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VwGH 25.06.2013, 2011/08/0161

VwGH 25.06.2013, 2011/08/0161

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs2;
RS 1
Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das typische Bild eines Meldeverstoßes vorliegt, wenn die Anmeldung des Dienstnehmers zum Zeitpunkt der Kontrolle noch nicht nachgeholt worden ist. Die Folgen des Meldeverstoßes in einem solchen Fall sind nicht als unbedeutend anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0125).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des K A in S, vertreten durch Mag. Jürgen Brandstätter, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Andreas Hofer Straße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-948/1178-2011, betreffend Beitragszuschläge nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb die mitbeteiligte Partei dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vor, weil die Anmeldung der zumindest am (in der Krankenversicherung) pflichtversicherten S. P. nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei. Mit einem weiteren Bescheid vom schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer wiederum einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,-- vor, weil die Anmeldung der zumindest am (in der Krankenversicherung) pflichtversicherten S. P. zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.

Der damals bereits anwaltlich vertretene Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Einsprüche. Er bestritt, dass S. P. in seinem Betrieb als Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen sei. Auf Grund ihres Interesses sei ein Volontariat vereinbart worden. Für sie habe keine Arbeitspflicht und keine Anwesenheitspflicht bestanden. Es sei kein Entgelt vereinbart worden. Sie sollte an den vereinbarten Tagen für je zwei Stunden Gelegenheit bekommen, den Geschäftsbetrieb kennenzulernen. Der Beschwerdeführer legte drei Vereinbarungen "über ein Volontariat" vom 30. September, 5. Oktober und 25. Oktober sowie eine Erklärung der S. P. vom vor, wonach "lediglich eine Vereinbarung über ein Volontariat für die Zeit vom 25. bis , sowie ."

existiere. Sämtliche Vereinbarungen, auch die zuletzt genannte Erklärung, waren von S. P. und vom Beschwerdeführer unterschrieben.

Mit Schreiben vom beantragte der Vertreter des Beschwerdeführers

"zum Beweis dafür, dass Frau S. P. nicht bei mir in irgendeiner Weise Dienstnehmerin war, sondern lediglich ein Volontariat ohne Anwesenheitspflicht und Entgelt vereinbart war"

die Einvernahme der Zeugen H. H. und T. S.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einsprüchen keine Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide bestätigt. Die "Vereinbarung über ein Volontariat" vom habe sich auf den 5., 6., 25., 28. und 29. Oktober sowie auf den im Ausmaß von jeweils zwei Stunden bezogen. Die "Vereinbarung über ein Volontariat" vom habe sich auf den Zeitraum vom 25. bis zum 29. Oktober sowie auf den bezogen und folgenden Wortlaut gehabt:

"VEREINBARUNG ÜBER EIN VOLONTARIAT

abgeschlossen:

1. Das Unternehmen ermöglicht es dem Volontär auf dessen ausdrücklichen Wunsch von 25. bis 29. Oktober sowie am ein Volontariat zu absolvieren. Das Volontariat dient ausschließlich dazu, die betrieblichen Einrichtungen des Unternehmens zum Erwerb bzw. zur Erweiterung von Kenntnissen für die Praxis kennen zu lernen.

2. Der Volontär ist nicht in den Betrieb eingegliedert und an keine Arbeitszeiten gebunden. Er verpflichtet sich jedoch, etwaige ihm bekannt werdende Geschäftsgeheimnisse zu wahren, den fachlichen Ausbildungsanleitungen des betrieblichen Personals zu entsprechen und die im Betrieb geltenden Sicherheitsvorschriften zu beachten.

3. Es besteht für den Volontär keine Arbeitspflicht. Es wird daher ausdrücklich festgehalten, dass mit dieser Vereinbarung kein Arbeitsverhältnis begründet wird.

4. Das Volontariat kann jederzeit von beiden Vertragspartnern mit sofortiger Wirkung beendet werden."

Am hätten S. P. und der Beschwerdeführer folgende Erklärung unterzeichnet:

"Die Unterfertigte, Frau S. P., erklärt, dass bis zum heutigen Tage niemals ein Dienstverhältnis zu (dem Beschwerdeführer) bestanden hat. Es existiert lediglich eine Vereinbarung über ein Volontariat für die Zeit vom 25. bis , sowie ."

