zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 07.10.2013, 2013/17/0350

VwGH vom 07.10.2013, 2013/17/0350

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-301181/13/WEI/ER/Ba, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: E P in W, vertreten durch Haslinger / Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bundpolizeidirektion Linz vom wurde die Mitbeteiligte als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher genannten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 und 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von EUR 7.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) wegen des Betriebes von sechs Glücksspielgeräten verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis Folge, hob dieses auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein.

In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass "der verfahrensgegenständliche Sachverhalt (…) grundsätzlich dem Tatbestand des § 168 Abs 1 StGB zu unterstellen und nach dem § 168 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 StGB gerichtlich strafbar" sei. Auch wenn die gegenständlichen Geräte nicht mit funktionierender "Automatik-Start-Taste" ausgestattet gewesen seien, verleite der sekundenschnelle Ablauf eines Einzelspiels, an das so lange - durch je einen Tastendruck - erneut Spiele gereiht werden könnten, bis das Spielguthaben aufgebraucht sei, zu Serienspielen in gewinnsüchtiger Absicht. In Hinblick auf die im vorliegenden Fall gegebene gerichtliche Strafbarkeit könne daher auf Grund der Subsidiarität der glücksspielrechtlichen Verwaltungsstrafbestimmungen keine strafbare Verwaltungsübertretung vorliegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Finanzen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift -, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei begehrte zudem Kostenersatz.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis B 422/2013 vom ausgesprochen, dass bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung des § 52 Abs. 2 GSpG darauf abzustellen sei, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht, dabei Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermögliche. Es komme also nicht darauf an, ob der jeweilige Spieler solche Einsätze tatsächlich leiste, sondern ob eine Glückspielveranstaltung mit einem Einsatz von über EUR 10,-- pro Spiel ermöglicht werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Auffassung im Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0249, angeschlossen. Er ist insoweit auch von der im hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2012/17/0365 und 0366, in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Subsidiarität der Straftatbestände des § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber der Strafbarkeit nach § 168 StGB geäußerten Rechtsauffassung abgegangen, wonach der Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens hinsichtlich jener Spiele, bei denen mit einem Einsatz von bis zu EUR 10,-- gespielt worden sei, Art. 4 7. ZPEMRK nicht entgegen stehe.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis B 422/2013 vom allerdings auch ausgesprochen hat, ergibt sich aus der verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs. 2 GSpG die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können, um beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GspG besteht.

Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Bescheid jedoch keine ausdrückliche Feststellung, ob eines auf den konkreten Glücksspielgeräten installierten Programme Spiele mit einem Einsatz von über EUR 10,-- ermöglichte, das heißt, welcher mögliche Höchsteinsatz an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten jeweils geleistet werden konnte. Ebenso sind die Ausführungen zu möglichen Serienspielen mangelhaft. So begründet die belangte Behörde die Annahme der Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB lediglich damit, dass der sekundenschnelle Ablauf eines Einzelspiels, an das so lange - durch je einen Tastendruck - erneut Spiele gereiht werden können, bis das Spielguthaben aufgebraucht ist, zu Serienspielen in gewinnsüchtiger Absicht verleiten würde, wobei die betreffenden Geräte nicht mit einer funktionierenden "Automatik-Start-Taste" ausgestattet gewesen seien. Diese Feststellung erweist sich als nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob im vorliegenden Fall Serienspiele veranlasst werden konnten.

Für eine solche Beurteilung wären insbesondere Feststellungen dahingehend zu treffen gewesen, ob die Rahmenbedingungen einen Spieler dazu verleiten, dass die Summe der von ihm im Verlaufe einer ganzen Spielveranstaltung eingesetzten Vermögenswerte nicht mehr gering ist bzw. ob Spieler vorsätzlich zu "Serienspielen" veranlasst werden sollten (vgl. etwa die 9 Os 137, 138/82, vom , 11 Os 39, 40/83 und vom , 12 Os 49, 50/02). Zu der von der belangten Behörde angesprochenen "gewinnsüchtigen Absicht" und damit anderer Tatbestandsmerkmale (§ 168 StGB) fehlen konkrete Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere etwa zu der Relation von Einsatz und Gewinn.

Auf Grundlage der im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen kann sohin die Frage der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 (Z 1) GspG und nach § 168 StGB nicht geklärt werden. Dadurch ist die Entscheidung der belangten Behörde, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Unterlässt die belangte Behörde ausgehend von einer sich als unzutreffend erweisenden Rechtsmeinung relevante Tatsachenfeststellungen, so liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ein Kostenzuspruch an die mitbeteiligte Partei kam gemäß § 47 Abs. 3 VwGG nicht in Betracht.

Wien, am