt. S. wohne ca. 600 m bis 700 m vom Anwesen entfernt. Der Laut der Gasdruckanlage werde als „dumpfer Knall“ wahrgenommen, welcher auch bei geschlossenem Fenster zu hören sei. Die Gasdruckanlage sei mehrmals täglich betrieben worden, wobei man jedoch im Vorhinein nicht sagen könne, wann ein Schuss abgegeben werde.

7Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht auf die Anzeige der Polizeiinspektion D sowie auf die Aussagen der Zeugen H. und S. sowie des Revisionswerbers selbst. Die Nachbarin und Anzeigelegerin H. habe - so das Verwaltungsgericht beweiswürdigend - anlässlich ihrer Einvernahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nachvollziehbar angegeben, dass der Lärm, der von der Schießanlage ausgehe, für sie unerträglich sei, dies nicht nur aufgrund der Lautstärke, sondern vorwiegend aufgrund der Dauer, Intensität und Abfolge der Schüsse.

8In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - soweit für den Revisionsfall von Relevanz - unter Hinweis auf die getroffenen Feststellungen aus, dass im vorliegenden Fall nicht nur die Lautstärke des Knalls, sondern auch die Zeitdauer der Lärmentwicklung und auch die Wiederholung in relativ kurzen Abständen für Nachbarn unzumutbar sei, wobei infolge des nachteiligen, sogenannten „Erwartungseffektes“ nach Erkenntnissen in medizinischer Hinsicht derartige Lärmentwicklungen eine Gesundheitsgefährdung nicht ausschließen könnten (Hinweis auf UVS Steiermark , UVS 30.2-51/2006/6). Ebenso wenig könne die vorgelegte naturschutzrechtliche Bewilligung eine Rechtfertigung bewirken, weil diese erst nach den betreffenden Tatzeiträumen erteilt worden sei und dem Spruch keine Auflagen in zeitlicher Hinsicht zu entnehmen seien. Insgesamt gesehen sei somit davon auszugehen, dass der Revisionswerber die ihm angelastete Tat in subjektiver und objektiver Hinsicht zu verantworten habe.

9Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG, die fallbezogen nicht vorlägen.

10Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen und mit näherer Begründung ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 1 StLSG (Hinweis auf ) sowie eine Verletzung der Begründungspflicht vorbringt.

11Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12Die Revision erweist sich im Sinne ihrer Zulässigkeitsbegründung als zulässig; sie ist auch begründet.

13Die maßgeblichen Bestimmungen des StLSG, LGBl. Nr. 24/2005, in der Fassung LGBl. Nr. 147/2013, lauten (auszugsweise):

§ 1

Lärmerregung und Störung des örtlichen Gemeinschaftslebens

(1) Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, begeht eine Verwaltungsübertretung.

(...)

„§ 4

Strafbestimmungen

(1) Verwaltungsübertretungen nach § 1 Abs. 1 und den § 2 und 3a sind von den Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde ist, von der Landespolizeidirektion, mit Geldstrafe bis zu 2000 Euro zu bestrafen.

(...)“

14Unter „störendem Lärm“ sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung tretende Geräusche zu verstehen, mögen sie durch Betätigung der menschlichen Sprechorgane oder durch Anwendung von Werkzeugen und der gleichen unmittelbar oder mittelbar hervorgerufen werden (vgl. , mwN). Lärm ist dann störend, wenn er wegen seiner Art und/oder seiner Intensität geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören, wobei die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen, dies zu beurteilen (vgl. - zur inhaltlich § 1 Abs. 1 StLSG entsprechenden Bestimmung des § 1 lit a NÖ Polizeistrafgesetz - ).

15Nicht schon die Erregung von störendem Lärm ist aber strafbar, sondern es muss noch ein zweites Tatbestandsmerkmal hinzukommen, dass nämlich dieser störende Lärm ungebührlicher Weise erregt wurde. Lärm ist dann ungebührlicher Weise erregt, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss, das heißt, es muss jene Rücksichten vermissen lassen, die die Umwelt verlangen kann. Ob diese Voraussetzungen zur Beurteilung eines Geräuschs als ungebührlicher Weise störender Lärm in einem konkreten Fall erfüllt sind, ist daher in jedem einzelnen Fall nach seinen konkreten Begleitumständen zu beurteilen, wozu es entsprechender Feststellungen bedarf (vgl. wiederum , mwN).

