VwGH vom 19.12.2012, 2011/08/0089

VwGH vom 19.12.2012, 2011/08/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A H in S, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 13, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom , Zl. 20305- V/14.833/3-2011, betreffend Beitragspflicht nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landessstelle Salzburg, in 5020 Salzburg, Auerspergstraße 24), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom verpflichtete die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt den Beschwerdeführer, nachdem dieser die "bescheidmäßige Aufstellung (seiner) Abgabenschuld" beantragt hatte, 1. gemäß § 27 iVm. § 274 Abs. 4 GSVG zur Entrichtung monatlicher Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 8,19 für den Zeitraum bis , 2. gemäß § 27 GSVG zur Entrichtung monatlicher Beiträge zur Pensionsversicherung in Höhe von EUR 147,62 für den Zeitraum bis und in Höhe von EUR 156,84 für den Zeitraum bis und 3. gemäß § 74 Abs. 1 ASVG zur Entrichtung ziffernmäßig bezeichneter jährlicher Beiträge zur Unfallversicherung im Zeitraum bis und ziffernmäßig bezeichneter monatlicher Beiträge zur Unfallversicherung im Zeitraum bis .

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer "seit 1998 bis laufend" auf Grund seiner Gewerbeberechtigung "im Rahmen des GSVG" in der Kranken- und Pensionsversicherung sowie nach dem ASVG in der Unfallversicherung pflichtversichert sei. Außer in den Jahren 1998, 1999 und 2002 sei er von der Pflichtversicherung nach dem GSVG auf Grund des § 4 Abs. 1 Z 7 GSVG ausgenommen gewesen.

Für das Kalenderjahr 1999 habe überdies nach dem B-KUVG eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bestanden, sodass für dieses Jahr "nur die Pensionsversicherung vorzuschreiben" gewesen sei. Auf Grund der Einkommensdaten des Beschwerdeführers sei die Beitragsgrundlage errechnet worden und der Beitrag in der Pensionsversicherung unter Heranziehung des Beitragssatzes von 14,5 % gebildet worden. Dieser monatliche Betrag sei für die Monate Jänner und Februar ebenso wie der Jahresbeitrag der Unfallversicherung beglichen worden. Für März und die folgenden Monate dieses Jahres seien keine Einzahlungen getätigt worden.

Für das Kalenderjahr 2002 habe ebenfalls eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG bestanden, sodass eine Mehrfachversicherung festzustellen gewesen sei. Auf Grund der Einkommensdaten des Beschwerdeführers seien die jeweiligen Beitragsgrundlagen in der Kranken- und Pensionsversicherung errechnet und die Beiträge gebildet worden, wobei in der Krankenversicherung die Beitragsgrundlage nach dem B-KUVG berücksichtigt worden sei.

In allen restlichen Jahren komme "nur die Unfallversicherung zum Tragen", weil nach dem GSVG eine Ausnahme von der Pflichtversicherung bestanden habe. Der Unfallversicherungsbeitrag werde nach dem ASVG berechnet und sei ein jährlicher bzw. (ab 2005) monatlicher Fixbetrag unabhängig von der konkreten Beitragsgrundlage.

