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VwGH vom 15.05.2013, 2011/08/0128

VwGH vom 15.05.2013, 2011/08/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des GS in L, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Sylvia Schrattenecker, Rechtsanwälte in 4490 St. Florian, Marktplatz 10, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2011-0566-4-000315-11, betreffend Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde "das Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 731,64 für den Zeitraum von vier Wochen (vom bis )" vom Beschwerdeführer zurückgefordert.

Der Beschwerdeführer beziehe seit dem von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz (AMS) Arbeitslosengeld. Am um 16.20 Uhr sei er von Organen des Finanzamtes F. bei einer Tätigkeit für die Firma B. KG in Linz (Verteilung von Werbeprospekten insbesondere im Spar-Markt und Uni-Markt in U.) angetroffen worden. Der Beschwerdeführer habe diese Beschäftigung nicht unverzüglich, d.h. vor Antritt der Beschäftigung, dem AMS gemeldet. Er sei erst seit dem bei der Firma B. KG zu einem vollversicherten Dienstverhältnis gemeldet. Außerdem sei er Kommanditist der B. KG. Da er die Tätigkeit nicht gemeldet habe und durch ein öffentliches Organ betreten worden sei, sei das Arbeitslosengeld für zumindest vier Wochen "vom bis mit EUR 731,64" zurückzufordern.

Werde ein Empfänger von Arbeitslosengeld bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d AlVG durch öffentliche Organe betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt habe, so gelte gemäß § 25 Abs. 2 AlVG die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt sei. Das Arbeitslosengeld für zumindest vier Wochen sei zurückzufordern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (allerdings nicht vollständig) vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat der belangten Behörde mit Verfügung vom die Beschwerde mit der Aufforderung zugestellt, binnen acht Wochen eine Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung einzubringen. Gleichzeitig wurde der belangten Behörde aufgetragen, binnen der gleichen Frist die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Die belangte Behörde wurde auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, auf Grund der Beschwerdebehauptungen zu erkennen.

Der erstinstanzliche Bescheid, über den die belangte Behörde vorgab, entschieden zu haben, findet sich in den von ihr vorgelegten Verwaltungsakten nicht.

2.1. Der im Verwaltungsakt erliegenden Berufung des Beschwerdeführers vom ist zu entnehmen, dass er gegen einen erstinstanzlichen Bescheid vom Berufung erhebe, mit dem für den Zeitraum vom bis zum der Bezug des Arbeitslosengeldes widerrufen und ein Betrag von EUR 731,64 zur Rückzahlung vorgeschrieben worden sei.

Einer weiteren Berufung des Beschwerdeführers vom ist zu entnehmen, dass er gegen einen weiteren erstinstanzlichen Bescheid vom Berufung erhebe, mit dem das Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom bis zum widerrufen worden und "zusätzlich ... ein weiterer Betrag von EUR 6,08 zurückgefordert" worden sei. In dieser Berufung führt der Beschwerdeführer aus, dass seiner Berufung gegen den Bescheid vom "mit Bescheid vom nicht stattgegeben und der Betrag von EUR 731,64 zurückgefordert" worden sei, nunmehr allerdings "für den Zeitraum vom bis ".

2.2. Auch die in diesen Berufungen erwähnten erstinstanzlichen Bescheide finden sich nicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten. Der angefochtene Bescheid nimmt zwar auf einen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz vom Bezug. Nach den Ausführungen des angefochtenen Bescheides hat die erstinstanzliche Behörde "das Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 731,64 mit Bescheid für vier Wochen rückgefordert", wobei der konkrete Zeitraum im Spruch des angefochtenen Bescheides mit " bis " umschrieben wird. In der auf die Berufung des Beschwerdeführers vom verweisenden Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides ist hingegen von einem Rückforderungszeitraum "vom bis " die Rede.

Den widersprüchlichen bzw. unvollständigen Angaben des angefochtenen Bescheides ist nicht eindeutig zu entnehmen, über welchen Berufungsgegenstand die belangte Behörde entschieden hat. Vor allem bleibt nach den Ausführungen des angefochtenen Bescheides offen, ob der erstinstanzliche Bescheid, gegen den sich die Berufung, über die die belangte Behörde entschieden hat, richtete, die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 2 AlVG für den den Gegenstand der Berufungsentscheidung bildenden Zeitraum widerrufen hat, was Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG wäre.

3.1. Die Beschwerde macht darüber hinaus geltend, dass die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des AMS vom in einem Ausschuss für Leistungsangelegenheiten hätte entscheiden müssen. Der angefochtene Bescheid verweise darauf, dass die Behörde "vermeintlich im Ausschuss für Leistungsangelegenheiten entschieden hätte", sie führe jedoch nicht konkret aus, welche Entscheidungsträger entschieden haben sollen, weshalb letztlich davon auszugehen sei, dass die belangte Behörde nur als Einzelorgan bzw. nicht in der vorgeschriebenen Besetzung entschieden habe.

3.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der angefochtene Bescheid einen Hinweis darauf enthält, dass er auf einem Beschluss eines Kollegialorgans, nämlich des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten, beruht. Auch die Fertigung des auf dem Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten beruhenden Berufungsbescheides durch den Landesgeschäftsführer oder einen von ihm dazu Ermächtigten, entspricht der Rechtslage (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/08/0058, und vom , Zl. 2009/08/0013). Der Anführung der Mitglieder der Kollegialbehörde bedarf es mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage hingegen nicht (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2009/08/0013).

3.3. Der Verwaltungsakt wurde allerdings von der belangten Behörde auch insofern nicht vollständig vorgelegt, als sich ein Protokoll über die dem Bescheid zu Grunde liegende Sitzung des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten nicht findet (vgl. zum Inhalt eines solchen Protokolls das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0031), sodass für den Verwaltungsgerichtshof die Existenz einer Beschlussfassung des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten (die von der Beschwerde im Ergebnis bestritten wurde) nicht ersichtlich ist.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift zu diesem Beschwerdepunkt lediglich festgehalten, "dass die beschwerte Entscheidung im Ausschuss für Leistungsangelegenheiten getroffen wurde" und dass die namentliche Anführung der Mitglieder des Ausschusses im angefochtenen Bescheid nicht erforderlich sei. Die Vorlage des entsprechenden Beschlusses (des genannten Protokolls) ist jedoch trotz der erwähnten Bestreitung durch den Beschwerdeführer unterblieben.

Da die belangte Behörde die vollständige Vorlage der Verwaltungsakten unterlassen hat, ist von den Behauptungen des Beschwerdeführers auszugehen, ohne dass der Verwaltungsgerichtshof die Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers überprüfen müsste (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/19/0173, und vom , Zl. 95/04/0030). Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Unvollständigkeit der Akten bzw. Zweifel über deren Inhalt sich nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers auswirken dürfen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht davon ausgehen, dass der zuständige Ausschuss für Leistungsangelegenheiten entschieden hat. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. für den Fall des Fehlens eines Hinweises auf einen Beschluss eines Kollegialorgans das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0049).

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-86303