VwGH vom 20.10.2010, 2009/02/0109
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-281101/29/Wim/LA, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Arbeitgeberin G GmbH schuldig erachtet, die G GmbH habe am in einer näher genannten Arbeitsstätte den Arbeitnehmer G am Arbeitsplatz 950/1 beschäftigt, obwohl das zur Verfügung gestellte Arbeitsmittel für die Dichtheitsprüfung (Prüfvorrichtung der Firma R., Baujahr 2007) hinsichtlich Konstruktion, Bau und weiterer Schutzmaßnahmen nicht den geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprochen habe; so sei bei der Prüfvorrichtung zwischen der Druckplatte des Zylinders und dem Rahmen beim Öffnungsvorgang zur Entnahme des Werkstückes eine Quetschstelle gegeben gewesen, die nicht abgesichert gewesen sei. Dies stelle eine Übertretung des § 3 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) dar, wonach Arbeitgeber nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen dürften, die hinsichtlich Konstruktion, Bau und weiterer Schutzmaßnahmen den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprächen. Über den Beschwerdeführer wurde wegen Übertretung der genannten Bestimmung in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wieder und stellte den Gang des Berufungsverfahrens dar. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Arbeitgeberin gewesen und kein verantwortlich Beauftragter namhaft gemacht worden sei. Die Arbeitgeberin G GmbH - so heißt es in den Tatsachenfeststellungen weiter - habe am die Firma R beauftragt, eine Druckprüfanlage für eine bestehende Maschine der G GmbH zu fertigen bzw. anzupassen. Diesem Auftrag seien Konstruktionsskizzen und schematische Darstellungen über die zu fertigende Vorrichtung angeschlossen gewesen. Darin sei für den geplanten hydraulischen Stempel keine Druckplatte eingezeichnet gewesen. Von der Firma R sei jedoch bei der Ausführung eine Druckplatte angebracht worden, um eine bessere Druckverteilung auf den unterzutauchenden Prüfteil zu gewährleisten. Die Druckprüfanlage sei dafür vorgesehen gewesen, für die Automobilindustrie gefertigte Teile auf ihre Dichtheit zu prüfen. Dazu würden sie in diese Maschine eingespannt und mittels hydraulischen Stempels für eine bestimmte Zeit unter Wasser gedrückt, mit Druck beaufschlagt und so auf ihre Dichtheit geprüft. Der Absenkvorgang werde mit Zweihandbedienung ausgelöst. Nach Ablauf der Prüfdauer erfolge ein automatisches Auffahren der Maschine. Zu einem Auffahren der Maschine vor Abschluss des Prüfvorganges komme es, sofern der Not-Aus-Schalter gedrückt werde. Das Auffahren, dass heißt das Anheben des geprüften Teiles aus dem Wasser, erfolge nicht ruckartig, sondern langsam. Beim Auffahren der Vorrichtung komme es zwischen der Druckplatte und dem oberen Rahmenteil zu einer Quetschstelle, da die Druckplatte bis 0,8 cm an den Rahmen heranfahre. Dies habe zur Verletzung der Finger des Arbeitnehmers geführt. Beim Einbau der Vorrichtung durch die Firma R und bei der anschließenden Funktionsprüfung habe ein sehr großer Zeitdruck bestanden, da der LKW für die zu prüfenden und zu liefernden Teile bereits im Werk gewesen sei. Deshalb sei keine förmliche Abnahmeprüfung durchgeführt worden, sondern nach einer Funktionsprüfung und den entsprechenden Einstellarbeiten seien vom Arbeitnehmer die einzelnen Duckprüfungen durchgeführt worden, wobei es in der Folge zum beschriebenen Arbeitsunfall vom gekommen sei.
In der Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde hinsichtlich der Feststellungen zum großen Zeitdruck und zum Fehlen einer formalen Abnahme der Prüfvorrichtung auf die Aussagen der im Berufungsverfahren einvernommenen Zeugen und begründete das Unterlassen der Beiziehung eines sicherheitstechnischen Sachverständigen mit dem Umstand, dass die Ursache für den Arbeitsunfall offenkundig sei. Es habe sich um keine besonders komplexe oder gar unübersichtliche Vorrichtung gehandelt, der Bereich der Quetschstelle sei einsehbar gewesen. Die Gefahrenstelle sei praktisch offensichtlich gewesen, es sei ihr jedoch keine Bedeutung zugemessen worden, da das Auffahren des Hubzylinders sehr langsam vor sich gehe und daher anscheinend nicht erwartet worden sei, dass ein Arbeitnehmer seine Hand bzw. seine Finger bis zum Ende des Auffahrvorganges dort belasse.