16Im Revisionsfall gelangte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber durch den Betrieb der Schussanlage in ungebührlicher und störender Weise Lärm erregt habe. Nachvollziehbare Feststellungen, auf deren Grundlage das Verwaltungsgericht zu diesen rechtlichen Schlussfolgerungen gelangt ist, lassen sich dem angefochtenen Erkenntnis - wie von der Revision zutreffend vorgebracht wird - jedoch nicht entnehmen.

17Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 VwGVG den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den § 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung 1. in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, 2. in der Beweiswürdigung, 3. in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Bei der Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist die besondere Stellung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen. Angesichts ihrer sich aus Art. 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG dann nicht gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. , mwN).

18Diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung wird das angefochtene Erkenntnis schon deshalb nicht gerecht, weil es keine ausreichend konkreten Feststellungen enthält, aus denen die „Ungebührlichkeit“ der Lärmerregung abgeleitet werden kann. Dies schon deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht die Ungebührlichkeit der Lärmerregung alleine auf das subjektive Empfinden der beiden einvernommenen Nachbarn stützte. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber, dass die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden. Der objektive Maßstab ist unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gegebenheiten in jedem Fall nach seinen konkreten Begleitumständen zu finden (vgl. , mwN). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob bestimmte Personen den Lärm als ungebührlich empfinden (vgl. ).

19Darüber hinaus setzte sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem vom Revisionswerber vorgebrachten Argument auseinander, der Betrieb der gegenständlichen Schussanlage sei notwendig, um Schäden an Fischereigebieten zu verhindern, weshalb die damit einhergehende Lärmerregung nicht als ungebührlich im Sinne des § 1 Abs. 1 StLSG zu qualifizieren sei.

20Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Ungebührlichkeit der Erregung störenden Lärms im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs bereits in einem Erkenntnis zum Kärntner Landessicherheitsgesetz befasst. Er ist dabei im Wesentlichen zum Ergebnis gekommen, dass im Fall von Arbeiten, die zeit- und wetterabhängig sind und die daher nur in beschränktem Rahmen zeitlich verschoben werden können, und die zu einer Zeit, die üblicherweise noch nicht der Nachtruhe dient, durchgeführt werden, der dabei erzeugte (störende) Lärm nicht als ungebührlicherweise erregt anzusehen ist, wenn die Ausführung der Arbeiten der herkömmlichen landwirtschaftlichen Praxis entspricht, aufgrund der Vegetations- und Witterungsverhältnisse dringend notwendig ist, und keine Lärmentwicklung festgestellt wird, die über jenes Maß hinausgeht, das üblicherweise mit der fachgerechten Durchführung solcher landwirtschaftlicher Arbeiten verbunden ist (, dort zu abendlichen Mäharbeiten mit Traktor; vgl. dazu auch , insbesondere Rn. 25 ff, dort zu nächtlichen Silierarbeiten).

21Diese Grundsätze sind auch für den Fischereibetrieb des Revisionswerbers heranzuziehen. Der Revisionswerber hat im Verfahren dargelegt, aus welchen Gründen er den Betrieb der Schussanlage im festgestellten Umfang als für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Fischereibetriebs erforderlich ansieht. Das Verwaltungsgericht ist auf dieses Vorbringen nicht eingegangen und hat insbesondere keine Feststellungen getroffen, ob das Betreiben einer Schussanlage zur Vertreibung bestimmter Vogelarten der herkömmlichen Praxis im Rahmen eines Fischereibetriebs von jener Art, wie er vom Revisionswerber betrieben wird, entspricht und ob die dabei verursachte Lärmentwicklung über jenes Maß hinausgeht, das üblicherweise mit der fachgerechten Durchführung derartiger Maßnahmen im Rahmen der Fischereiwirtschaft einhergeht.

22Da sich das Verwaltungsgericht nicht ausreichend mit der Ungebührlichkeit der Lärmerregung auseinandersetzte und die erforderlichen Feststellungen fehlen, auf deren Grundlage eine Beurteilung der Ungebührlichkeit der Lärmerregung erfolgen könnte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

23Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030171.L00

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Fundstelle(n):
CAAAE-86399

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