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VwGH vom 06.07.2006, 2006/17/0042

VwGH vom 06.07.2006, 2006/17/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der A AG in Stans, vertreten durch Dr. Dietmar Ritzberger und Ing. Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwälte in 6130 Schwaz, Innsbrucker Straße 9/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-17333/2-2005, betreffend Nachsicht von Kanalbenützungsgebühren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Stans, 6135 Stans, Unterdorf 62), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin an die mitbeteiligte Gemeinde hinsichtlich geleisteter Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 2000, 2001 und 2002 einen Antrag auf Teilnachsicht gemäß § 183 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984 (im Folgenden: TLAO). In der Begründung brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, aus dem im Auftrag der mitbeteiligten Gemeinde erstellten Gutachten des Sachverständigen DI (FH) H vom Oktober 2003 gehe hervor, dass ihr zuletzt zu hohe Kanalbenützungsgebühren vorgeschrieben worden seien. Laut diesem Gutachten wäre im Jahr 2002 eine Kanalbenützungsgebühr von EUR 76.888,52 (diese und die folgenden Beträge verstehen sich exklusive Umsatzsteuer) gerechtfertigt gewesen. Tatsächlich seien ihr für diesen Zeitraum EUR 154.155,55 vorgeschrieben worden. Für die Jahre 2000 und 2001, die hinsichtlich Abwassermenge und Verschmutzungsgrad mit dem Jahr 2002 vergleichbar seien, seien ihr EUR 70.591,54 (für das Jahr 2000) und EUR 74.884,77 (für das Jahr 2001) zuviel an Kanalbenützungsgebühren vorgeschrieben worden. Die Summe der Einnahmen der mitbeteiligten Gemeinde aus dem Titel Kanalbenützungsgebühr (für das Jahr 2002 EUR 154.155,44 und ca. EUR 155.000 aus den privaten Haushalten) stehe in keinem Verhältnis zu den jährlichen Zahlungen der mitbeteiligten Gemeinde an die Stadtwerke S (rund EUR 60.000 für Betriebskosten und Annuitäten) und den Kosten für die Erhaltung und den Betrieb der Gemeindekanalisation. Die Vorschreibungen widersprächen dem Äquivalenzprinzip, welches ein Kostenüberschreitungsverbot beinhalte und den "im Finanzausgleichsgesetz" enthaltenen Prinzipien. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes liege es im Wesen der Gebühr für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen, dass die gesamten Erträge zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein dürften als die gesamten Kosten, welche der Gemeinde durch die Schaffung, die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung erwüchsen. Die Vorschreibungen seien auch rechtswidrig, weil sie auf einem ungültigen "Wasserrechtsbescheid" (gemeint offenbar ein Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom , in dem als Bemessungsgrundlage für die laufende Kanalbenützungsgebühr ab bis auf weiteres jährlich die Einwohnergleichwerte (EGW) und die daraus resultierende Verbrauchsmenge der Beschwerdeführerin mit 2188 EGW = 109.400 m3 festgesetzt wurde) basierten und in der Rechnungsstruktur die maximale Wassermenge angenommen worden sei, die tatsächlich abgeleitete Abwassermenge jedoch nicht einmal die Hälfte der der Kostenberechnung zu Grunde gelegten Wassermengen betragen habe. Eine Rechtswidrigkeit der Bescheide sei auch daraus abzuleiten, dass in der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde (im Folgenden: KanalGebO) die erforderliche Differenzierung zwischen Haushalten und Industriebetrieben, welche seit der Wasserrechtsnovelle 1997 vorgeschrieben sei, fehle. Auch die Tatsache, dass nach der KanalGebO den Vorschreibungen einzig der CSB-Wert (Chemische Sauerstoffbedarfswert) zu Grunde gelegt werde, widerspreche dem "Gebührenrecht".

Mit Schreiben vom forderte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Beschwerdeführerin auf, das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche sie die beantragte Nachsicht stütze und über die wirtschaftliche Lage und Vermögensverhältnisse des Unternehmens Auskunft zu erstatten.

