VwGH vom 23.03.2012, 2009/02/0266
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der N R in M, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer Rechtsanwalt GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 65-362/2009 (richtig wohl: Zl. MA 65-361/2009), betreffend Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung - soweit sich diese auf Gemeindestraßen bezieht - von der im 4./5. Wiener Gemeindebezirk geltenden höchstzulässigen Parkdauer von 2 Stunden (Kurzparkzone) in der Zeit von Montag bis Freitag (werktags) von 9.00 Uhr bis 22.00 Uhr für ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gemäß § 45 Abs. 2 StVO 1960 abgewiesen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe ein erhebliches wirtschaftliches Interesse geltend gemacht und vorgebracht, sie sei seit in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. B. GmbH als Kanzleileiterin beschäftigt. Diese habe als Arbeitgeberin aufgrund der "unüblich langen" Arbeitszeit der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf deren Wohnsitz außerhalb Wiens, ein Firmenfahrzeug angeschafft (Zulassungsdatum ), und es ihr für die An- und Abreise zum bzw. vom Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Durch die geplante Verlegung ihres Wohnsitzes nach M. werde sich die Situation noch verschärfen. Diese Vorgangsweise sei im Hinblick darauf gewählt worden, dass die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel wegen der unregelmäßigen und mitunter nicht vorhersehbaren Arbeitszeiten der Beschwerdeführerin nicht in Frage käme. Nicht zuletzt auch wegen der Untunlichkeit der Inanspruchnahme von "park and ride Anlagen" am Stadtrand sei die Gewährung der Ausnahme vonnöten.
Im Zuge des Berufungsverfahrens sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, ihr rechtliches Interesse an der Gewährung der Ausnahmebewilligung darzulegen und hiezu insbesondere nachvollziehbar auszuführen, wie sie ihr Parkproblem bisher, das heißt seitdem ihr das Dienstfahrzeug zur Verfügung stehe, gelöst habe. Dieser Anleitung, die Ausnahmesituation konkreter darzustellen und zu belegen, habe die Beschwerdeführerin insoweit entsprochen, als sie angegeben habe, das Problem sei bis dato ungelöst und erscheine nur durch die Gewährung einer Ausnahme von der Parkzeitbeschränkung wirtschaftlich lösbar. Durch die Nichterteilung sei bereits ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden, der sich mit Zeitablauf noch vergrößere.
Aus dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin lasse sich nicht einmal ansatzweise ergründen, wie sie das Problem ihrer täglichen Zu- und Abreise zur bzw. von der Arbeitsstelle vom bzw. zu ihrem Wohnsitz seit Beginn ihrer Tätigkeit als Kanzleileiterin seit Anschaffung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges gelöst habe, weil bereits damals die Parkraumbewirtschaftung für den
4. Bezirk (Sitz der Rechtsanwaltskanzlei) in Kraft gewesen sei. Zufolge der Nichtbekanntgabe dieses Sachverhaltes sei auch eine vergleichende Betrachtung der persönlichen Situation der Einschreiterin mit und ohne Ausnahmegenehmigung nicht möglich und es seien der entscheidenden Behörde jegliche Maßstäbe zur Prüfung der Angemessenheit des verfahrensgegenständlichen Antrages entzogen. Soweit die Beschwerdeführerin im ergänzenden Berufungsvorbringen auch darauf verweise, dass sie während der Dienstzeit Fahrten zu Gerichten und Behörden unternehmen müsse, daher auch untertags auf ihr Fahrzeug angewiesen sei und auch dies der angeführten Lösung mittels Park Ride entgegen stehe, sei eine derartige zusätzliche Verwendung untertags nicht quantifiziert worden. Die Verwendung von öffentlichen Verkehrsmittel bzw. Taxis könne daher nicht von vornherein als unmögliche oder unzumutbare Alternative ausgeschlossen werden. Abgesehen davon hätte die Beschwerdeführerin auch unter Annahme der Gewährung einer Ausnahmebewilligung keineswegs eine Garantie, stets einen freien Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes vorzufinden. Die Zufahrt und das Abstellen - sowie die Ladetätigkeit - bis zu 2 Stunden sei im Rahmen der bestehenden Kurzparkzone weiterhin möglich. Weder das Vorbringen im Antrag noch in der Berufung habe ergeben, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung vorlägen, sodass die Abweisung des diesbezüglichen Antrages durch die Behörde erster Instanz zu Recht erfolgt und der angefochtene Bescheid zu bestätigen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 45 Abs. 2 StVO 1960 kann die Behörde in anderen als den im Abs. 1 bezeichneten Fällen Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straße gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu erwarten ist.
