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VwGH vom 20.03.2009, 2006/17/0063

VwGH vom 20.03.2009, 2006/17/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der E - NH - WGW in G, vertreten durch Dr. Andreas Konrad & Mag. Johannes Schröttner OEG, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Radetzkystraße 6/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A8-K-114/2005- 01, betreffend Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin errichtete auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Graz eine Wohnanlage mit 40 Wohneinheiten, einer Tiefgarage sowie Pkw-Stellplätzen im Freien.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom wurde der Beschwerdeführerin für diese Liegenschaft ein Kanalisationsbeitrag in Höhe von EUR 164.508,63 (einschließlich 10 % Umsatzsteuer) zur Zahlung vorgeschrieben. Dabei wurde eine verbaute Grundfläche von insgesamt 2.064,2272 m2 und ein Geschoßfaktor von 3,5 (ein Kellergeschoß und drei Vollgeschoße) zu Grunde gelegt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es seien nur zwei Vollgeschoße baubehördlich bewilligt und laut beiliegenden Fotos ausgeführt worden.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag. Darin wandte sie sich gegen die Beurteilung des Podests einer zur Dachterrasse führenden Treppe als eigenes Geschoß sowie die dafür erfolgte Heranziehung des Geschoßfaktors 1. Sie vertrat den Standpunkt, dass selbst wenn dieser "Stiegenaufsatz" als Geschoß zu qualifizieren wäre, nur der Multiplikator 0,5 heranzuziehen wäre, weil es sich dann um ein Dachgeschoß handeln müsste. Es könne nicht angehen, dass ein "winzig kleiner Stiegenhausaufsatz" als volles Geschoß, ein Dachboden bzw. Kellergeschoß jedoch nur als halbes Geschoß gelte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte begründend nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, aus den Einreichplänen sei ersichtlich, dass die jeweiligen Wohnungen über ein eigenes Stiegenhaus zu erreichen seien. Ebenso komme man zu den Dachterrassen nur über das Stiegenhaus. Dieses habe Außengrundmaße von 270 x 435 cm und sei 865 cm hoch. Vom Obergeschoß des Stiegenhauses, welches eine Ebene mit dem Obergeschoß der Wohnungen bilde, führe eine Treppe zu Terrassen, welche sich auf dem Dach befänden. Diese Terrassen selbst seien durch eine Glastüre erreichbar und befänden sich zur Gänze im Freien. Da die Terrassen lediglich über ein Glasdach verfügten, im Übrigen aber an keiner Seite (vollständig) von Wänden oder dergleichen umschlossen seien, bildeten die Terrassen kein Geschoß im Sinne des Kanalabgabengesetzes.

Verfahrensgegenständlich seien nur die im jeweiligen Einreichplan so genannten "Dachaufbauten", also jener Bereich des Stiegenhauses, der vom jeweiligen Obergeschoß über eine Treppe zu einer Fläche im Ausmaß von 250 x 120 cm führe und über eine weitere Treppe zum Ausgang auf die Dachterrassen. Die "Dachaufbauten" (in weiterer Folge werde zur Beurteilung, ob die Fläche im Ausmaß von ca. 250 x 120 cm geschoßbildend sei, der Terminus "Dachaufbau" verwendet; die Beschwerdeführerin nenne diese Fläche "Stiegenaufbau") hätten in allen Gebäuden die gleichen Ausmaße und die vom Gesetz geforderte Raumhöhe. Wenn in weiterer Folge von Obergeschoß die Rede sei, so sei damit nur der verfahrensgegenständliche Bereich des Stiegenhauses gemeint, nicht jedoch der Wohnbereich.

Der "Dachaufbau" stelle keinen erhöhten Raumteil des ersten Obergeschoßes dar, sondern bilde einen eigenen Raum, welcher nach fünf Seiten geschlossen und nach einer Seite (nämlich zu der den Stiegen zugewandten) offen sei. Der gegenständliche "Dachaufbau" sei durchaus mit einer Galerie zu vergleichen. Er bilde mit seinem Boden (nicht zur Gänze) die Decke für das Obergeschoß. Auch dass das Obergeschoß durch den "Dachaufbau" durchgehend horizontal geteilt sei, spreche dafür, dass der den Raum teilende "Dachaufbau" ein weiteres Geschoß darstelle, zumal die geforderten Raumhöhen eingehalten würden.

Die Tatsache, dass nicht eine Art Wendeltreppe zur Dachterrasse führe, sondern der Stufenfluss durch eine erweiterte (Tritt-)Fläche getrennt werde, spreche für das Vorliegen eines weiteren Geschoßes, zumal dadurch eine intensivere Nutzung des Gebäudes gegeben sei. Der "Dachaufbau" ermögliche auch das Abstellen diverser Gegenstände oder Pflanzen bzw. er mache die Nutzung der den Wohnungen zugewiesenen Dachterrassen überhaupt erst möglich. Nach allgemeiner Erfahrung verursache der "Dachaufbau" auch einen erhöhten Abwasseranfall auf der Gesamtliegenschaft - einerseits durch die vergrößerte Reinigungsfläche (Fußboden, Stiegen, Fensterfront, etc.), andererseits durch die Benützung der Dachterrassen. Auch die Beschwerdeführerin sei in ihrem Vorlageantrag davon ausgegangen, dass es sich bei dem Stiegenhaus um einen Raum handle. Bei diesem Raum handle es sich auch nicht um ein Dachgeschoß, weil die gegenständlichen Bauwerke nicht mit einem Spitzdach abgeschlossen seien, sondern mit einem Flachdach. Dieser "Dachaufbau" sei weder ein oberstes Geschoß innerhalb eines Daches noch sei sonst eine verringerte Nutzungsmöglichkeit dieses Raums durch Dachschrägen gegeben. Daher sei auch der Faktor von 0,5 nicht heranzuziehen gewesen. Dass der Geschoßnutzen eingeschränkt wäre, mache die Beschwerdeführerin nicht geltend. Mit dem "Dachaufbau" sei eine intensivere Nutzung der gesamten baulichen Anlage verbunden (Nutzung des Daches als Terrasse), welche in typisierender Betrachtungsweise auch zu einem erhöhten Abwasseranfall auf der Gesamtliegenschaft führe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Kanalabgabengesetz 1955 (in der Folge: Stmk KanalAbgG), LGBl. Nr. 71/1955 idF LGBl. Nr. 40/1971, werden die Gemeinden des Landes Steiermark, welche öffentliche Kanalanlagen zur Ableitung von Abwässern errichten und betreiben, auf Grund des § 8 Abs. 5 des Finanzverfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, durch Beschluss des Gemeinderates eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben.