In Summe ergebe sich ein Beitragsrückstand in der Höhe von EUR 4.399,01 (entspricht der Summe der im Spruch genannten Beiträge). An Verzugszinsen seien bis zum Stichtag EUR 1.363,94 angefallen, sodass der gesamte offene Saldo zum Stichtag EUR 5.762,95 betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob der (unvertretene) Beschwerdeführer Einspruch, in dem er vorbrachte, dass es sich "hauptsächlich um Beitragsdoppelzahlungen" handle, weil er einerseits seit "ca. Juli 1992" vom Bund eine Pension bekomme und andererseits seit Jahren "Sonderklasse krankenversichert" sei. Die Unfallversicherungsbeiträge habe er "für die laufenden Jahre" bezahlt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch als unbegründet ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass im Einspruch weder die den Beitragsvorschreibungen zugrunde liegende Versicherungspflicht noch die rechtliche und rechnerische Korrektheit der Beitragsfestsetzung und -vorschreibung in Frage gestellt werde. Der vorliegende Akt enthalte auch keine Anhaltspunkte für gegenteilige Annahmen. Zur ins Treffen geführten "Pension vom Bund" sei festzuhalten, dass die Versicherungspflicht nach dem GSVG an der unstrittig seit 1998 bis laufend bestehenden Gewerbeberechtigung anknüpfe. Auch das Bestehen einer privaten Krankenversicherung beseitige nicht die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung. Richtig sei, dass der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2000 Unfallversicherungsbeiträge bezahlt habe. Insoweit sei aber "insbesondere auf § 35 Abs. 1 letzter Satz GSVG zu verweisen"; "rückstandsbedingt" habe die Vorschreibung ab zu erfolgen gehabt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde macht geltend, dass das Recht auf Feststellung der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Beiträge gemäß § 40 Abs. 1 GSVG bereits verjährt gewesen sei. Hinsichtlich der Unfallversicherungsbeiträge habe die belangte Behörde außerdem selbst festgestellt, dass sie ab dem Jahr 2000 laufend bezahlt worden seien. Es bestehe daher kein Beitragsrückstand; eine Anrechnung der Beiträge auf längst verjährte Forderungen sei unzulässig.

2. Die belangte Behörde bringt dazu in ihrer Gegenschrift vor, dass "Ansatzpunkte für eine Verjährungsproblematik für die belangte Behörde weder im Verwaltungsverfahren erkennbar waren noch aktuell im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erkennbar sind". Zumal vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren "eine wie auch immer geartete Verjährungsproblematik überhaupt nicht thematisiert" worden sei, sei die belangte Behörde auch nicht gehalten gewesen, hierauf im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung oder der rechtlichen Würdigung "explizit und im Detail näher einzugehen", wiewohl auch im gegenständlichen Fall wie in jedem einschlägigen Einspruchsverfahren "im Rahmen der üblichen Prüfung des Vorliegens sowohl der formalen als auch inhaltlichen Voraussetzungen zur Beitragsfeststellung und -nachforderung die Erfüllung allfälliger Verjährungstatbestände zu verneinen" gewesen sei. Vom Beschwerdeführer werde auch nicht "schlüssig dargelegt, aus welchem Grund bzw. aus welchen Gründen das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (§ 40 Abs. 1 GSVG i.V.m. § 35 Abs. 1 GSVG) bzw. das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt sein sollte". Insbesondere werde nicht geltend gemacht, dass "die hier ggf. auch maßgeblichen Maßnahmen zur (jeweils) Unterbrechung der Verjährungsfrist seitens der mitbeteiligten Partei nicht gesetzt worden seien".

3. Mit diesem Vorbringen verkennt die belangte Behörde, dass auf Verjährungsbestimmungen grundsätzlich von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa - zu § 68 ASVG - die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/08/0107, und vom , Zl. 96/08/0334). Im Beschwerdefall, in dem die Entrichtung von Beiträgen für deutlich länger als drei Jahre zurückliegende Zeiträume vorgeschrieben wurde, hätte es - unter Bedachtnahme auf § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG und die dazu ergangene Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0334, mwN) - konkreter Feststellungen zum Eintritt der Fälligkeit sowie zu verjährungsunterbrechenden oder -hemmenden Maßnahmen bzw. einer allenfalls bereits erfolgten Feststellung der Beitragspflicht bedurft, um beurteilen zu können, ob die (grundsätzlich dreijährige) Feststellungsverjährungsfrist gemäß § 40 Abs. 1 GSVG bzw. die zweijährige Einforderungsverjährungsfrist gemäß § 40 Abs. 2 GSVG noch nicht abgelaufen war.

Was die Beiträge zur Unfallversicherung betrifft, so fehlt es schon an einer nachvollziehbaren Darstellung, auf welche Beitragsschulden welche der seit dem Jahr 2000 unstrittig geleisteten Beiträge angerechnet worden sind, sodass - wie von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt und der belangten Behörde, die der Sache nach antragsgemäß einen Abrechnungsbescheid erlassen haben, angenommen - die Beiträge für die Jahre 2000 bis 2010 zur Gänze offen waren.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das die Eingabengebühr

betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 46 GSVG abzuweisen.

Wien, am