In ihrer Eingabe vom verweist die Beschwerdeführerin bezüglich ihrer finanziellen Situation auf die beigelegten Jahresberichte der Jahre 2000, 2001 und 2002 und führte im Wesentlichen aus, sie sei erstmals auf Grund des Gutachtens eines näher genannten Sachverständigen vom auf Unzulänglichkeiten bei der Vorschreibung aufmerksam geworden, "wonach die EGW-Festsetzung mit 19.251 erfolgt sei, was eine jährliche Kanalbenützungsgebühr von EUR 1.530.454,50 zur Folge gehabt hätte (EGW x 50 m3 x EUR 1,59 Kanalbenützungsgebühr)". Die Einhebung der Gebühren sei unbillig im Sinne des § 183 TLAO, da die Vorschreibungen die tatsächlichen Kosten, welche die Gemeinde zu tragen habe, um ein Vielfaches übersteigen würden. Weiters sei der der Vorschreibung zu Grunde liegende "Wasserrechtsbescheid" (gemeint der Grundlagenbescheid vom ) rechtsungültig, da dieser von "der Gemeinde" ausgestellt worden sei, welche jedoch nicht zuständig gewesen sei. Der Umstand, dass die Kanalbenützungsgebühr in den Jahren 2003 und 2004 gegenüber den Vorjahren deutlich reduziert worden sei, zeige, dass selbst die Abgabenbehörde von der Unbilligkeit der Vorschreibungen ausgehe. Die Einhebung der Gebühren sei zwar nicht existenzgefährdend, sie sei aber wettbewerbsverzerrend und stelle einen unberechtigten Vermögenseingriff dar. Die Einhebung der Gebühren führe dazu, dass Mitkonkurrenten, denen die tatsächlichen Kosten der Abwasserreinigung und -beseitigung vorgeschrieben werden, geringere Kostenfaktoren in die Kalkulation ihrer Produkte einfließen lassen könnten und damit Wettbewerbsvorteile hätten. Die Häufung der Unzulänglichkeiten bei der Vorschreibung sei außergewöhnlich im Sinne des Gesetzes. Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung könne gegeben sein, wenn bei Anwendung des Gesetzes im Einzelfall ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Die Nachsicht sei somit auch dann zu gewähren, wenn keine Existenzgefährdung bestehe.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag der Beschwerdeführerin vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beschwerdeführerin seien die Kanalbenützungsgebühren für den Zeitraum bis mit Bescheiden vom , und vorgeschrieben worden. Diese Bescheide seien in Rechtskraft erwachsen. Die Unbilligkeit müsse sich auf die Einhebung einer Abgabe beziehen. Die Voraussetzungen für die Nachsicht seien nicht gegeben, wenn eine Unbilligkeit in der Abgabenfestsetzung liege. Erscheine die Vorschreibung unbillig, etwa zufolge unzutreffender Abgabenbescheide, die mit Hilfe zustehender Rechtsmittel nicht bekämpft worden seien, könne gegen die Einhebung nicht mit einem Nachsichtsantrag vorgegangen werden. Versäumnisse dieser Art könnten nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt werden. Dies würde eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft bedeuten. Die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen von Nachsichtsvoraussetzungen weder im Antrag vom noch im Schriftsatz vom nachgewiesen. Die behauptete Unbilligkeit beziehe sich auf die Festsetzung der Abgabe und nicht auf deren Einhebung. Die Beschwerdeführerin sei weder durch die Einhebung der Abgabe in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet noch lägen außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen vor. Es fehle somit an den gesetzlichen Bedingungen für die Gewährung der Nachsicht.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, die mitbeteiligte Gemeinde habe aus dem Titel Kanalbenützungsgebühr für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum einen "Gewinn" von EUR 490.784,83 erzielt, sodass davon auszugehen sei, dass die vorgeschriebenen Kanalbenützungsgebühren nicht der Intention und dem Inhalt des FAG (1997 bzw. 2001) entsprochen habe. Letztere begrenzten das Ermessen der Gemeinde durch den tatsächlichen Kostenaufwand und zum anderen dadurch, dass die Ausschöpfung nur aus Gründen in Betracht komme, welche mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stünden. Im § 1 KanalGebO sei angeführt, dass die Gemeinde die Gebühr zur Deckung des Kostenaufwandes der Abwasserbeseitigungsanlage Stans erhebe und zwar eine einmalige Anschlussgebühr, die laufende Kanalgebühr und im Fall der Erweiterung der Verbandskläranlage behalte sie sich eine Erweiterungsgebühr vor. Eine Erweiterung der Kläranlage sei nicht vorgesehen, da die Abwasserbeseitigungsanlage lediglich zu 54% ausgelastet sei. Die Vorschreibung habe dem Sachlichkeitsprinzip zu entsprechen und es habe eine Verhältnismäßigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung zu bestehen. Die Berechnung allein auf der