VwGH vom 25.06.2010, 2009/02/0240
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des G B in T, vertreten durch die Dr. Franz P. Oberlercher Rechtsanwaltgesellschaft mbH, 9800 Spittal an der Drau, Bernhardtgasse 4/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-159/13/2009, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am gegen 22:08 Uhr an einem näher genannten Ort einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW gelenkt und habe einen Unfall verursacht; im Zuge der Unfallsaufnahme sei festgestellt worden, dass er den PKW vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe und sich gegenüber dem einschreitenden und besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Polizeibeiamten geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von EUR 1.162,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen) verhängt.
In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder und setzte sich im Wesentlichen mit der einzig strittigen Frage auseinander, ob der Beschwerdeführer während der Amtshandlung unmittelbar nach dem Unfall und insbesondere zum Zeitpunkt der behaupteten Aufforderung, sich einem Alkotest zu unterziehen, auf Grund einer akuten Belastungsreaktion, resultierend aus dem unmittelbar vorangegangenen schweren Unfall, wegen gegebener massiver Einschränkung seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit die Aufforderungen der Polizeibeamten und auch seine eigenen Antworten hierauf nicht habe erfassen und deren Tragweite nicht habe verstehen können.
Die objektive Tatseite der Verweigerung der Atemluftuntersuchung habe der Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt, auch die Verweigerung durch ihn sei nicht ausdrücklich bestritten worden. Der Beschwerdeführer habe mehrere Male ein situationsbezogenes Verhalten an den Tag gelegt. So habe er direkt nach dem Unfall noch an Ort und Stelle des Geschehens auf die Frage eines Beamten, ob sich noch jemand im Fahrzeug befinde und wie der Unfall passiert sei, geantwortet, dass niemand mehr im Fahrzeug sei und dass er seine Beifahrerin aus dem Fahrzeug herausgezogen habe. Auch sei von ihm die Frage nach seiner Lenkereigenschaft bejaht worden. Weiters habe der Beschwerdeführer auch die Frage, ob er verletzt sei verneint. Der Beschwerdeführer sei beim Unfall auch tatsächlich nicht verletzt worden. Weiters habe der Beschwerdeführer über Befragen eines Beamten seinen Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum und über Befragen nach dem Alkoholkonsum angegeben, ein großes Bier getrunken zu haben. Die Aufforderung zur Durchführung eines Alkotests sei von ihm schließlich mit den Worten: "Ich mache gar nichts" und dem Hinweis, zu seiner Freundin ins Krankenhaus zu wollen, verweigert worden. Von einer Polizeibeamtin sei angegeben worden, dass der Beschwerdeführer auf sie ganz normal gewirkt habe und sie habe auch keine Anzeichen eines Schocks feststellen können. Der Beschwerdeführer habe offenbar auch bei dem vor Ort befindlichen Rettungsarzt und bei den Sanitätern nicht den Eindruck einer Schockreaktion mit Verwirrtheit hinterlassen. Nach ständiger Rechtsprechung könne schon auf Grund eines situationsbezogenen Verhaltens eines Beschuldigten dessen Zurechnungsfähigkeit bejaht werden, ohne dass es hiezu der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe.
Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten psychiatrischen Fachgutachten vom hielt die belangte Behörde fest, dass der Gutachter darin zur abschließenden Beurteilung gelange, dass der Beschwerdeführer "unter Berücksichtigung aller objektiv erhobenen Befunde und der Diagnose einer akuten Belastungsreaktion" die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zumindest einige Stunden nach dem Unfall nicht aufgewiesen habe, sein Handeln und Denken sei während dieses Zustandes soweit eingeschränkt gewesen, dass er auch die Tragweite der Verweigerung des Auftrages, sich einer Alkoholuntersuchung zu unterziehen, nicht habe erkennen können. Diese Beurteilung des Sachverständigen, die nachträglich erfolgt sei, sei auf Grund des situationsbezogenen Verhaltens des Beschwerdeführers als widerlegt anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Dazu hat der Beschwerdeführer eine Äußerung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, die von der belangten Behörde herangezogene Rechtsprechung zum situationsbezogenen Verhalten sei vor dem Hintergrund des psychiatrischen Fachgutachtens denkunmöglich angewendet worden.
In der vom Beschwerdeführer zitierten Rechtsprechung heißt es, dass es schon auf Grund eines situationsbezogenen Verhaltens eines Probanden entbehrlich ist, ein ärztliches Sachverständigengutachten über die Zurechnungsfähigkeit einzuholen und es deshalb zulässig ist, diese zu bejahen (vgl. die Erkenntnisse vom , 2006/02/0196, mwN, und vom , Zl. 2008/02/0084, mwN).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und angesichts der unbestrittenen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer auf Fragen der einschreitenden Beamten der Situation angepasst geantwortet hat und auch keinerlei Hinweis auf einen psychischen Ausnahmezustand gemacht hat, war die Einholung eines Gutachtens durch die belangte Behörde entbehrlich. Ein allenfalls später eingetretener Verwirrtheitszustand des Beschwerdeführers vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Sachverständigengutachten beruht auf einer nachträglichen Einschätzung seines Zustandes, die sein festgestelltes situationsbezogenens Verhalten vollständig außer Acht lässt, weshalb die vom Sachverständigen gezogenen Rückschlüsse von der belangten Behörde zutreffend nicht ihren Feststellungen zu Grunde gelegt wurden.
Hinsichtlich der gerügten Unterlassung der Einvernahme der am Unfallort anwesend gewesenen Ärzte und Sanitäter vermag der Beschwerdeführer die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-86366