VwGH vom 18.05.2009, 2006/17/0032
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der MB in L, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Naglergasse 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3165301/004- 2005, betreffend Vorschreibung einer Vorauszahlung auf die Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde u.a. der Beschwerdeführerin anlässlich der Umgestaltung der öffentlichen Kanalanlage von einem Regenwasserkanal in einen Mischwasserkanal hinsichtlich der Liegenschaft in P Nr. 144 eine Vorauszahlung von 80 % auf die zu entrichtende Kanaleinmündungsabgabe in Höhe von EUR 2.953,39 (zuzüglich USt.) vor.
Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, anlässlich einer Begehung vom u. a. mit dem Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde und dem Zivilingenieur DI Norbert D sei festgestellt worden, dass bei der beabsichtigten Umgestaltung des bestehenden Regenwasserkanals in einen Schmutzwasserkanal die Kanaltrasse unmittelbar über dem Weinkeller der genannten Liegenschaft geführt werde. Der Schmutzwasserkanal werde auch die Abwässer der oberhalb der Liegenschaft gelegenen Hauszeile aufzunehmen haben. Die Einmündungen würden in einem steilen Winkel in den Kanal geleitet, sodass die abschießenden Abwässer ohne Druckausgleich zu einem "Abwasseraufbau" führten, welcher von den Rohren über dem Keller aufgefangen werden müsse. Bei der geringsten Undichtheit der Verrohrung komme es zu einem Abschwemmen der Abwässer in den Liegenschaftsbereich und somit zu einer Verunreinigung, deren Ausmaß nicht vorhergesehen werden könne. Darüber hinaus sei aus dem unter dem Straßenniveau gelegenen Gebäude auf dieser Liegenschaft eine aufsteigende Abwasserleitung nach oben zu führen und neben einer Pumpenanlage eine Rückschlagsicherung in den Sammelkanal einzubauen, welche die direkte Abfuhr der Schmutzwässer in das Gebäude zu verhindern hätte. Damit werde das Risiko von Kanalgebrechen auf die Beschwerdeführerin überwälzt, obwohl die für das Haus eingerichtete Abwässerkläranlage seit deren Bestehen mängelfrei benützt werde.
Mit Schreiben vom erstattete DI Norbert D über Auftrag der belangten Behörde dazu eine gutachterliche Stellungnahme.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der rechtlichen Grundlagen aus, zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei mit den Bauarbeiten am gegenständlichen bewilligten Kanalabschnitt bereits begonnen worden. Das Einfamilienhaus auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft sei ein Gebäude mit Abwasseranfall.
Im Verfahren um die Kanalanschlussverpflichtung sei weder die wirtschaftliche Zumutbarkeit der verfügten Maßnahme noch das Ausmaß der Benützung des Gebäudes zu prüfen. Auch die Möglichkeit, die Abwässer auf andere Art zu entsorgen (z.B. durch eine Senkgrube) hindere die Anschlusspflicht nicht. In der Vorstellung sei auch keine technische Unmöglichkeit des Anschlusses aufgezeigt worden, weil Pump- und Hebestationen bei Kanalanlagen dem technischen Standard angehörten. Auch die Länge der Hausanschlussleitung von 25 m zeige keine technische Unmöglichkeit des Anschlusses an die Ortskanalisation auf. Auch der Sachverständige gehe davon aus, dass der Anschluss zumindest durch Einsatz von Pumpen bewerkstelligt werden könne.
Dem Vorbringen, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Bauarbeiten oberhalb des Kellergewölbes bzw. die Trassenführung oberhalb des Hauses eine Gefahr für den Keller und die gesamte Liegenschaft darstellten, könne kein Zusammenhang mit dem gegenständlichen Abgabenfestsetzungsverfahren entnommen werden. In Schadens- bzw. Emissionsfällen stünden hier nicht weiter zu erörternde Ansprüche nach § 26 Abs. 2 WRG (Ausgleichsanspruch nach dem Wasserrechtsgesetz), § 364a ABGB (nachbarrechtliche Ausgleichspflicht) und § 1293 ff ABGB (allgemeine schadenersatzrechtliche Bestimmungen) zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die §§ 3a und 17 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230 (in der Folge: NÖ KanalG), lauten jeweils in der Fassung LGBl. 8230-5:
"§ 3a
Vorauszahlungen
(1) Liegt für eine öffentliche Kanalanlage ein nach den gesetzlichen Vorschriften bewilligtes und vom Gemeinderat beschlossenes Projekt vor, so ist die Gemeinde berechtigt, unter sinngemäßer Anwendung des § 152 Abs. 1 NÖ Abgabenordnung, LGBl. 3400, auf Grund einer Verordnung des Gemeinderates, Vorauszahlungen auf die nach den §§ 2 und 3 zu entrichtende Kanaleinmündungsabgabe zu erheben.