Basis von CSB-Werten sei unsachlich. Für die Gewährung einer Nachsicht genüge es, dass mit der Entrichtung der Abgabenschuld außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen verbunden seien, wobei der geltend gemachte Nachsichtsbetrag von brutto EUR 245.017,66 als erheblich anzusehen sei. Eine sachliche Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld einen atypischen Vermögenseingriff nach sich ziehe. Der atypischen Vermögenseingriff müsse im offenbaren Widerspruch zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen stehen, was bei der unproportionalen Höhe der vorgeschriebenen Kanalbenützungsgebühren gegeben sei. Darüber hinaus sei das Verfahren mangelhaft, zumal die beantragen Beweismittel, nämlich die Einvernahme der beantragten Zeugen zur Frage der Angemessenheit des kostendeckenden Aufwandes für die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage, unterblieben sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Rechtsvorschriften führte sie begründend aus, die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung setze voraus, dass ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und dem subjektiven Bereich des dem Abgabepflichtigen entstehenden Nachteils vorliege. Eine persönliche Unbilligkeit liege vor, wenn die Einhebung der Abgabe die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährde. Eine sachliche Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Es müsse zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Eine Unbilligkeit sei nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege, also die vermeintliche Unbilligkeit für die dadurch Betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolge. Wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes, also durch einen inhaltlich rechtmäßigen Bescheid, ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sei die Einziehung nach der Lage des Falles unbillig. Der Unbilligkeitstatbestand stelle nicht auf die Vorschreibung, sondern auf die Einhebung ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinne von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides könne daher ein Nachsichtsansuchen nicht mit Erfolg gestützt werden. Zweck des § 183 TLAO sei es nicht, einen Abgabenbescheid in einem weiteren Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, es sei denn, die zweckentsprechende Rechtsverfolgung sei unverschuldetermaßen nicht möglich gewesen. Ein Nachsichtsverfahren ersetze kein Rechtsmittelverfahren und diene auch nicht der nachprüfenden Kontrolle dieser Verfahren. Auch Umstände, die Wiederaufnahmegründe darstellten, könnten im Nachsichtsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführerin leite die Unbilligkeit der Vorschreibung aus der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der rechtskräftigen Abgabenbescheide ab und untermauere ihr Vorbringen mit der Behauptung, die von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie das Gutachten eines näher genannten Sachverständigen hätten ein krasses Missverhältnis zwischen Vorschreibung und Kostensituation der Gemeinde aufgezeigt. Der Antrag auf Teilnachsicht richte sich gegen die Höhe der im Zeitraum bis vorgeschriebenen und bezahlten Kanalbenützungsgebühren. Die Beschwerdeführerin berufe sich auf die Unrichtigkeit der den Bescheiden zu Grunde liegenden Bemessungsgrundlage sowie auf Umstände, welche ihrer Ansicht nach die Rechtswidrigkeit der Festsetzungsbescheide zur Folge hätten. Sie sehe in der Vorschreibung eine sachliche Unbilligkeit und versuche die von ihr unbekämpft belassenen Festsetzungsbescheide einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen. Den vorliegenden Unterlagen sei kein Hinweis zu entnehmen, dass es der Beschwerdeführerin unverschuldetermaßen nicht möglich gewesen wäre, ein Rechtsmittel gegen die jeweiligen Vorschreibungsbescheide einzubringen. Vielmehr sei aktenkundig, dass sie die Bescheide unbekämpft zur Kenntnis genommen habe. In Bezug auf die Behauptung, die mitbeteiligte Gemeinde hätte sie unzureichend informiert, sei sie auf ihr Recht auf Akteneinsicht und Parteiengehör zu verweisen. Eine allfällige Verletzung dieser Ansprüche hätte in den den Festsetzungsbescheiden zu Grunde liegenden Verfahren geltend gemacht werden müssen. Dass die Beschwerdeführerin in den jeweiligen Festsetzungsverfahren derartige Anstrengungen unternommen hätte, werde von ihr nicht behauptet. Vielmehr bringe sie vor, sie habe erstmals nach Übermittlung des Gutachtens vom Unzulänglichkeiten bei der Vorschreibung vermutet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 183 TLAO lautet auszugsweise:

"§ 183

(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

..."

§ 16 Abs. 3 Z 4 FAG 2001, BGBl. I Nr. 3, der zwischen und in Kraft stand, lautete:

"§ 16. ...

...

(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

...

4. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und - anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."

Entsprechende Anordnungen traf § 15 Abs. 3 Z 5 FAG 1997, BGBl. Nr. 201/1996, für die Jahre 1999 und 2000.

Die maßgeblichen Bestimmungen der KanalGebO, wie sie in den Jahren 1999 bis 2002 in Kraft standen, lauteten:

"§ 1

Einteilung der Gebühren

Zur Deckung des Kostenaufwandes der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage Stans erhebt die Gemeinde Gebühren, und zwar eine einmalige Anschlussgebühr und eine jährlich wiederkehrende Gebühr (lfd. Kanalgebühr). Im Falle der Erweiterung der Verbandskläranlage behält sich die Gemeinde Stans eine Erweiterungsgebühr vor.

...

§ 3

Laufende Kanalgebühr

1. Die Gemeinde erhebt für die Benützung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage der Gemeinde Stans eine Jahresgebühr. Diese wird vom Gemeinderat alljährlich nach dem Jahreserfordernis der Anlage, das sind der Jahresaufwand für die Darlehenstilgung, für den Zinsendienst, für den laufenden Betrieb und Erhaltung der Anlage, für den prozentuellen Kostenanteil der Gemeinde an der Verbandsanlage und für die Ansammlung einer Erneuerungsrücklage, festgesetzt (Bemessungsgrundlage).

...

§ 6

Berechnung der laufenden Kanalgebühr

1. Die laufende Kanalgebühr wird je Kubikmeter Wasserverbrauch aufgrund des Jahreserfordernisses im Sinne des § 3 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung jährlich festgesetzt

...

2. Bemessungsgrundlagen sind:

2.1. Für häusliche Abwasser:

Der durch den Wasserzähler in allen Anlagen, welche an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sind, gemessene tatsächliche Wasserbezug

2.2. Bei landwirtschaftlichen Betrieben wird, soweit eine Versorgung aus dem öffentlichen Wasserleitungsnetz erfolgt, die in den Stallungen verbrauchte Wassermenge abgezogen, wenn diese aus einem Subzähler feststellbar ist. ...

...

2.3. Sind Objekte zur Gänze oder nur teilweise nicht an das Wasserversorgungsnetz der Gemeinde Stans angeschlossen, werden unter Zugrundelegung der gültigen Wasserleitungs- und Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Stans, Wasserzähler installiert.

Sofern der Einbau eines Wasserzähler verweigert wird oder technisch und rechtlich nicht möglich ist, erfolgt eine Pauschalierung und zwar wie folgt:

...

2.4. Für alle übrigen Abwässer

sind die Einwohnergleichwerte (EGW) aufgrund eines von einem hiezu befugten Institut zu erstellenden Gutachtens bescheidmäßig festzustellen. In der Begutachtung haben 100 mg CSB/Tag oder 60 mg BSB/Tag einem EGW zu entsprechen, wobei jener Wert herangezogen wird, der einen höheren EGW-Anteil ergibt.

Die Gemeinde hat die bescheidmäßig festgestellten EGW auf Grund eines von ihr eingeholten Gutachtens zu ändern, wenn sich von der bisherigen Feststellung Abweichungen ergeben.

Beantragt der Gebührenschuldner unter Vorlage eines in seinem Auftrag erstellten Gutachten eine Änderung der bescheidmäßig festgestellten EGW, so sind sie nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens neu festzustellen.

...

Für die Ermittlung der laufenden Kanalgebühr ist 1 EGW einem Wasserverbrauch von 50 m3 pro Jahr gleichzusetzen.

..."

Durch den Gemeinderatsbeschluss vom wurde mit Wirksamkeit vom dem § 6 eine Ziffer 2.4.1. angefügt, welche lautet:

"2.4.1. Alle industriellen Abwässer, oder solche deren Beschaffenheit erheblich von häuslichen Abwässern abweicht (§ 32b Abs. 2 WRG 1959 idgF.), das sind Unternehmungen, die in der Menge der Schmutzfracht oder nach Inhaltsstoffen mehr als 10% von der Beschaffenheit häuslicher Abwässer abweichen, werden auf Grund eines zu erstellenden Gutachtens mittels zivilrechtlichem Vertrag geregelt."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 236 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (im Folgenden: BAO), setzt Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben, dass also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/15/0234, und vom , Zl. 98/13/0091).

Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtwerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus "persönlichen" Gründen) nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/13/0020 und vom , Zl. 92/13/0129).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht gilt, dass es im Nachsichtsverfahren Sache des Nachsichtswerbers ist, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0245).

Im vorliegenden Fall geht die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon aus, dass die Vorschreibung der laufenden Kanalgebühren für den Zeitraum bis ihre wirtschaftliche Existenz nicht gefährdete. Auch außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen, die mit der Abstattung der Abgabenschuld verbunden wären, liegen nach dem Akteninhalt und den Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht vor. So brachte die Beschwerdeführerin lediglich vor, die Einhebung der Gebühren sei wettbewerbsverzerrend und der Nachsichtsbetrag von brutto EUR 245.017,66 sei als "erheblich" anzusehen. Dass sie durch die Abgabeneinhebung gezwungen worden sei, Vermögen zu verschleudern, oder dass sie Gefahr gelaufen sei, ihre Einkunftsquelle zu verlieren, wird von der Beschwerdeführerin jedoch nicht behauptet. Allein mit der (auch vor dem Verwaltungsgerichtshof) nicht näher präzisierten Behauptung einer Wettbewerbsverzerrung wird eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen nicht dargetan, zumal sich aus unterschiedlich hohen Kanalgebühren in verschiedenen Gemeinden notwendigerweise Standortvor- bzw. - nachteile ergeben, welche die Wettbewerbssituation der betroffenen Unternehmen unterschiedlich gestalten, was vom Finanzverfassungs- bzw. Finanzausgleichsgesetzgeber offenbar in Kauf genommen wird.

Zu prüfen bleibt daher, ob im Beschwerdefall eine sachliche Unbilligkeit vorliegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 236 BAO ist eine "sachliche" Unbilligkeit anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Normsetzer offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/13/0020 und vom , Zl. 92/13/0129).

Die sachliche Unbilligkeit muss, wie im Falle der Nachsicht gemäß § 236 BAO, eine Unbilligkeit der Einhebung und nicht eine Unbilligkeit der Festsetzung sein. Erscheint schon die Vorschreibung unbillig, etwa zufolge unzutreffender Abgabenbescheide, kann gegen die Einhebung aus diesem Grund nicht mit einem Nachsichtsantrag vorgegangen werden; dies würde nämlich im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0221).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die von der Beschwerdeführerin - sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der Beschwerde - vorgetragenen Argumente nicht geeignet, eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aufzuzeigen.

So erblickt die Beschwerdeführerin die Unbilligkeit der Einhebung zunächst darin, dass die Vorschreibungen der Bestimmung des § 15 Abs. 3 Z 5 FAG 1997 bzw. des § 16 Abs. 3 Z 4 FAG 2001 und dem "Äquivalenzgebot", welches ein "Kostenüberschreitungsverbot" beinhalte, widersprächen. Abgesehen davon, dass die Finanzverfassung unter den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , VfSlg. Nr. 16.319, herausgearbeiteten Voraussetzungen auch die Erzielung von Einkünften bis zum doppelten Jahreserfordernis gestatten würde, hätten entsprechende Einwände, die sich indirekt (weil sie die Gesetzmäßigkeit der dabei angewendeten KanalGebO betreffen) gegen die Richtigkeit der Abgabenbemessung richten, in den - mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen - Verfahren betreffend die Festsetzung der laufenden Kanalgebühren für die Jahre 2000, 2001 und 2002 vorgebracht werden müssen. Das Nachsichtsverfahren ist - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt - nicht dazu bestimmt, Einwänden, die im Falle einer vermeintlich zu hoch bemessenen Abgabenschuldigkeit im Rechtsmittelweg vorgebracht hätten werden können, nachträglich im Wege einer Abgabennachsicht zum Durchbruch zu verhelfen. Gleiches gilt für Einwände gegen die Abgabenbemessung mit der Behauptung der Gesetzwidrigkeit der angewendeten Verordnung.

