VwGH vom 25.06.2013, 2011/08/0139
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Ing. PD in Wien, vertreten durch Dr. Sabine Diener, Rechtsanwältin in 3003 Gablitz, Schiele-Gasse 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Wien vom , Zl. 2011-0566-9-000541, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom gewährte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien, Geiselbergstraße (im Folgenden: AMS), dem Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und 2 AlVG ab Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen. Am , dem Tag der Antragstellung, sei der Beschwerdeführer im 51. Lebensjahr gestanden. Er sei in den letzten 15 Jahren 4836 Tage arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe vom 20. September bis zum an einem ihm vom AMS zugewiesenen Kurs "JSI - Job Suche Intensiv" teilgenommen. Ab dem (bis zum ) habe er zudem den Kurs "Baumeister" des Wirtschaftsförderungsinstituts Wien (mit 16 Stunden pro Woche, jeweils Freitag von 14.00 bis 20.45 Uhr und Samstag vom 7.30 bis
17.20 Uhr, zuzüglich ca. 20 Lernstunden zu Hause) besucht. Dieser Besuch sei mit dem AMS vereinbart worden. Am sei in einer Niederschrift festgehalten worden, dass das AMS die Kosten für diesen Kurs übernehme, sofern der Beschwerdeführer seine Pflichten (u.a. die Übermittlung der Kursantrittserklärung) erfülle. Bereits am habe er vom AMS eine "Direkt-Verrechnungserklärung" für die Kurskosten erhalten und dazu sein Einverständnis gegeben. Er sei während der Kursteilnahme einer Vermittlung zur Verfügung gestanden und habe vor dem Ansuchen um Arbeitslosengeld das 50. Lebensjahr vollendet. Die Erstbehörde hätte den Baumeisterkurs einer Maßnahme iSd § 18 Abs. 6 AlVG (Arbeitsstiftung) gleichhalten müssen. Die Bezugsdauer müsse sich gemäß § 18 Abs. 5 Z 2 AlVG auf bis zu 209 Wochen verlängern.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Mit Mitteilung vom sei dem Beschwerdeführer vom 1. Jänner bis Arbeitslosengeld iHv EUR 44,70 täglich zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer habe über Auftrag des AMS vom bis zum an der arbeitsmarktpolitischen Maßnahme "Jobsuche intensiv mit EDV" teilgenommen. Für diesen Zeitraum sei sowohl das "Schulungsarbeitslosengeld" in Höhe von EUR 44,70 täglich sowie die Beihilfe zu den Kursnebenkosten in Höhe von EUR 1,23 täglich gewährt worden. Mit Mitteilung vom sei ihm für die Zeit vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 44,70 zuerkannt worden. Ein darauffolgender Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe sei mangels Notlage abgewiesen worden.
Mit Zustimmung des AMS habe der Beschwerdeführer auch an einem Kurs "Baumeister" des Wirtschaftsförderungsinstituts Wien (Wifi) mit einer Laufzeit vom bis zum teilgenommen. Dafür habe er vom AMS gemäß §§ 34 und 35 AMSG eine Förderung zur Bezahlung der Kurskosten in Höhe von insgesamt EUR 6.450,-- erhalten.
Gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. b AlVG stehe dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen zu. Die Bezugsdauer verlängere sich gemäß § 18 Abs. 4 iVm § 12 Abs. 5 AlVG um die Dauer der vom bis zum absolvierten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, sohin um 40 Tage bis zum . Der Beschwerdeführer habe mit Zustimmung, jedoch nicht im Auftrag des AMS an dem Kurs des Wifi teilgenommen. Deshalb könne § 18 Abs. 4 iVm § 12 Abs. 5 AlVG (Verlängerung der Bezugsdauer um die Zeit dieser Kursdauer) keine Anwendung finden. Aber auch eine Verlängerung der Bezugsdauer gemäß § 18 Abs. 5 AlVG sei nicht möglich. Diese setze eine "Arbeitsstiftung" im Sinn des § 18 Abs. 6 AlVG voraus, also eine vom Gesetzgeber privilegierte Form des Leistungsbezuges in Ausnahmefällen. Der Baumeisterkurs sei aber nur mit Zustimmung des AMS und jedenfalls nicht in Form einer "Arbeitsstiftung" absolviert worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer meint, er habe gemäß § 18 Abs. 5 iVm § 18 Abs. 6 AlVG Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Teilnahme am Baumeisterkurs des Wifi. Eine Arbeitsstiftung für Baumeister gebe es nicht. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, diese und die meisten anderen vom AMS empfohlenen Weiterbildungen im Rahmen einer Arbeitsstiftung zu absolvieren. Maßnahmen iSd § 18 Abs. 6 AlVG seien nicht nur Arbeitsstiftungen. Bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes dürfe nicht bloß der Veranstalter einer Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme darüber entscheidend sein, ob die Teilnahme an der Maßnahme vom AMS "unterstützt" wird oder nicht.
§ 18 AlVG lautet:
"§ 18. (1) Das Arbeitslosengeld wird für 20 Wochen gewährt. Es wird für 30 Wochen gewährt, wenn in den letzten fünf Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen in der Dauer von 156 Wochen nachgewiesen werden.
(2) Die Bezugsdauer erhöht sich
a) auf 39 Wochen, wenn in den letzten zehn Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 312 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 40. Lebensjahr vollendet hat,
b) auf 52 Wochen, wenn in den letzten 15 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 468 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 50. Lebensjahr vollendet hat,
c) auf 78 Wochen nach Absolvierung einer beruflichen Maßnahme der Rehabilitation aus der gesetzlichen Sozialversicherung, die nach dem begonnen hat.