(2) Die im Abs. 1 genannte Abgabe ist vom Zeitpunkt des Baubeginnes der Anlage an für jene Liegenschaften zu erheben, für die im Falle der Fertigstellung des bewilligten Kanalprojektes Anschlusspflicht bestehen würde. Wird die öffentliche Kanalanlage in mehreren Bauabschnitten errichtet, so können Vorauszahlungen nur jeweils für begonnene Bauabschnitte erhoben werden.
…
§ 17
Hauskanäle, Anschlussleitungen
(1) Die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluss an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, haben Gebäude mit Abwasseranfall mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen. Der Hauskanal mitsamt dem Anschluss an die Anschlussleitung (Absatz 2) ist auf Kosten des Liegenschaftseigentümers (Bauwerbers) nach den näheren Bestimmungen der NÖ Bauordnung herzustellen. Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlussverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet, die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, dass ein Anschluss an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Bei Neubauten ist im Vorhinein auf die Anschlussmöglichkeit Bedacht zu nehmen.
(2) Der Hauskanal umfasst die Hausleitung bis zur Grenze der anschlusspflichtigen Liegenschaft, im Falle des § 18 Abs. 1 jedoch bis zur Einmündung in den öffentlichen Grund. Die Anschlussleitung umfasst das Verbindungsstück zwischen dem Hauskanal und dem Straßenrohrstrang."
Die Niederösterreichische Bauordnung 1996, LGBl. 8200 (in der Folge: NÖ BauO 1996), in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 5. Novelle, LGBl. 8200-11, regelt in ihrem § 62 die Abwasserentsorgung wie folgt (auszugsweise):
"(1) ...
(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlussmöglichkeit besteht, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten.
Von dieser Anschlussverpflichtung sind Liegenschaften
ausgenommen, wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine
Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche
Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und
1. die Bewilligung dieser Kläranlage vor der
Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde, die Schmutzwässer der
Liegenschaft über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen
(Grundsatzbeschluss), erfolgte und noch nicht erloschen ist und
2. die Reinigungsleistung dieser Kläranlage
- dem Stand der Technik entspricht und
- zumindest gleichwertig ist mit der Reinigungsleistung jener
Kläranlage, in der die Schmutzwässer aus der öffentlichen Anlage
gereinigt werden,
und
3. die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der
öffentlichen Anlage nicht gefährdet.
Die Entscheidung der Gemeinde nach Z. 1 ist nach Beschlussfassung durch den Gemeinderat durch mindestens sechs Wochen an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen und den Haushalten, die sich im Anschlussbereich der geplanten Kanalisationsanlage befinden, durch eine ortsübliche Aussendung bekannt zu geben.
Innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist hat der Liegenschaftseigentümer einen Antrag um Ausnahme von der Anschlussverpflichtung bei der Baubehörde einzubringen. Diesem Antrag sind der Nachweis der wasserrechtlichen Bewilligung der Kläranlage und wenn diese schon betrieben wird, ein Befund über deren Reinigungsleistung, erstellt von einer hiezu befugten Stelle (staatlich autorisierte Anstalt, in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat akkreditierte Stelle, Sachverständiger), anzuschließen.
Wird die Ausnahme genehmigt, hat der Liegenschaftseigentümer, beginnend mit der Inbetriebnahme seiner Kläranlage bzw. der Rechtskraft des Ausnahmebescheids, in Zeitabständen von jeweils fünf Jahren unaufgefordert einen Befund über die aktuelle Reinigungsleistung der Baubehörde vorzulegen. Ist die Reinigungsleistung nicht mehr jener der Kläranlage der öffentlichen Kanalisation gleichwertig, ist der Ausnahmebescheid aufzuheben.
Ist der Anschluss an einen öffentlichen Kanal nicht möglich, sind die Schmutzwässer in eine Senkgrube zu leiten oder über eine Kläranlage, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, abzuleiten.
..."