In der rechtlichen Beurteilung stellte die belangte Behörde die von ihr als maßgeblich erachtete Rechtslage dar und kam zu dem Ergebnis, dass die Bestimmung des § 40 Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV) im Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 AM-VO nicht eingehalten worden sei. Ein wirksames Kontrollsystem habe der Beschwerdeführer mit der Behauptung einer Aufgabenverteilung mit entsprechenden Verantwortlichkeiten nicht dargetan. Gerade im konkreten Fall habe sich gezeigt, dass beim bestehenden Zeitdruck keine ordnungsgemäße Abnahme durchgeführt worden sei und das Prüfprotokoll nicht einmal Punkte betreffend die Kontrolle von Quetschstellen enthalten habe. Überdies habe offensichtlich niemand kontrolliert, ob tatsächlich eine ordentliche Abnahmeprüfung durchgeführt worden sei. Gerade bei Zeitdruck bestehe verstärkt die Gefahr von Arbeitsunfällen. Ohne die Quetschstelle wäre der Arbeitsunfall nicht passiert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde nicht, dass die in Rede stehende Prüfvorrichtung den von der belangten Behörde der Bestrafung des Beschwerdeführers zu Grunde gelegten Bestimmungen widersprochen hat. Er bestreitet auch nicht, dass er zur Tatzeit handelsrechtlicher Geschäftsführer der G GmbH gewesen ist. Er sieht jedoch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Bestimmungen der AM-VO, der MSV sowie des ASchG bei den namentlich genannten leitenden Angestellten der G GmbH gelegen, weil diese nach der internen Kompetenzverteilung der G GmbH für technische Angelegenheiten zuständig seien.
§ 9 Abs. 1 und 2 VStG lauten:
"§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden."
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer GmbH nur der Geschäftsführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufen (vgl. etwa jüngst das Erkenntnis vom , Zl. 2009/02/0014, mwN). Eine den Beschwerdeführer von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung allenfalls entlastende wirksame Bestellung der genannten Angestellten als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG im Tatzeitpunkt wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Weiter rügt der Beschwerdeführer, es sei der Vorwurf der belangten Behörde nicht nachvollziehbar, er habe trotz der im Unternehmen vorhandenen Kompetenzverteilung die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems unterlassen, zumal die belangte Behörde nicht dargelegt habe, durch welche Kontrollen dem Gesetz entsprechend gehandelt worden wäre. Habe schon die die Prüfvorrichtung produzierende Spezialfirma die Gefährdung durch die Quetschstelle nicht erkannt, habe diese umso weniger den Mitarbeitern der G GmbH auffallen können, zumal davon auszugehen gewesen sei, dass die Maschine plangemäß, somit ohne Quetschstelle, gefertigt worden sei.
Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer jedoch kein wirksamens Kontrollsystem behauptet. Die Anforderungen an ein das Verschulden ausschließendes Kontrollsystem hat der Verwaltungsgerichtshof der ständigen Rechtsprechung zufolge etwa im Erkenntnis vom , Zl. 2009/02/0097, zusammengefasst. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann von der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems durch den Beschwerdeführer keine Rede sein, zumal auch die interne Aufteilung der Verantwortlichkeit hinsichtlich der technischen Angelegenheiten im Unternehmen den Beschwerdeführer als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlichen nicht entlasten konnte.
Was das behauptete Fehlen der Erkennbarkeit der Quetschstelle betrifft, ist auf die unbekämpfte Feststellung zu verweisen, wonach auf Grund des Zeitdrucks keine förmliche Abnahmeprüfung der Prüfvorrichtung erfolgte und die Quetschstelle bei entsprechender Sorgfalt auch hätte erkannt werden müssen, zumal die Konstruktion auch nicht den Vorgaben der G GmbH entsprochen hat. Dass Letzteres nicht erkennbar gewesen sei, wurde nicht behauptet.
Zu der in der Beschwerde geltend gemachten Verjährung ist der Beschwerdeführer auf § 32 Abs. 3 VStG zu verweisen, wonach die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen gerichtete Verfolgungshandlung auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen gilt. Die gegenüber dem zweiten handelsrechtlichen Geschäftsführer der G GmbH - nach dem Beschwerdevorbringen - am zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung durch die erstinstanzliche Behörde hat die sechsmonatige Verjährungsfrist hinsichtlich der Anzeige vom jedenfalls unterbrochen.
Als Verfahrensfehler rügt der Beschwerdeführer das Unterlassen der Beiziehung eines technischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die G GmbH die Prüfvorrichtung ordnungsgemäß konstruiert habe und die Quetschstelle an der tatsächlich gelieferten Einrichtung für einen technischen Laien nicht erkennbar gewesen sei.
Da - wie oben gezeigt - beide Beweisthemen für die Klärung der Rechtsfrage in diesem Verfahren ohne Belang sind, hat die belangte Behörde zu Recht von der Beiziehung eines Sachverständigen abgesehen. Es kommt nämlich nicht auf die ordnungsgemäße Konstruktion der Maschine durch die Herstellerfirma oder die Erkennbarkeit des Widerspruchs zu einschlägigen Vorschriften durch einen technischen Laien an, sondern darauf, dass die konkrete Maschine im Tatzeitpunkt - dies ist im vorliegenden Verfahren unbestritten - nicht den Vorgaben der G GmbH und damit nicht den dargestellten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen entsprochen hat und dies der Arbeitgeber mangels eines wirksamen Kontrollsystems - es hätte zumindest die Abweichung zu den eigenen Konstruktionsplänen auffallen müssen - nicht erkannt hat.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am