VwGH vom 01.04.2020, Ra 2020/03/0035

VwGH vom 01.04.2020, Ra 2020/03/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des D S in W, vertreten durch Burger Rest Rechtsanwälte in 1080 Wien, Wickenburggasse 3/16, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-001/063/7006/2019-7, betreffend eine Übertretung des Waffengesetzes 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom legte die Landespolizeidirektion Wien dem Revisionswerber zur Last, am zwei Büchsen Kategorie C nicht sicher verwahrt zu haben, weil bei einer Kontrolle festgestellt worden sei, dass diese Waffen halbgeladen und ohne sichere Verwahrung im Vorraum seiner Wohnung gestanden seien. Er habe dadurch eine Übertretung des § 51 Abs. 1 Z 9 in Verbindung mit § 16b Waffengesetz 1996 (WaffG) begangen und es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 300,-- (3 Tage 11 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. 2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 3 Das VwG stellte fest, dass der Revisionswerber als Jäger zwei Langwaffen Kategorie C besitze, welche er normalerweise in der Wohnung seiner Eltern oder in seiner Jagdhütte in einem Waffenschrank aufbewahre. Nach einer Jagd im Dezember 2018 habe er die Waffen jedoch in seine Wohnung in W mitgenommen, die er zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin bewohnt habe. Er habe sie in halbgeladenem Zustand im Eingangsbereich der Wohnung an die Wand gelehnt, sodass sie bei geöffneter Wohnungstür zu sehen gewesen seien, und habe sie dort während der nächsten Tage unverändert stehen lassen. Die Wohnungstür verfüge über ein Sicherheitsschloss. Am Abend des habe der Revisionswerber die Wohnung verlassen. Diese Zeit habe seine Lebensgefährtin nützen wollen, um aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Sie habe eine Polizeiinspektion aufgesucht und dort angegeben, sich vom Revisionswerber trennen zu wollen, jedoch Angst vor ihm zu haben, weil sich in der Wohnung die halbgeladenen Waffen befänden. Anschließend sei sie in die Wohnung zurückgekehrt, die Polizisten seien vereinbarungsgemäß etwas später in die Wohnung gekommen, um Nachschau zu halten. Bei ihrem Eintreffen sei die Wohnungstür komplett geöffnet gewesen und die an der Wand lehnenden Waffen bereits aus dem Stiegenhaus zu sehen gewesen. Außer der Lebensgefährtin des Revisionswerbers seien auch noch zwei weitere Personen anwesend gewesen, die der Lebensgefährtin beim Auszug geholfen hätten.

4 Gestützt auf diesen Sachverhalt folgerte das VwG in rechtlicher Hinsicht, § 16b WaffG verpflichte dazu, Waffen sicher zu verwahren. Der Revisionswerber habe seine Wohnung nur mit seiner Lebensgefährtin bewohnt. Soweit die Wohnung versperrt gehalten wurde, habe es grundsätzlich keiner zusätzlichen Sicherung der Waffen durch ein ein- bzw. aufbruchssicheres Behältnis bedurft. Im vorliegenden Fall sei aber zu berücksichtigen, dass die (halbgeladenen) Waffen ungesichert im Eingangsbereich der Wohnung gelagert und bei geöffneter Wohnungstür zu sehen gewesen seien. Aufgrund der sofortigen Sichtbarkeit der Waffen für ausnahmsweise anwesende Dritte, dies selbst noch vor dem Betreten der Wohnung, habe jedenfalls eine stark vereinfachte Zugriffsmöglichkeit auf die Waffen durch unbefugte Dritte bestanden. Im Hinblick darauf sei nicht davon auszugehen, dass die Waffen vom Revisionswerber im Sinne des § 16b WaffG sicher verwahrt gewesen seien.

5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache geltend macht, das VwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Verwahrungspflichten eines Waffeninhabers abgewichen (Hinweis auf VwGH 2013/03/0075, 2009/03/0099 und 2005/03/0017). Das VwG habe außer Acht gelassen, dass der Revisionswerber vorgebracht und ausgesagt habe, seine damalige Lebensgefährtin ausdrücklich angewiesen zu haben, die Wohnung ordnungsgemäß zuzusperren und niemanden in die Wohnung zu lassen. Nicht der Revisionswerber, sondern seine frühere Lebensgefährtin habe die Tür der Wohnung offen stehen lassen. Diesbezüglich fehlten in der angefochtenen Entscheidung entsprechende Feststellungen. Bei lebensnaher Betrachtung sei es für den Revisionswerber unmöglich gewesen, seine Mitbewohnerin ständig zu überwachen. Bei unerwarteten Besuchen hätte der Revisionswerber die Waffen jederzeit vor dem Öffnen der Tür vom Eingangsbereich der Wohnung entfernen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig.