Die Beschwerdeführerin behauptet nun in ihrer Beschwerde nicht, es werde ihr nicht möglich sein, ihre Liegenschaft an den öffentlichen Kanal anzuschließen. Vielmehr wendet sie sich gegen die Vorschreibung der Vorauszahlung der Kanaleinmündungsabgabe mit dem Vorbringen, dass auf Grund des Niveauunterschieds zwischen dem Gebäude auf ihrer Liegenschaft und dem Kanal ein Anschluss nur mit hohem Aufwand (v. a. Pumpen) erfolgen könne.
Während nach § 56 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 eine Anschlussverpflichtung nur dann gegeben war, wenn u. a. die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne technische Vorrichtungen möglich war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0091, mwN), wurde diese Ausnahme in § 62 Abs. 2 NÖ BauO 1996 nicht mehr übernommen. Dies wurde im Bericht des Bauausschusses (Ltg.-400/B-23, zitiert in Hauer/Zaussinger, NÖ Baurecht5, 353) damit begründet, dass im Zeichen eines umfassenden Grundwasserschutzes die Anschlussverpflichtung - bei Vorliegen einer Möglichkeit - ohne die bisherigen Einschränkungen (Anschlussleitungen nicht länger als 50 m bzw. ohne Pumpwerk) unbedingt erforderlich sei.
Mit Erkenntnis vom , G 322/01 u. a., VfSlg. 16.534, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Bestimmung des § 62 Abs. 2 erster und zweiter Satz der NÖ BauO 1996 in ihrer Stammfassung LGBl. 8200-0 verfassungswidrig war und hat die genannte Bestimmung in der Fassung LGBl. 8200-3 als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis aus, dass er grundsätzlich keine Bedenken habe, wenn ein Anschlusszwang im Interesse der wirtschaftlichen Führung einer kommunalen Kanalisationsanlage verfügt werde. Ob eine Ausnahme vom Anschlusszwang dieses Interesse gefährden würde, sei im Einzelfall zu prüfen, was aber den Verwaltungsbehörden durch die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht erlaubt werde.
Eine Ausnahmebestimmung müsste nur solche Abwasserreinigungsanlagen erfassen, die dem Stand der Technik entsprächen und der kommunalen Anlage gleichwertig oder überlegen seien. Eine Ausnahme für solche Anlagen sei von Verfassungs wegen auch nur dann geboten, wenn sie bereits bestünden, bevor die kommunale Anlage gebaut werde, und wenn ihre Errichtung für die nunmehr Anschlusspflichtigen mit spürbaren Aufwendungen verbunden gewesen sei, die nun frustriert erschienen. Diese Umstände wären, ebenso wie die Frage, ob eine konkrete Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Anlage gefährden würde, im Einzelfall von der Behörde zu prüfen, welche die BauO zu vollziehen habe.
Um der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung zu tragen, wurde mit der Novelle 2003 in § 62 Abs. 2 NÖ BauO eine Ausnahme von der Anschlusspflicht für vor der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde über die Errichtung der Kanalanlagen bewilligte Kläranlagen, die dem Stand der Technik entsprechen und die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Anlage nicht gefährdet, geschaffen (Hauer/Zaussinger, NÖ Baurecht7, 620).
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie über eine solche Kläranlage verfüge, sodass die Ausnahmebestimmung des § 62 Abs. 2 zweiter Satz ff NÖ BauO zur Anwendung gelange. Das Vorbringen, wonach das Haus auf ihrer Liegenschaft bereits vor Jahrzehnten errichtet worden sei und über eine intakte Kläranlage verfüge, ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig von Bedeutung wie jenes, dass das Gebäude nur fallweise benützt werde, und daher die bestehende Abwasseranlage "vollkommen" ausreiche, zumal damit das Vorliegen einer Bewilligung nach § 62 Abs. 2 NÖ BauO 1996 nicht behauptet wird.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist dem § 62 NÖ BauO 1996 nicht zu entnehmen, dass im Falle von "aufwendigen Zusatzeinrichtungen zur Verbringung der geringen Abwässer vom tief gelegenen Kellerboden bis zum Straßenniveau" keine Anschlusspflicht bestehe. Nach § 62 Abs. 2 NÖ BauO 1996 genügt (bereits) die Anschlussmöglichkeit, um die Verpflichtung zur Ableitung in den öffentlichen Kanal zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0195, mwN).
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Gefahren, die ihres Erachtens durch die Errichtung bzw. Umwandlung des Regenwasserkanals in einen Mischwasserkanal für ihre Liegenschaften entstehen, ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass - wie auch die belangte Behörde ausgeführt hat - diese weder für die Anschlusspflicht noch für die Abgabenschuld von Bedeutung sind.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am