VwGH vom 11.10.2012, 2009/01/0068

VwGH vom 11.10.2012, 2009/01/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M P in W, vertreten durch Suppan Spiegl Rechtsanwälte GmbH in 1160 Wien, Konstantingasse 6-8/9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/IV-P 102/09 und P 135/09, betreffend Parteistellung und Zurückweisung von Anträgen in einer Staatsbürgerschaftsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 (StbG), fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 8 AVG "keine Parteistellung hinsichtlich der Staatsbürgerschaftsverfahren seiner beiden Kinder" Vera P. und Marko P. habe. Die Anträge des Beschwerdeführers "auf Akteneinsicht und auf Wiederaufnahme" der Staatsbürgerschaftsverfahren der genannten Kinder vom bzw. würden daher zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Kindesmutter Valentina P. habe am für die minderjährige Vera P., geboren am in Wien, sowie am für den minderjährigen Marko P., geboren am in Wien, den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt. Die Obsorge für die beiden Kinder sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom der Kindesmutter alleine übertragen worden. Einem dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Rekurs sei mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom keine Folge gegeben worden. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom sei der außerordentliche Revisionsrekurs des Beschwerdeführers zurückgewiesen und die alleinige Obsorge der Mutter hinsichtlich der genannten Kinder bestätigt worden.

Im maßgeblichen Zeitraum von der Antragstellung bis zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an die beiden Kinder sei die alleinige Obsorge nur der Kindesmutter zugestanden. Die Zustimmung des Kindesvaters - des Beschwerdeführers - zum Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei somit nicht erforderlich gewesen.

Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom bzw. Anträge auf Wiederaufnahme der Staatsbürgerschaftsverfahren seiner Kinder gestellt und dazu vorgebracht, er sei dazu antragslegitimiert, da ihm im wiederaufzunehmenden Verfahren "analog zu Verwaltungsverfahren" im Sinne des Namensänderungsgesetzes Parteistellung zukomme. Entgegen dieser Ansicht des Beschwerdeführers sei die Regelung der Parteistellung im Namensänderungsgesetz aber nicht analog anzuwenden, da im StbG - anders als im Namensänderungsgesetz - die Parteistellung nicht explizit geregelt sei und somit § 8 AVG zur Anwendung gelange. Da die Obsorge hinsichtlich der beiden Kinder nur der Mutter zugestanden sei und eine Einwilligung des Beschwerdeführers in den Verleihungsverfahren der beiden Kinder nicht erforderlich gewesen sei, sei der Beschwerdeführer an diesen Verfahren auch nicht vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt, sodass er auch keine Partei im Sinne des § 8 AVG sei. Aus dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0341, ergebe sich weiters, dass selbst ein antragstellender gesetzlicher Vertreter lediglich im Namen des nicht eigenberechtigten Fremden und für diesen tätig werde, wobei nur dem nicht eigenberechtigten Fremden Parteistellung zukomme und nichts darauf hindeute, dass vom Gesetzgeber an eine Parteistellung des gesetzlichen Vertreters zur Wahrnehmung eigener Interessen gedacht gewesen sei. Dem Beschwerdeführer wäre daher selbst dann, wenn er im maßgeblichen Zeitraum gesetzlicher Vertreter gewesen wäre, keine Parteistellung in den Staatsbürgerschaftsverfahren seiner beiden Kinder zugekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; darin wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "Recht auf Information und Äußerung iSd § 176 ABGB, welches demjenigen Elternteil, der nicht mit der Obsorge betraut ist, zusteht, und dadurch in seinem Recht auf Parteistellung gemäß § 8 AVG sowie Gewährung von Akteneinsicht im Verfahren über die Verleihung der Staatsbürgerschaft an seine ehelichen unmündigen Kinder, letztlich im Recht auf Abweisung von gegen seinen Willen und ohne seine Anhörung und Zustimmung gestellten Anträge(n) auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie im aus der Parteistellung resultierenden Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens" verletzt.

Die belangte Behörde teilte mit, dass die Originalakten des Verwaltungsverfahrens in Verstoß geraten seien, und legte rekonstruierbare Teile des Aktes vor. Sie beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung seines Standpunktes, ihm komme in den Verfahren, in denen seinen ehelichen Kindern die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, Parteistellung zu, im Wesentlichen vor, die belangte Behörde sei zu Unrecht von einem "Parallelfall" zu demjenigen Fall, der mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0341, entschieden worden sei, ausgegangen. Im Unterschied zu diesem Fall, in dem eine Parteistellung des Vaters, damit dieser gegenüber den Interessen seiner antragstellenden Kinder sein Interesse an einer Abwehr höherer Unterhaltsansprüche dieser Kinder ihm gegenüber durchsetzen könne, verneint worden sei, handle der Beschwerdeführer aber nicht aufgrund eigener Interessen, sondern zum Wohle seiner minderjährigen Kinder. Die Ehefrau des Beschwerdeführers versuche die gemeinsamen Kinder dem gemeinsamen Staatsverband zu entziehen, führe dadurch eine Entfremdung zwischen Vater und Kindern herbei und nehme dem Beschwerdeführer sein erzieherisches Mitbestimmungsrecht. Vielmehr hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass dem Beschwerdeführer vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses - basierend auf und ableitbar aus § 178 ABGB - Parteistellung im Staatsbürgerschaftsverfahren seiner ehelichen unmündigen Kinder zukomme. Selbst wenn der Kindesmutter die alleinige Obsorge zustehe, sei immer noch § 178 Abs. 1 ABGB heranzuziehen, wonach einem Elternteil, der nicht mit der Obsorge betraut sei, das Recht zustehe, von demjenigen, der mit der Obsorge betraut sei, von wichtigen Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 154 Abs. 2 und 3 ABGB, rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu in angemessener Frist zu äußern. Maßnahmen nach § 154 Abs. 2 und 3 ABGB seien insbesondere auch Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteiles, die den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche betreffen. Der Verwaltungsgerichtshof habe daher etwa angenommen, dass auch der außereheliche Vater Parteistellung im Namensänderungsverfahren habe, weil ihm § 178 ABGB das Recht einräume, sich zu einer Namensänderung seines Kindes zu äußern (Verweis u.a. auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0377). In Analogie dazu müsse auch dem ehelichen Vater Parteistellung im Verfahren über die Verleihung der Staatsbürgerschaft an seine ehelichen unmündigen Kinder zugebilligt werden.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Das StbG enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen darüber, wer im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an nicht eigenberechtigte Fremde Parteistellung besitzt.