Vor diesem Hintergrund vermag die Beschwerdeführerin aber auch mit der Verfahrensrüge, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen darzutun, welche Aufwendungen tatsächlich entstanden seien und in welchem Verhältnis diese zu der Bestimmung des § 15 Abs. 3 Z 5 FAG 1997 und der KanalGebO stünden, keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuzeigen. Auch mit dem Vorbringen, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die von ihr beantragen Zeugen zur Frage der Angemessenheit des kostendeckenden Aufwandes für die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage einzuvernehmen, zeigt die Beschwerdeführerin somit keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf.

Der weitere Einwand, die Vorschreibungen basierten auf einem "rechtsungültigen" Grundlagenbescheid, da von einer zu hohen Abwassermenge ausgegangen worden sei und der Grundlagenbescheid überdies von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei, hätte im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend die Festsetzung der Einwohnergleichwerte (EWG) geltend gemacht werden müssen. Die Beschwerdeführerin kann die Frage der Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides vom im Nachsichtsverfahren nicht neu aufrollen.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung weiters darin erblickt, dass die KanalGebO nicht zwischen Haushalten und Industriebetrieben differenziere und nach der KanalGebO den Vorschreibungen einzig der CSB-Wert zu Grunde gelegt worden sei, was unsachlich sei, ist sie hinsichtlich der damit geltend gemachten Normbedenken zunächst auf das Vorgesagte zu verweisen.

Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unbilligkeit des Einzelfalles dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz bzw. der Verordnung selbst folgt. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage treffen, rechtfertigen eine Nachsicht nicht (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/15/0088, und vom , Zl. 89/15/0019).

Dass auf die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage der laufenden Kanalgebühr für die Jahre 2000, 2001 und 2002 - anders als für Haushalte - die Bestimmung des § 6 Z 2 4. KanalGebO anzuwenden war, stellt eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die jeden Industriebetrieb, der unter die Bestimmung des § 6 Z 2.4. KanalGebO zu subsumieren gewesen wäre, in gleicher Weise getroffen hätte. Eine den Einzelfall betreffende besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschrift, die der Verordnungsgeber bei Vorhersehbarkeit vermieden hätte, liegt somit nicht vor, weshalb die belangte Behörde zutreffend die Verweigerung der Abgabennachsicht bestätigte.

Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass der Verwaltungsgerichtshof zu der dem § 183 TLAO ähnlichen Bestimmung des § 236 BAO auch ausgesprochen hat, eine materielle Unrichtigkeit eines in Rechtskraft erwachsenen Abgabenbescheides könne dann als Nachsichtsgrund ins Treffen geführt werden, wenn die zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausnahmsweise unverschuldetermaßen nicht möglich gewesen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0079). In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe auf "eine gesetzeskonforme Vorschreibung" vertrauen dürfen und sei erst durch ein 2002 erstelltes Gutachten (welches offenbar zu noch höheren Abgaben als die hier Vorgeschriebenen gelangt wäre) auf "Unzulänglichkeiten bei der Vorschreibung aufmerksam gemacht" worden sei.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die zuletzt zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 236 BAO für den hier zu beurteilenden Fall, in dem es um die anlässlich der Abgabenfestsetzung unterbliebene Geltendmachung von Normbedenken (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/13/0266) sowie eines Wiederaufnahmegrundes - welcher bei Zutreffen der Rechtsbehauptungen der Beschwerdeführerin in Ansehung des Sachverständigengutachtens vorläge - (vgl. hiezu § 226 Abs. 1 lit. b TLAO, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1929/74) geht, überhaupt einschlägig ist und - gegebenenfalls - ob sie auf § 183 TLAO übertragen werden kann. Selbst wenn man - was dahinstehen kann - diese Frage bejahen wollte, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil sie mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen nicht entsprechend ihrer eingangs umschriebenen prozessualen Obliegenheit hinreichend substantiiert dargetan hat, weshalb allfällige Normbedenken bzw. Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzungen oder des Bescheides des Bürgermeisters vom erst durch das 2002 erstellte Gutachten entstanden sein sollten. Ebenso wenig finden sich substantiierte Tatsachenbehauptungen, aus denen hervorginge, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Bescheiderlassungen - was ihr als Partei des Abgabenverfahrens oblegen wäre - alle ihr zumutbaren Schritte zur Überprüfung der Richtigkeit dieser Bescheide und der Gesetzmäßigkeit der KanalAbgO ergriffen hätte. Das bloße Vertrauen auf die Richtigkeit einer solchen Vorschreibung reichte hiefür keinesfalls aus.

Da die Beschwerdeführerin demnach keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am