Nach § 45 Abs. 4a leg. cit. kann eine Bewilligung für die in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z 1 angegebenen Kurzparkzonen auf die Dauer von höchstens zwei Jahren im notwendigen zeitlichen Ausmaß erteilt werden, wenn der Antragsteller zu dem in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z. 2 umschriebenen Personenkreis gehört und
1. Zulassungsbesitzer oder Leasingnehmer eines Kraftwagens ist, oder nachweislich einen arbeitgebereigenen Kraftwagen beruflich benützt, und
2. entweder die Tätigkeit des Antragstellers ohne Bewilligung erheblich erschwert oder unmöglich wäre, oder die Erteilung der Bewilligung im Interesse der Nahversorgung liegt.
§ 45 Abs. 2 StVO 1960 sieht zwei unterschiedliche Kategorien von Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme vor, von denen eine nur alternativ zu erfüllen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind nämlich einerseits, wie aus dem Worte "oder" hervorgeht, insofern alternativ gefasst, als eine Ausnahme zu bewilligen ist, wenn ein erhebliches persönliches oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen, andererseits darf aber in allen Fällen keine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu erwarten sein. Der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist demnach bereits dann abzuweisen, wenn sich bei Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen ergibt, dass schon das Vorliegen eines erheblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers oder ein besonderes Erschwernis in der Durchführung der Aufgaben zu verneinen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/03/0215).
Weiters entspricht es der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/03/0109), dass bei der Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 ein strenger Maßstab anzulegen und eine solche daher nur bei Vorliegen von gravierenden, den Antragsteller außergewöhnlich hart treffenden Gründen zu erteilen ist.
Von da her gesehen war es nicht rechtswidrig, der Beschwerdeführerin die angestrebte Ausnahmebewilligung zu versagen. Unter Zugrundelegung des so geforderten "strengen Maßstabes" ist es nämlich nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Möglichkeit verwies, bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit durch die Beschwerdeführerin bestehe die Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Dazu kommt, dass auch in gleicher Weise die Beförderung durch ein Taxi in Betracht kommt. Schließlich darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass die Beschwerdeführerin nicht behauptet und unter Beweis gestellt hat, dass sie nicht imstande sei, in angemessener Entfernung zum Kanzleisitz ihrer Arbeitgeberin einen Abstellplatz zu mieten. Durch eine derartige Vorgehensweise wäre des Parkproblem der Beschwerdeführerin gelöst und auch den Argumenten, aufgrund ihrer unregelmäßigen Arbeitszeit, die zeitweise erst in der Nacht ende, sei ihr die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich, die Verwendung von Park Ride Anlagen würde zu einer Tagesfahrzeit von insgesamt rund 3 ½ Stunden führen und das Ausfüllen von Parkscheinen während des gesamten Arbeitstages sei ihr auf Dauer wirtschaftlich nicht zumutbar, der Boden entzogen.
Auch aus dem Umstand, dass anderen Antragstellern bei ähnlichen Voraussetzungen eine Ausnahmebewilligung erteilt worden sei, lässt sich für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewinnen, weil ihr die Berechtigungen Dritter keine subjektiven Rechte zu vermitteln vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0057).
Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, die belangte Behörde könne auch eine Bewilligung nach § 45 Abs. 4a StVO 1960 erteilen, sei jedoch zu Unrecht auf ihr im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren darauf gerichtetes Vorbringen inhaltlich nicht eingegangen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass "Sache" des Berufungsverfahrens (§ 66 Abs. 4 AVG) grundsätzlich die Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs der Behörde erster Instanz gebildet hat (vgl. dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl. 2002/03/0203). Im vorliegenden Fall war "Sache" des Berufungsverfahrens die - allein auf die Bestimmung des § 45 Abs. 2 StVO 1960 gegründete - Versagung der beantragten Ausnahmebewilligung durch die Erstbehörde. Eine Abweisung der - entgegen der aktenwidrigen Behauptung der belangten Behörde in der Gegenschrift - ebenfalls beantragten Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4a StVO 1960, die an die Erfüllung anderer Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft ist und damit keine untrennbare Einheit mit dem erledigten Teil des Ansuchens der Beschwerdeführerin bildet, erfolge nicht, sodass es sich erübrigt, auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften das Vorliegen von Verfahrensmängeln rügt, entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0066), dass allfällige Verfahrensfehler der Behörde nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die Behörde bei deren Unterbleiben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Relevanz des Verfahrensstoßes darzutun, ist Sache des Beschwerdeführers, er hat durch konkretes tatsächliches Vorbringen in der Beschwerde anzuführen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können. Im vorliegenden Fall unterlässt es die Beschwerdeführerin allerdings, jene weiteren Beweisergebnisse anzuführen, die sie - hätte ihr die belangte Behörde entsprechend ihrem Vorbringen hiezu (ausdrücklich) Gelegenheit geboten - noch für sich ins Treffen führen hätte können. Von daher gesehen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde entsprechend den von ihr in der Begründung des angefochtenen Bescheides getroffenen, auf einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen der Beschwerdeführerin die angestrebte Bewilligung zu Unrecht verweigert hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 95/02/0532, 0533).
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und weil dem Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entgegensteht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
VAAAE-86384