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VwGH vom 14.11.2012, 2011/08/0110

VwGH vom 14.11.2012, 2011/08/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der L Y in W, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/6/8798/2010-4, betreffend Übertretung des § 111 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Y GmbH zu verantworten, dass die Y GmbH als Arbeitgeberin den Arbeitnehmer Z von bis einschließlich als Küchenhilfe für die Y GmbH beschäftigt habe, dass die Y GmbH diesen Arbeitnehmer jedoch nicht zeitgerecht (vor Arbeitsbeginn/Dienstantritt) beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet habe. Sie habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 33 Abs. 1 iVm § 111 ASVG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen) verhängt. Gemäß § 9 Abs. 7 VStG wurde ausgesprochen, dass die Y GmbH für die mit diesem Bescheid über die zur Vertretung nach außen berufene Beschwerdeführerin verhängte Geldstrafe von EUR 730,-- und die Verfahrenskosten sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand hafte.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Sie machte geltend, sie bestreite nicht, dass Z bei ihr im Betrieb beschäftigt gewesen sei. Z habe sich allerdings unter dem Namen YL bei der Beschwerdeführerin vorgestellt und als Nachweis seiner Identität eine e-card, einen Meldezettel sowie einen österreichischen Personalausweis vorgelegt. Da das Foto auf dem österreichischen Personalausweis vom jetzigen Aussehen des Z etwas abweiche, habe die Beschwerdeführerin Z noch ausdrücklich danach gefragt, ob dieser Ausweis tatsächlich sein Ausweis sei. Z habe daraufhin mitgeteilt, dass das Foto bereits etwas älter sei, er damals noch mehr Haare gehabt habe und schlanker gewesen sei. Der Beschwerdeführerin sei der von Z vorgelegte Personalausweis nicht weiter verdächtig vorgekommen. Sie habe den Angaben des Z Glauben geschenkt. Die Beschwerdeführerin selbst sehe schlecht und benötige eine Brille; sie nehme diese jedoch nicht regelmäßig. Sie habe keinen vernünftigen Grund gehabt, an der Richtigkeit der Angaben des Z zu zweifeln. Unter dem offenkundig falschen Namen YL habe die Beschwerdeführerin Z fristgerecht, nämlich vor Aufnahme der Beschäftigung beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet. Z habe auch gegenüber den anderen Mitarbeitern der Beschwerdeführerin immer angegeben, dass sein Name YL sei. Er habe ihnen gegenüber nie einen anderen Namen verwendet oder andere Dokumente gezeigt; im Betrieb sei er immer als YL bezeichnet worden. Die Beschwerdeführerin treffe zumindest kein Verschulden an der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde - nach Darlegung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei Geschäftsführerin der Y GmbH. In den Betriebsräumlichkeiten dieser GmbH sei am Z bei seiner Arbeit als Küchenhilfe angetroffen worden. Für diesen Ausländer gebe es keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung. Eine Meldung zur Pflichtversicherung sei nicht erstattet worden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der Rechtfertigung der Beschwerdeführerin, dass sie aufgrund ihrer Sehschwäche nicht erkannt habe, dass der ihr vorgelegte Personalausweis des YL nicht dessen wahre Identität wiedergebe, sei nicht zu folgen. Wie sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Sohn in der mündlichen Verhandlung angegeben hätten, seien in jenem Zeitraum ca. drei bis vier Personen in der Küche beschäftigt gewesen. YL habe angegeben, tatsächlich selbst im Betrieb für kurze Zeit beschäftigt gewesen zu sein. Die Angaben des YL über seine Beschäftigung seien glaubwürdig gewesen. Wenn man davon ausgehe, dass YL tatsächlich zum gleichen Zeitpunkt wie Z im Betrieb der Beschwerdeführerin beschäftigt worden sei, so müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin gewusst habe, dass neben YL auch Z bei ihr beschäftigt gewesen sei. Die Angaben der Beschwerdeführerin darüber, dass es sich bei Z um jene Person gehandelt habe, welche sich als YL bei ihr vorgestellt habe, seien deshalb "offensichtlich irrtümlich erstattet worden". Wenn man davon ausgehe, dass alle von der Beschwerdeführerin (als Zeugen) beantragten Personen als Köche bei ihr gearbeitet hätten, so hätte es ihr auffallen müssen, dass bei der von ihr genannten Anzahl von drei bis vier Köchen noch eine weitere Person in der Küche gestanden und dort beschäftigt gewesen sei. Der von YL vorgelegte Personalausweis habe durchaus seine Identität durch das vorhandene Lichtbild wiedergegeben. Das von Z angefertigte Lichtbild habe offensichtlich eine völlig andere Person wiedergegeben als das Lichtbild des Personalausweises von YL. Die Angaben darüber, dass sich Asylwerber falsche Identitäten aneigneten, um über ihre Staatsangehörigkeit zu täuschen und arbeiten zu können, habe nicht überprüft werden können, dies sei aber auch irrelevant. YL habe der Beschwerdeführerin bereits deshalb bekannt sein müssen, weil dieser bereits 1993 bei ihr beschäftigt gewesen sei; damals sei ein Strafverfahren wegen der illegalen Beschäftigung des YL geführt worden. Insgesamt seien die Angaben der Beschwerdeführerin höchst unglaubwürdig; dies resultiere wohl auch daraus, dass sie sich in der Identität der Person, für welche sie bestraft worden sei, getäuscht habe. Auch wenn die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer verminderten Sehstärke angebe, die beiden Personen verwechselt zu haben, so sei dies insofern unglaubwürdig, da ihr auffallen hätte müssen, dass eine Person mehr in der Küche beschäftigt sei. Die Angaben über die Sehschwäche seien auch deshalb für die illegale Beschäftigung irrelevant, da diese nach ihren Angaben bereits seit 2006 bestanden habe. Sie hätte deshalb bei der Überprüfung der Identität des Z eine Person heranziehen müssen, welche besser sehe und Personen auch geeignet identifizieren könne. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die bereits vorhandenen Unterlagen zu YL im Strafverfahren dafür verwendet habe, eine legale Beschäftigung nachzuweisen. Die Unterlagen zu YL seien aufgrund dessen Beschäftigung unzweifelhaft im Betrieb der Beschwerdeführerin vorhanden gewesen. Da eine Entfremdung des Personalausweises und der e-card durch YL nicht stattgefunden habe und deshalb Z nicht über dessen Unterlagen verfügt habe, sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Unterlagen des YL verwendet habe.