Sowohl das VwG als auch die Revision beziehen sich in ihrer rechtlichen Argumentation auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entziehung waffenrechtlicher Urkunden (mangels Verlässlichkeit des Waffeninhabers). Eine solche steht im gegenständlichen Fall aber nicht zur Diskussion. Zu den - fallbezogen relevanten - Verwahrungspflichten nach § 16b WaffG und der damit im Zusammenhang stehenden Verwaltungsstrafnorm des § 51 Abs. 1 Z 9 WaffG, die erst mit der WaffG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 43/2010, in das WaffG aufgenommen wurden, fehlt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ohne die auch der gegenständliche Fall nicht gelöst werden kann.

7 Die Revision ist jedoch nicht begründet.

8 Gemäß § 16b WaffG in der Fassung der WaffG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 43/2010, sind Schusswaffen und Munition sicher zu verwahren. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Anforderungen an eine sichere Verwahrung zu erlassen, sodass Waffen und Munition in zumutbarer Weise vor unberechtigtem Zugriff geschützt sind. 9 Nach § 51 Abs. 1 Z 9 WaffG in der Fassung der WaffG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 43/2010, begeht - sofern das Verhalten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3 600 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer entgegen diesem Bundesbesetz oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung Schusswaffen oder Munition nicht gemäß § 16b leg. cit. sicher verwahrt. 10 In den Gesetzesmaterialien zur WaffG-Novelle 2010 (RV 744 BlgNR 24. GP, S. 4) wurden diese Neuregelungen folgendermaßen begründet:

"Die sorgfältige Verwahrung von Schusswaffen ist derzeit nur insoweit auf Gesetzesebene erfasst, als § 8 darauf abstellt, dass jemand als verlässlich gilt, wenn keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen nicht sorgfältig verwahren wird. Damit werden aber nur die Besitzer von Schusswaffen der Kategorien A und B und zwar nur durch die über ihnen schwebende Gefahr der Entziehung ihrer waffenrechtlichen Bewilligung wegen mangelnder Verlässlichkeit angehalten, ihre Schusswaffen sorgfältig zu verwahren. Nicht nur dass es dadurch zu einer Ungleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte kommt, gibt es bislang keine Handhabe der Behörde gegenüber Besitzern von Schusswaffen der Kategorien C und D, die über keine waffenrechtliche Bewilligung verfügen und ihre Schusswaffen nicht sorgfältig verwahren. Eine gesonderte periodische Überprüfung der Verwahrung im Sinne des § 25 Abs. 1 ist für Schusswaffen der Kategorien C und D nicht vorgesehen. Es wird daher vorgeschlagen, zum einen die sorgfältige Verwahrung aller Schusswaffen generell vorzuschreiben und darüber hinaus den Verstoß dagegen als Verwaltungsübertretung zu sanktionieren. ..."

11 § 3 Abs. 1 der zweiten WaffG-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 313/1998 in der Fassung BGBl. II Nr. 301/2012 (2. WaffV), legt fest, dass eine Schusswaffe sicher verwahrt ist, wenn ihr Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt. 12 Für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition sind gemäß § 3 Abs. 2 der 2. WaffV insbesondere folgende Umstände maßgeblich:

1. Verwahrung der Waffe an einem mit der Rechtfertigung oder dem Bedarf in Zusammenhang stehenden Ort, in davon nicht betroffenen Wohnräumen oder in Dritträumen (zB Banksafe);

2. Schutz vor fremdem Zugriff durch Gewalt gegen Sachen, insbesondere eine der Anzahl und der Gefährlichkeit von Waffen und Munition entsprechende Ein- oder Aufbruchsicherheit des Behältnisses oder der Räumlichkeit;

3. Schutz von Waffen und Munition vor dem Zugriff von Mitbewohnern, die zu deren Verwendung nicht befugt sind;

4. Schutz von Waffen und Munition vor Zufallszugriffen rechtmäßig Anwesender.

13 Diese für die Verwahrung von Schusswaffen im Allgemeinen konzipierten normativen Anforderungen der 2. WaffV gelten grundsätzlich auch für Schusswaffen der Kategorie C, wie sie im gegenständlichen Fall zu beurteilen sind.

14 Anders als Schusswaffen der Kategorie B, deren Erwerb, Besitz und Führen entsprechende waffenrechtliche Genehmigungen und Urkunden voraussetzt, bedürfen der Erwerb und der Besitz von Schusswaffen der Kategorie C aber keiner behördlichen Bewilligungen (zum Führen solcher Waffen vgl. allerdings § 35 WaffG). Schon daraus lässt sich erkennen, dass die Gefährlichkeit von Schusswaffen der Kategorie C gesetzlich geringer eingeschätzt wird als jene von Schusswaffen der Kategorie B.