Am habe S. P. bei der Polizeiinspektion in St. Pölten eine Anzeige erstattet, wonach sie beim Beschwerdeführer arbeiten würde, ohne zur Sozialversicherung gemeldet worden zu sein. In der daraufhin vom Team KIAB vom Finanzamt L aufgenommenen Niederschrift habe S. P. angegeben, zu näher bezeichneten Arbeitszeiten kassiert, Kunden bedient und beraten zu haben. M. von der KIAB S habe am für ca. zehn Minuten das Geschäft des Beschwerdeführers kontrolliert. S. P. sei die einzige Verkaufskraft im Geschäft gewesen. Sie habe Geld von drei Kunden kassiert. Ebenso habe sie mit H., einer Angestellten des Beschwerdeführers, telefoniert. Als M. ein Getränk gekauft habe, sei er von S. P. bedient worden. Zwei weitere Organe der KIAB, S. und M., hätten sich außerhalb des Geschäftslokales in der Nähe aufgehalten. S. P. sei zum Zeitpunkt der Betretung nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Bei einer weiteren Kontrolle von Finanzorganen am sei S. P. wieder hinter dem Verkaufspult im Geschäft des Beschwerdeführers angetroffen worden, ohne vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung gemeldet worden zu sein. Als Lohn habe der Beschwerdeführer S. P. EUR 60,-- ausgezahlt. Ihre Arbeitszeiten seien werktags von 8.00 bis 20.00 Uhr und samstags von 8.30 bis 11.30 Uhr gewesen.

Der Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG setze sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten würden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung belaufe sich auf EUR 500,-- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldete Person, der Teilbetrag für den Prüfeinsatz belaufe sich auf EUR 800,--. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen könne der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,-- herabgesetzt werden.

Bei der Beurteilung, welchen Vertrag S. P. mit dem Beschwerdeführer geschlossen habe, komme es nicht auf die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (d.h. auf die Bezeichnung als Volontariatsvertrag oder Dienstvertrag) an, sondern es sei allein der wahre wirtschaftliche Gehalt (§ 539a Abs. 1 ASVG) maßgebend. Unwichtig sei auch, dass S. P. am erklärt habe, niemals ein Dienstverhältnis mit dem Beschwerdeführer geschlossen zu haben. Abgesehen davon, dass diese Erklärung im Widerspruch zu ihrer Anzeige vom stünde und den Eindruck hinterlasse, dass sie nicht ganz unbeeinflusst vom ebenfalls gefertigten Beschwerdeführer erfolgt sei, handle es sich um eine rechtliche Beurteilung, die die Behörde unabhängig von der Rechtsmeinung bzw. dem Dafürhalten der Parteien zu fällen habe.

Die Tätigkeit eines Volontärs diene nicht in erster Linie Betriebsinteressen, sondern im Wesentlichen der Ausbildung des Beschäftigten. Sie sei charakterisiert von Unentgeltlichkeit und dem Fehlen der Arbeitspflicht. Wo die völlige Eingliederung in das Betriebsgeschehen stattfinden solle, liege ein Arbeitsverhältnis vor. Im Zweifel sei das Vorliegen eines Volontärverhältnisses zu verneinen. Ersetze der Volontär einen Arbeitnehmer und sei er an die betriebliche Arbeitszeit gebunden, Weisungen unterworfen, in den Arbeitsprozess und damit in den Betrieb eingegliedert, so müsse diese Beschäftigung ungeachtet ihrer Bezeichnung nicht als Volontariat, sondern als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden.

S. P. habe als einzige Verkaufskraft im Geschäft des Beschwerdeführers eine vollwertige Arbeitsleistung erbracht, die dem Beschwerdeführer als Dienstgeber zu Gute gekommen sei. Das Geschäft werde im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt. Die Verkaufstätigkeit sei eine einfache angelernte Tätigkeit, die nach § 3 Abs. 5 lit. a AuslBG nicht als Volontariat gelte. S. P. sei so in den Betrieb eingegliedert gewesen, dass "ein objektiver Beobachter sie für eine rechtmäßige Dienstnehmerin des (Beschwerdeführers) gehalten hätte." Sie habe Kunden beraten, bedient und kassiert. Sie sei sowohl an Arbeitszeiten als auch an den durch das Geschäft festgelegten Arbeitsort gebunden gewesen. Obwohl sie vom Beschwerdeführer nur EUR 60,-- erhalten habe, habe sie Anspruch auf Entlohnung ihrer Tätigkeit nach dem Kollektivvertrag. Es gelte das Anspruchslohnprinzip. Am Tag ihrer Betretung (), ein Freitag, habe S. P. den ganzen Tag im Geschäft des Beschwerdeführers gearbeitet. Die Aussage des Beschwerdeführers, wonach sie möglicherweise im Geschäft gewesen sei, "um dort etwas zu kaufen und vielleicht Frau H. auf der Toilette war", sei eine Schutzbehauptung und stehe im Widerspruch zur dienstlichen Wahrnehmung des Finanzbeamten, der sogar selbst ein Getränk bei S. P. gekauft habe. S. P. sei als Dienstnehmerin und nicht als Volontärin des Beschwerdeführers beschäftigt gewesen. Von der Befragung der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeuginnen sei Abstand genommen worden, weil es sich bei dem genannten Beweisthema um eine Rechtsfrage handle.

Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei durch die Überprüfung und nachträgliche Bearbeitung ein erheblicher Mehraufwand entstanden. Bisher sei auch keine Nachmeldung der S. P. als Dienstnehmerin für den Zeitraum der tatsächlichen Beschäftigung erfolgt. Man könne nicht mehr von unbedeutenden Folgen (der unterbliebenen Meldung) sprechen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe "allein auf Grund des festgestellten Willens von Frau P., sie wolle sich als Dienstnehmerin sehen, ein Dienstverhältnis und kein Volontariat" angenommen, obwohl ein Volontariatsvertrag vorliege. Ein Dienstverhältnis könne nur bei entsprechender Willensübereinkunft vorliegen.

Diese Ausführungen sind unzutreffend. S. P. war den Feststellungen zufolge am 22. Oktober und am (tageweise) im Geschäft des Beschwerdeführers als Verkäuferin beschäftigt. Bei einfach manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0129). Ausgehend von den Feststellungen handelt es sich im vorliegenden Fall um (tageweise) Dienstverhältnisse im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Volontariatsvereinbarungen entsprechen nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit der S. P. und sind iSd § 539a Abs. 1 ASVG nicht maßgebend, zumal nicht einmal ansatzweise zu erkennen ist, in welcher Weise die Beschäftigung der S. P. als Hilfskraft Zwecken ihrer Ausbildung und nicht in erster Linie Betriebsinteressen gedient haben soll (vgl. zu den Kriterien der Tätigkeit eines Volontärs das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0015, mwN).

Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie die beantragten Zeugen H. H. und T. S. nicht vernommen hat, keine Verfahrensvorschriften verletzt, weil das Beweisthema ("dass Frau S. P. nicht bei mir in irgendeiner Weise Dienstnehmerin war") keinen Sachverhalt, sondern eine rechtliche Beurteilung darstellt. Bei den in der Beschwerde genannten weiteren Beweisthemen ("ob und allenfalls wann Frau P. im Geschäft anwesend war und vor allem, ob sie als Volontärin anwesend war oder als Dienstnehmerin", "ob das Geschäft tatsächlich solange geöffnet ist", "wann und zu welchen Zeiten die Zeuginnen H. H. und T. S. als Verkäuferinnen im Geschäft tätig waren" etc. handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen (§ 41 Abs. 1 VwGG) bzw. um unzulässige Ausforschungsbeweise. Auch mit dem Hinweis, dass S. P. in ihrer Anzeige vom angegeben habe, dass der ihr "letzter Arbeitstag" gewesen sei, vermag die Beschwerde keinen Verfahrensmangel in Form einer unschlüssigen Beweiswürdigung aufzuzeigen, zumal sich die belangte Behörde bei den späteren Tätigkeiten der S. P. auf die Angaben der Organe der KIAB stützen konnte und der Beschwerdeführer selbst vorgebracht hat, am - sohin nach der genannten Anzeige - eine auf weitere Tätigkeiten bezogene Volontariatsvereinbarung mit S. P. getroffen und am die beschriebene Erklärung abgegeben zu haben.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, die belangte Behörde hätte "die Bestimmungen über die außerordentliche Milderung des Beitragszuschlages überhaupt nicht angewendet". Dies stelle einen "an Willkür grenzenden Ermessensmissbrauch dar".

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das typische Bild eines Meldeverstoßes vorliegt, wenn die Anmeldung des Dienstnehmers zum Zeitpunkt der Kontrolle noch nicht nachgeholt worden ist. Die Folgen des Meldeverstoßes in einem solchen Fall sind nicht als unbedeutend anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0125). Der Beschwerdeführer hat auch keine die rechtzeitige Meldung hindernden Umstände aufgezeigt, die den Fall als besonders berücksichtigungswürdig im Sinn des vierten Satzes des § 113 Abs. 2 ASVG erscheinen lassen könnten.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über einen weiteren Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2011080161.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAE-86396