Unter Zugrundelegung der Sachverhaltsfeststellungen sei das Tatbild des § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihr die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne ihr Verschulden nicht möglich gewesen wäre. Der objektive Unrechtsgehalt der angelasteten Taten könne nicht als gering gewertet werden, weil die Nichtanmeldung von Arbeitskräften auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zu volkswirtschaftlichen Schäden führe. Es sei nicht hervorgekommen, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Da davon ausgegangen werde, dass die Beschwerdeführerin die Unterlagen des von ihr auch beschäftigten YL missbräuchlich verwendet habe, um über die Identität des von ihr beschäftigten Z hinwegzutäuschen, sei jedenfalls von einem hohen Verschulden auszugehen. Es sei nur die Mindeststrafe verhängt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei der von ihr beschäftigten Person Z um YL handle, welchen sie ordnungsgemäß beim Krankenversicherungsträger angemeldet habe. Der Beschwerdeführerin könne somit kein Verschulden angelastet werden. Weiter bekämpft die Beschwerdeführerin umfangreich die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

2. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 24 E 28).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nach ständiger Rechtsprechung nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, nicht widersprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0252, mwN).

Im Kern beruhen die Ausführungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung darauf, dass sie - den Aussagen des Zeugen YL folgend - davon ausgeht, dass dieser tatsächlich (entsprechend seinen Angaben von März bis Juni oder Juli 2009) bei der Y GmbH beschäftigt war. Ausgehend hievon wäre die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin bekannt sein musste, dass auch der bei der Kontrolle am in den Räumlichkeiten der Y GmbH betretene Z bei der Y GmbH beschäftigt, jedoch nicht angemeldet war, nicht zu beanstanden.

Die Feststellung der Beschäftigung des YL bei der Y GmbH in diesem Zeitraum beruht aber auf einer unvollständigen und damit unschlüssigen Beweiswürdigung. Zunächst sind die Aussagen des Zeugen YL - worauf die Beschwerde verweist - zu den Umständen der Beschäftigungsaufnahme und zur tatsächlichen Beschäftigung einerseits wenig konkret (es könne sein, dass er die Beschwerdeführerin schon einmal gesehen habe; die Namen der weiteren in der Küche beschäftigten Personen könne er nicht angeben) und anderseits mit den übrigen Beweisergebnissen nur schwer in Einklang zu bringen (Aufnahme durch eine etwa 30 bis 40 Jahre alte Frau; kein Kontakt mit dem Sohn der Beschwerdeführerin; Aussagen zu den im Zuge der Beschäftigungsaufnahme vorgelegten Urkunden). Die als Zeugen befragten Köche der Y GmbH (CZ und TT) sagten hingegen übereinstimmend aus, der bei der Kontrolle betretene Z sei ihnen unter dem Namen YL bekannt gewesen; er habe sich auch mit diesem Namen bei ihnen vorgestellt. Die am Personalausweis des YL abgebildete Person sei hingegen nicht der ihnen bekannte YL. Auch wenn diese beiden Zeugen nicht gefragt wurden, ob ihnen diese am Personalausweis abgebildete Person im Übrigen bekannt sei, wäre aber wohl davon auszugehen, dass die Zeugen angegeben hätten, dass diese Person ebenfalls bei der Y GmbH beschäftigt gewesen wäre, wäre dies der Fall gewesen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Aussagen der Zeugen CZ und TT jenen des Zeugen YL gerade zur zentralen Annahme der belangten Behörde, YL sei tatsächlich während des hier zu beurteilenden Zeitraumes bei der Y GmbH beschäftigt gewesen, widersprechen. Mit diesem Widerspruch hat sich die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung aber nicht auseinandergesetzt.

3. Da die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zur Beweiswürdigung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-86246