15 Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass auch § 3 Abs. 2 Z 2 der 2. WaffV (u.a.) eine Differenzierung der für die Verwahrung von Waffen maßgeblichen Umstände an Hand der "Gefährlichkeit" der Waffen vornimmt und damit grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung von Waffen unterschiedlicher Kategorien ermöglicht (vgl. ).

16 Ungeachtet dessen ist, wie § 16b WaffG und die dazu ergangenen Erläuterungen des Gesetzgebers klarstellen, auch für Schusswaffen der Kategorie C eine sichere Verwahrung erforderlich, um sie vor unberechtigtem Zugriff (und unberechtigter Verwendung) zu schützen.

17 Dabei ist - vergleichbar mit Fällen des § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG (vgl. etwa , mwN) - abhängig von objektiven Momenten zu prüfen, ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann. 18 In Bezug auf Schusswaffen der Kategorie C hat der Verwaltungsgerichthof in seiner Rechtsprechung beispielsweise nicht beanstandet, dass ein alleinlebender und keine Besuche empfangender Jäger seine Langwaffen der Kategorie C in einem grundsätzlich versperrten Wohnraum in einem nicht versperrten Holzschrank verwahrt hatte. Dies sei auf der Basis der festgestellten Wohn- und Lebensumstände des Betroffenen im Lichte der Judikatur zu den Verwahrungserfordernissen bei Fehlen von Mitbewohnern nicht sorgfaltswidrig (vgl. , Rn. 30). Die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung von Waffen trifft zwar auch den Alleinbewohner eines Hauses bzw. einer Wohnung; auch ein solcher hat Minimalanforderungen an die Verwahrung seiner Waffe (auch innerhalb einer stets versperrt gehaltenen Wohneinheit) zu erfüllen. Strengere Maßstäbe sind aber dann anzulegen, wenn die Wohneinheit mit Mitbewohnern geteilt oder aus anderen Gründen nicht nur ganz vereinzelt von Dritten betreten wird (vgl. , mwN). Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung ist gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht erfüllt, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinne des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einer im selben Haushalt lebenden Person, die Waffe versperrt zu verwahren (vgl. dort im Hinblick auf den Inhaber eines waffenrechtlichen Dokuments , Rn. 23).

19 In dem bereits zitierten Erkenntnis 2007/03/0180 hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Verwahrung einer Jagdwaffe (der Kategorie C) in der Weise, dass Polizeibeamte diese bei einer Kontrolle in einem unversperrten Haus (mit von außen steckendem Schlüssel) in einem unversperrten Koffer aufgefunden hatten, nicht als ausreichend angesehen werden konnte. 20 Im gegenständlichen Fall hat der Revisionswerber seine beiden (halbgeladenen) Schusswaffen der Kategorie C - für jedermann gut sichtbar - im Vorraum seiner Wohnung an die Wand gelehnt verwahrt. Diese Wohnung wurde von ihm und seiner damaligen Lebensgefährtin bewohnt. Er hat sie dort nach den unbekämpften Feststellungen des VwG mehrere Tage stehen lassen und die Wohnung verlassen, während seine Lebensgefährtin allein zurückblieb. Diese gewährte in der Folge anderen Personen, die ihr beim Auszug behilflich sein sollten, Zutritt zur Wohnung und ließ die Wohnungstür offen stehen, sodass auch zufällig vorbeigehende Personen Sicht und Zugriff auf die Waffen hatten. Dass diese Art der Verwahrung für sich betrachtet nicht ausreichend sicher war, um den unberechtigten Zugriff Dritter zu verhindern, liegt auf der Hand.

21 Wenn sich der Revisionswerber damit rechtfertigt, seine Lebensgefährtin angeblich angewiesen zu haben, die Wohnung versperrt zu halten und niemanden in die Wohnung zu lassen, vermag ihn das schon deshalb nicht zu exkulpieren, weil derartige "Anweisungen" an eine Mitbewohnerin die ihn treffenden Sorgfaltspflichten nicht ersetzten. Der Revisionswerber legt ungeachtet dessen auch nicht dar, aus welchen Gründen er davon ausgehen konnte, dass seine Mitbewohnerin die ihr (schon nach dem Revisionsvorbringen) vom Revisionswerber einseitig übertragene Verantwortung für die Verwahrung der Waffen tatsächlich wahrnehmen würde.

22 Der Umstand, dass der Revisionswerber im Zeitpunkt der polizeilichen Beanstandung der Verwahrung unstrittig nicht in der Wohnung anwesend war, widerlegt auch sein weiteres Revisionsvorbringen, wonach er jederzeit in der Lage gewesen sei, die Waffen bei unerwarteten Besuchen vor dem Öffnen der Tür aus dem Vorraum der Wohnung zu entfernen und entsprechend sicher zu verwahren.

23 Da somit schon der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030035.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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