Nach § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Im § 8 AVG wird unter Verwendung der Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" festgelegt, in welcher Beziehung an einem Verwaltungsverfahren Beteiligte zu diesem Verfahren stehen müssen, damit ihnen die Stellung einer Partei zukommt. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichem Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, an Hand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden; auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0133, mwH). Die Parteistellung kann auch durch subjektive Privatrechte vermittelt werden, sofern sich der Bescheid unmittelbar auf diese auswirken kann, was voraussetzt, dass der Verwaltungsbehörde ausnahmsweise die Wahrung von Privatrechten aufgetragen ist und die privatrechtlichen Vorschriften daher in einer Beziehung zum Gegenstand des Verwaltungsverfahrens stehen (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb , AVG, Rz. 4 zu § 8 AVG genannte hg. Judikatur).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0341, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, lässt auch die Neufassung des § 19 StbG durch die (im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde insofern noch maßgebliche) Novelle BGBl. I Nr. 124/1998 nicht erkennen, dass an eine Parteistellung des gesetzlichen Vertreters im Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ein von diesem vertretenes Kind gedacht war. Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber dem nicht zur Vertretung berufenen Elternteil eine derartige Parteistellung einräumen wollte, lassen sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Wie im genannten hg. Erkenntnis zu Zl. 2002/01/0341 ausgeführt wurde, gingen die Materialien zur Stammfassung des § 19 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 250, davon aus, dass im Verleihungsverfahren des nicht eigenberechtigten Fremden nur diesem allein Parteistellung zukommt, nicht hingegen dem - damals vorgesehen - antragstellenden Dritten, dem die gesetzliche Vertretung nicht zukommt. Gründe dafür, warum ungeachtet dessen von einer im StbG verankerten Wahrung der Rechte nach § 178 iVm § 154 Abs. 2 ABGB auf Information und Anhörung desjenigen Elternteils, der mit der Obsorge nicht betraut ist, auszugehen wäre, trägt die Beschwerde nicht vor.

Da demnach das StbG eine Parteistellung des nicht obsorgeberechtigten Elternteils im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an sein nicht eigenberechtigtes Kind nicht vorsieht, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer (der seinem Vorbringen zufolge ebenso wie seine Ehefrau serbischer Staatsangehöriger ist) im Verleihungsverfahren seiner Kinder Rechte aus § 178 Abs. 1 iVm § 154 Abs. 2 ABGB ableiten könnte.

Soweit der Beschwerdeführer eine Übertragung der zur Frage der (eingeschränkten) Parteistellung des nicht obsorgeberechtigten Elternteils im Namensänderungsverfahren seines Kindes nach dem Namensänderungsgesetz ergangenen hg. Judikatur anstrebt, übersieht er, dass die Regelungen nicht vergleichbar sind. So genügt es darauf hinzuweisen, dass das Namensänderungsgesetz - anders als das StbG - eine ausdrückliche Bestimmung (§ 8 Abs. 1) über die Frage der Parteistellung enthält, die ihrerseits zum Ausdruck bringt, dass damit keine erschöpfende Aufzählung der Parteien vorgenommen wurde (vgl. dazu etwa das in der Beschwerde genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0377, mwH). Derartiges ist dem StbG aber nicht zu entnehmen.

Soweit der Beschwerdeführer überdies geltend macht, ihm sei im hier relevanten Zeitraum des Verleihungsverfahrens seiner Kinder "ungeachtet anderslautender österreichischer Entscheidungen" nach wie vor die gemeinsame Obsorge hinsichtlich seiner beiden Kinder zugekommen, zumal in diesem Zeitraum in Serbien ein Ehescheidungsverfahren anhängig gewesen und in diesem Verfahren von einem serbischen Gericht festgestellt worden sei, dass bis zur Beendigung dieses Verfahrens die Kinder unter gemeinsamer Obsorge stünden, so könnte auch dieses - allerdings unzutreffende (vgl. dazu den den Beschwerdeführer betreffenden Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 16/08x) - Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Nach dem Gesagten käme dem Beschwerdeführer nämlich auch in diesem Fall aus den im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0341, genannten Gründen keine Parteistellung im Verleihungsverfahren seiner nicht eigenberechtigten Kinder zu.

Da sich demnach sowohl die Feststellung, dem Beschwerdeführer komme in den Verleihungsverfahren seiner beiden Kinder keine Parteistellung zu, als auch die darauf gegründete Zurückweisung der Anträge auf Akteneinsicht und Wiederaufnahme der genannten Staatsbürgerschaftsverfahren als rechtmäßig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Da die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vollständig vorgelegt hat, war der von ihr verzeichnete Vorlageaufwand nicht zuzuerkennen und ihr diesbezügliches Mehrbegehren abzuweisen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0296, mwH).

Wien, am