zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 31.05.2012, 2009/01/0050

VwGH vom 31.05.2012, 2009/01/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A R A F in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ia- 24.606/23-2008, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom gemäß § 11a Abs. 4 Z. 1 iVm § 15 Abs. 1 Z. 4 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer stamme aus dem Iran und sei Konventionsflüchtling. Am habe das Bundesasylamt das (zu ergänzen: durch Antragstellung vor dem eingeleitete) Asylverfahren des Beschwerdeführers "gemäß § 30 Abs. 1 Asylgesetz-Novelle 2003, BGBl. Nr. 101/2003" (richtig: § 30 Abs. 1 Asylgesetz 1997 in der Fassung vor der Novellierung durch BGBl. I Nr. 101/2003; in der Folge: AsylG 1997) eingestellt, nachdem er für diesen Tag zu einer Einvernahme betreffend sein Ansuchen auf Asyl vorgeladen worden, zu diesem Termin jedoch nicht erschienen sei. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt mit Schreiben vom zu einer Einvernahme vorgeladen worden und habe diesen Termin auch wahrgenommen. Für den Zeitraum vom bis zum (laut Gegenschrift der belangten Behörde: ) sei demnach keine gültige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG 1997 in der seinerzeit gültigen Fassung vorgelegen.

Dazu habe der Beschwerdeführer insofern Stellung genommen, als er den Termin am nur aufgrund eines entschuldbaren Versehens nicht wahrgenommen und das Bundesasylamt ihm daraufhin "in einer vollkommen überzogenen Reaktion" trotz aufrechter Vertretung und aufrechter polizeilicher Meldung das Aufenthaltsrecht genommen habe, und vorgebracht, dass die Einstellung des Verfahrens dem Beschwerdeführer im Staatsbürgerschaftsverfahren nicht zum Nachteil gereichen könne, sondern aufgrund der aufrechten Meldung auch für den Zeitraum vom bis zum von einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich auszugehen sei.

Unbestritten sei somit - so die belangte Behörde nach Zitierung der Bestimmungen des § 11a Abs. 4 Z. 1 und § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG weiter -, dass der Beschwerdeführer der Ladung des Bundesasylamtes für den nicht Folge geleistet habe und das Bundesasylamt das Asylverfahren sohin mit Wirkung vom selben Tag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 eingestellt habe. Damit stehe aber auch fest, dass die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes "nach diesem Bundesgesetz" unterbrochen worden sei und infolge dessen die in § 11a Abs. 4 StbG normierte Voraussetzung des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet von mindestens sechs Jahren nicht erfüllt sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 266/08, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Gemäß § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 leg. cit. die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn ihm der Status als Asylberechtigter zukommt, sofern die Asylbehörde auf Anfrage mitteilt, dass weder ein Verfahren nach § 7 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) eingeleitet wurde, noch die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens vorliegen.

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG werden die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz sowie der Lauf der Wohnsitzfristen nach den §§ 12 Z. 1 lit. a und 14 Abs. 1 Z. 2 unterbrochen, wenn sich der Fremde im Fall des § 11a Abs. 4 Z. 1 als Asylwerber dem Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 AsylG 2005 entzogen hat und das Verfahren eingestellt wurde.

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz AsylG 1997 sind Asylwerber, die sich - sei es auch im Rahmen einer Vorführung nach Anreise über einen Flugplatz oder nach direkter Anreise aus dem Herkunftsstaat (§ 17 Abs. 1) - im Bundesgebiet befinden, vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, es sei denn, ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Gemäß § 19 Abs. 4 erster Satz leg. cit. endet die vorläufige Aufenthaltsberechtigung, wenn das Asylverfahren eingestellt oder rechtskräftig abgeschlossen ist.

Gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 sind die mit Asylantrag oder Asylerstreckungsantrag eingeleiteten Verfahren einzustellen, wenn eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Asylwerbers oder der Asylwerberin nicht möglich ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind nach Abs. 1 eingestellte Verfahren auf Antrag der Asylwerber oder der Asylwerberinnen fortzusetzen, wenn die Betroffenen zur Beweisaufnahme zur Verfügung stehen. Eingestellte Verfahren sind von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig.

In der - gleichzeitig mit der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ausgeführten - Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht und vorgebracht, es sei rechtswidrig, wenn die belangte Behörde aufgrund der Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 vom bis zum davon ausgehe, dass dadurch die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG und der Lauf der Wohnsitzfristen nach den §§ 12 Z. 1 lit. a und 14 Abs. 1 Z. 2 StbG unterbrochen worden seien. Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG stelle ausdrücklich nur auf den Fall ab, dass sich ein Asylwerber dem Asylverfahren entziehe und deshalb das Verfahren nach § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt werde. Auch im Wege einer Analogie sei die Bestimmung des § 30 AsylG 1997 nicht unter § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG zu subsumieren, da die Einstellung des Asylverfahrens nach § 30 AsylG 1997 und § 24 AsylG 2005 unterschiedliche Voraussetzungen habe. Wäre der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt nach der Bestimmung des § 24 AsylG 2005 zu beurteilen gewesen, hätte das Asylverfahren nicht eingestellt werden dürfen, zumal der Beschwerdeführer damals aufrecht gemeldet und sein Aufenthalt der Asylbehörde bekannt bzw. für diese leicht feststellbar gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen, wonach entgegen der Ansicht der belangten Behörde ein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt des Beschwerdeführers vorliege, weil die Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 nicht vom Unterbrechungstatbestand des § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG umfasst sei, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung sowohl zu § 10 Abs. 1 Z. 1 als auch zu § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG bereits klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/01/0047, vom , Zl. 2009/01/0001, und vom , Zl. 2008/01/0316).

Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Für Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstitel nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 (FrG) oder des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0059, mwH). Nach der Rechtslage des § 31 Abs. 1 FrG haben sich Fremde auch dann rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, solange ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1997 zugekommen ist (vgl. dazu nochmals die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/01/0047, und vom , Zl. 2009/01/0001, mwH).

An der Verleihungsvoraussetzung des durchgehenden legalen Aufenthalts im Bundesgebiet ändert auch der Umstand, dass ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet in den in § 15 Abs. 1 Z. 1 bis 4 StbG aufgezählten Unterbrechungstatbeständen nicht angeführt wird, nichts (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0316).

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers vom bis (zumindest) gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 eingestellt war. Auch dass die Voraussetzungen für die Verfahrenseinstellung gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 nicht vorgelegen wären, bringt die Beschwerde nicht konkret vor. Damit begegnet aber auch die Schlussfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei aufgrund der Einstellung des Asylverfahrens durch das Bundesasylamt im genannten Zeitraum gemäß § 19 Abs. 4 AsylG 1997 nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen, keinen Bedenken.

Dass die belangte Behörde in Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides (auch) die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 4 StbG zitiert, ändert nichts an diesem Ergebnis, hat sie doch zutreffend ausgeführt, dass aufgrund der Einstellung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes (hier: gemäß § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG, zumal dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom Asyl gewährt worden war) unterbrochen wurde und somit die Voraussetzung des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet von mindestens sechs Jahren nicht erfüllt ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am