Nach § 4 Abs. 1 Stmk KanalAbgG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 81/2005 bestimmt sich die Höhe des Kanalisationsbeitrages aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (§ 4 Abs. 2), wobei Dachgeschoße und Kellergeschoße je zur Hälfte eingerechnet werden.

Im Beschwerdefall verfügt die Wohnhausanlage der Beschwerdeführerin über Stiegenhäuser, welche den Zugang zu den Dachterrassen ermöglichen. Dabei sind die Treppen oberhalb des 1. Obergeschoßes dermaßen gestaltet, dass der 120 cm breite Treppenlauf zunächst im rechten Winkel zur senkrechten Glasfront, welche das Stiegenhaus begrenzt, ausgerichtet ist und nach dem Erreichen eines Treppenpodests von 250 x 120 cm in derselben Breite in die entgegengesetzte Richtung weitergeführt wird bis ein weiteres kleineres Podest (das zur Abgabenbemessung nicht herangezogen wurde) erreicht wird, von dem aus die Dachterrassen betreten werden können. Zwischen den in entgegengesetzten Richtungen führenden Treppenläufen befindet sich ein Luftraum vom 10 x 278 cm.

Strittig ist ausschließlich, ob das Treppenpodest zwischen den beiden gegenläufigen Treppenläufen oberhalb des 1. Obergeschoßes bei der Bemessung des Kanalisationsbeitrages als eigenes Geschoß anzusehen und mit dem Geschoßfaktor 1 zu bewerten ist.

Für die Auslegung des Begriffes "Geschoß" ist zunächst von der im Sprachgebrauch üblichen Bedeutung der Worte auszugehen. So findet sich bei Koepf, Bildwörterbuch der Architektur4, für "Geschoß" die Begriffsdeutung "ein durch Decken begrenzter Ausschnitt eines Gebäudes". Unter "Treppenabsatz" versteht Koepf ein zwischen zwei Läufen einer Treppe eingefügtes Podest. Hinsichtlich der "Treppenformen" führt Koepf aus, dass eine Treppe einläufig, also ohne Absatz (Podest) von Geschoß zu Geschoß führen könne. Sie könne aber auch mehrläufig sein und bei den Podesten ihre Richtung ändern.

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass eine durchgehende horizontale Teilung des Gesamtraumes durch die zweite Geschoßebene keine Voraussetzung für das Vorliegen mehrerer Geschoße bildet. Auch steht das Vorhandensein von Lufträumen, welche eine Sicht auf das darunter liegende Geschoß gewähren, der Beurteilung sog. "Galerien" als eigenes Geschoß nicht entgegen. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Errichtung dieser "Galerien" eine intensivere Nutzung des Gebäudes (etwa durch die Vergrößerung der Wohnfläche) erlaubt, welche in typisierender Betrachtungsweise (unabhängig davon, ob ein einzelnes Geschoß über eine Verbindung zum Kanalnetz verfügt) zu einem erhöhten Abwasseranfall auf der Gesamtliegenschaft führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/17/0304, mwN).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde eine rechteckige Fläche, deren kürzere Seitenlänge der einfachen Breite des Treppenlaufs und deren längere Seitenlänge dem Doppelten der Breite des Treppenlaufs (zuzüglich des Treppenauges) entspricht, als zusätzliches Geschoß beurteilt. Dabei übersieht sie aber, dass es sich dabei lediglich um einen Teil der Treppe, nämlich um einen Treppenabsatz (Treppenpodest) handelt, welcher es erlaubt, den Treppenlauf in der Folge in die entgegengesetzte Richtung zu lenken. Dass einer solchen Fläche eine einer "Galerie" vergleichbare Bedeutung zukäme, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Ansicht der belangten Behörde, dass eine zweiläufige Treppe mit einem gemeinsamen Stiegenpodest eine intensivere Nutzung des Gebäudes (welche zu einem erhöhten Abwasseranfall auf der Gesamtliegenschaft führen würde) zur Folge hätte, als etwa eine Wendeltreppe (oder eine einläufige Treppe) nicht nachvollzogen werden. Daran vermag auch der Umstand, dass das Treppenpodest auch zum Abstellen von Topfpflanzen Verwendung finden kann (wie sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Bildern ergibt), nichts zu ändern, lassen sich solche doch in der Regel auch auf den Trittstufen einer Treppe unterbringen (vgl. ebenfalls die genannten Bilder), ohne dass diese dadurch als eigene Geschoße angesehen werden würden. Auch dass die Treppen die Nutzung der Dachterrassen erst ermöglichen, erlaubt noch nicht, deren Podeste als eigene Geschoße in die Abgabenbemessung einzubeziehen.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer abgegolten wird.

Wien, am