(3) Bei der Festsetzung der Bezugsdauer sind die im § 14 Abs. 4 angeführten Zeiten zu berücksichtigen.
(4) Die Bezugsdauer verlängert sich um die Dauer der Teilnahme an Maßnahmen gemäß § 12 Abs. 5.
(5) Die Bezugsdauer verlängert sich um höchstens 156 Wochen um Zeiten, in denen der Arbeitslose an einer Maßnahme im Sinne des Abs. 6 teilnimmt. Diese Verlängerung kann um höchstens insgesamt 209 Wochen erfolgen,
1. wenn die Maßnahme in einer Ausbildung besteht, für die gesetzliche oder auf gesetzlicher Grundlage erlassene Vorschriften eine längere Dauer vorsehen, für die Zeit dieser Ausbildung;
2. wenn der Arbeitslose das 50. Lebensjahr vollendet hat und trotz Teilnahme an Maßnahmen im Sinne des Abs. 6 die Arbeitslosigkeit noch immer fortdauert oder wieder eingetreten ist.
Für Maßnahmen im Sinne des Abs. 6 kann das Ruhen des Arbeitslosengeldes wegen Ausbildung im Ausland (§ 16 Abs. 3) in besonders gelagerten Fällen über drei Monate hinaus nachgesehen werden.
(6) Eine Maßnahme im Sinne des Abs. 5 ist von der Landesgeschäftsstelle anzuerkennen, wenn
a) ein oder mehrere Unternehmen für arbeitslos gewordene Arbeitnehmer eine Einrichtung bereitstellen, die für die Planung und Durchführung von Maßnahmen der in lit. b genannten Art nach einem einheitlichen Konzept verantwortlich ist und diesem Konzept von den für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Dienstgeber und Dienstnehmer zugestimmt worden ist,
b) es sich um Maßnahmen handelt, die dem Arbeitslosen die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes insbesondere durch eine Ausbildung oder Weiterbildung im Rahmen des Unternehmens, der Einrichtung oder von anderen Schulungseinrichtungen erleichtern sollen und nach dem Inhalt und nach den angestrebten Zielen den arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen dienen,
c) die Maßnahme eine Vollauslastung des Arbeitslosen gleich einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Freizeiten, üblichen Urlaubsansprüchen u. dgl. bewirkt, oder bei Arbeitslosen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, an die Stelle der Vollauslastung eine intensive Betreuung durch die Einrichtung mit dem Ziel der Beendigung der Arbeitslosigkeit tritt,
d) die Realisierung des Konzeptes unter Bedachtnahme auf lit. a und b durch ausreichende Bereitstellung der finanziellen, organisatorischen, sachlichen und personellen Voraussetzungen von der Einrichtung sichergestellt ist, und
e) dem Arbeitslosen eine Zuschußleistung vom Träger der Einrichtung während seiner Zugehörigkeit zu ihr gewährt wird.
(7) Anstelle eines Unternehmens kann die Einrichtung im Sinne des Abs. 6 lit. a auch bereitgestellt werden
1. durch eine Gebietskörperschaft oder eine andere geeignete juristische Person, wenn ein Unternehmen infolge von Insolvenztatbeständen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 324/1977, oder aus anderen schwerwiegenden Gründen dazu nicht in der Lage ist, oder
2. durch die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitgeber im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten in bestimmten Wirtschaftszweigen oder
3. durch die kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber oder auch der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten vor allem zur Ausbildung junger Arbeitsloser.
(8) Vor der Festsetzung der Zuschussleistung im Sinne des Abs. 6 lit. e sind die in Betracht kommenden kollektivvertraglichen Körperschaften der Dienstgeber und der Dienstnehmer anzuhören, wenn dieser nicht bereits im Rahmen des Konzeptes gemäß Abs. 6 lit. a zugestimmt worden ist.
(9) Die Maßnahme ist mit Bescheid anzuerkennen, wobei nur das betreffende Unternehmen oder die Einrichtung, sofern sie Rechtspersönlichkeit besitzt, Parteistellung hat. Die Anerkennung der Maßnahme kann mit Auflagen verbunden werden, die der Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen dienen.
(10) Arbeitslosengeld mit Verlängerung der Bezugsdauer gemäß Abs. 5 ist zu gewähren, wenn der Arbeitslose an einer von der Landesgeschäftsstelle anerkannten Maßnahme einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation teilnimmt. Die Maßnahme ist bei Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 6 lit. b und c mit Bescheid anzuerkennen, wobei nur die Einrichtung, die sie durchführt, Parteistellung hat."
Der vom Beschwerdeführer an Wochenenden absolvierte Kurs "Baumeister" beim Wifi (der offensichtlich keine der in § 18 Abs. 6 AlVG genannten Kriterien erfüllen kann) ist bisher von der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices nicht als Maßnahme im Sinn des § 18 Abs. 5 AlVG anerkannt worden (vgl. zum Anerkennungsvorgang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0195). Schon aus diesem Grund kommt dem Begehren, die Bezugsdauer sei gemäß § 18 Abs. 5 Z 2 AlVG um Zeiten, in denen der Beschwerdeführer an dem Baumeisterkurs des Wifi teilgenommen hat, zu verlängern, keine Berechtigung zu. Der in der Beschwerde erstmals aufgestellten Behauptung, der Beschwerdeführer sei vom AMS (im Sinne einer Vorschreibung der Teilnahme an einer Maßnahme zu Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt) verpflichtet worden, "eine Fort- oder Weiterbildung zu machen, um mit höherer Qualifikation bessere Berufsaussichten zu haben", steht das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) entgegen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993, (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072).
Dieser Umstand liegt aber auch hier vor, weil die Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen hat, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am