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VwGH vom 14.09.2020, Ra 2020/02/0103

VwGH vom 14.09.2020, Ra 2020/02/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revisionen 1. des K in W und 2. der G AG in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , 1. VGW-002/082/9877/2019-22 und 2. VGW-002/V/082/9878/2019, betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

11. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde dem Erstrevisionswerber vorgeworfen, er habe als verantwortlicher Beauftragter der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten, dass in der Betriebsstätte in W, G-Gasse, in welcher sich zum Zeitpunkt der Überprüfung kein Wettannahmeschalter befunden habe und in der diese Gesellschaft die Tätigkeit als Wettunternehmerin ausgeübt habe, am , um 13:40 Uhr, vier Wettterminals betrieben worden seien, welche insofern nicht den Bestimmungen des § 13 Wiener Wettengesetzes entsprochen hätten, als an diesen Terminals eine Wette aus Anlass sportlicher Veranstaltungen mittels Membercard abgeschlossen werden hätten können, obwohl gemäß § 13 Abs. 5 lit. c Wiener Wettengesetz Wettterminals in Betriebsstätten ohne Wettannahmeschalter nicht auf andere Weise als durch Eingabe von Bargeld benutzbar gemacht werden dürften.

2Er habe dadurch § 13 Abs. 5 lit. c Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 idF LGBl. Nr. 70/2018, verletzt, weshalb über ihn gemäß § 24 Abs. 1 Z 6 leg. cit. iVm § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe von € 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 3 Stunden) verhängt und er zur Leistung eines Kostenbeitrages von € 60,-- verpflichtet wurde. Die zweitrevisionswerbende Partei hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

32.1. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte die bekämpfte Entscheidung mit den Maßgaben, dass statt vier nur drei Wettterminals anzuführen seien, im Spruch der Verweis auf § 13 Abs. 5 lit. c Wiener Wettengesetz durch § 13 Abs. 3 lit. c Wiener Wettengesetz idF LGBl. für Wien Nr. 40/2018 ersetzt sowie die Verweise mit § 9 Abs. 2 VStG und LGBl. für Wien Nr. 40/2018 richtig gestellt würden. Das Verwaltungsgericht legte dem Erstrevisionswerber die Zahlung eines Beitrages zu den Verfahrenskosten auf und verpflichtete die Zweitrevisionswerberin zur Haftung hiefür. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig.

42.2. Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, dass die Zweitrevisionswerberin an einem näher bestimmten Standort jedenfalls drei Wettterminals betrieben habe, die denselben Funktionsumfang aufgewiesen hätten und deren Benützung ausschließlich mit Kundenkarten bzw. einer „membercard“ der Zweitrevisionswerberin, insbesondere ohne Bargeld über das auf dem Konto verfügbare Guthaben des Wettkunden möglich gewesen sei. Für die anfängliche Verwendung der Geräte zur Suche und Auswahl einer Wette sei kein Bargeld erforderlich gewesen. Der Wettkunde habe sich am Gerät mit der Kundenkarte angemeldet, Einsätze seien dann vom Guthaben seines Kundenkontos abgebucht, Wetten über das Kundenkonto elektronisch abgeschlossen und erzielte Gewinne auf das Kundenkonto gutgeschrieben worden. Der Einwurf von Münzen oder das Einschieben von Geldscheinen sei zwar auch möglich gewesen, aber für den Beginn des Wettens am Gerät bis hin zum kompletten Abschluss einer Sportwette aus dem Internet aus dem aktualisierten Wettangebot nicht erforderlich gewesen.

5In der fünften Ebene hätten sich zwei Schalter befunden, und zwar einer im Eingangsbereich der Filiale von M und ein zweiter weiter im Inneren der Filiale. Bei Erreichen der fünften Ebene passiere der Kunde zunächst den Empfangsbereich, werde dort erfasst und „eingeloggt“, sodass dieser Schalter als „Empfangsschalter“ bezeichnet werden könne. Danach gelange man durch Passieren der Ecke ins Innere der Filiale, in den Turnier- oder Casinobereich, wo sich ein weiterer „Schalter am Floor“ befinde, der von Croupiers besetzt sei. Der Empfangsbereich sei vom Casinobereich baulich nicht getrennt, aber durch den beschriebenen weiteren Verlauf des Zutrittsweges um die Ecke zum Erreichen der Betriebsräume, in denen sich auch die Wettterminals befunden hätten, sei der Innenbereich vom Eingangsbereich aus nicht oder nur ganz eingeschränkt einsehbar, insbesondere bestehe kein direkter Blickkontakt vom Empfangsschalter zum Schalter am Floor. Es sei während der Betriebszeiten kein eigenes Personal der Zweitrevisionswerberin anwesend, vielmehr gehöre die Belegschaft einschließlich der Securitymitarbeiter zu M, diese führe eigenständig die Betriebsstätte und betreue auch die Wettterminals der Zweitrevisionswerberin. Die Mitarbeiter der Zweitrevisionswerberin würden den Standort zu Abrechnungszwecken und zur Überprüfung der aufgestellten Wettterminals aufsuchen. Schulungen würden nicht laufend oder systematisch durchgeführt werden. Die Croupiers im Turnier- bzw. Casinobereich, die auch den Schalter am Floor besetzten, seien für das Angebot von M zuständig und erhielten keine Einschulung zu Sportwetten. Bei Anfragen zu Wettabschlüssen beim Schalter am Floor würden sie die Wettkunden daher an die vollautomatischen Geräte der Zweitrevisionswerberin verweisen. Lediglich als Zahlstelle könne eine Auszahlung von Gewinnen auch an Wettkunden unmittelbar am Schalter am Floor erfolgen, wie dies in erster Linie an die anderen Kunden bei Gewinnen (beim Poker bzw.) aus dem Turnier- oder Casinobetrieb erfolge.

6Im Tatzeitpunkt sei sowohl am Empfangsschalter als auch am Schalter am Floor grundsätzlich eine technische Ausstattung vorhanden gewesen, überwiegend Hardware von M, auf deren Computern die Software der Zweitrevisionswerberin installiert gewesen sei. So sei es technisch möglich gewesen, Kundendaten abzufragen und auch das laufende Wettangebot über das Internet einzusehen. Allerdings sei im Tatzeitpunkt an keinem der beiden Schalter ein Mitarbeiter von M oder der Zweitrevisionswerberin anwesend gewesen, der für Sportwetten inhaltlich verantwortlich gewesen sei und einen Kunden mit dem Wunsch nach einer Sportwette hätte beraten können oder in der Lage gewesen wäre, auf eine konkrete Anfrage persönlich an einem der Schalter eine Wette mit dem Kunden abzuschließen. Beide Schalter hätten nicht für die Entgegennahme persönlich abgegebener Wetten gedient, sodass generell keine Alternative zum direkten Wettabschluss an den aufgestellten Geräten der Zweitrevisionswerberin gegeben gewesen sei. Der Schalter am Floor sei im Wesentlichen für die Auszahlung von Gewinnen vorgesehen und von Croupiers besetzt gewesen, die mit der Entgegennahme von Sportwetten nicht befasst oder vertraut gewesen seien. Dem Empfangsschalter sei die Rolle der Erfassung eintretender Kunden zugekommen, er habe die Funktion einer Zugangskontrolle gehabt und sei für die Betreuung von Wettkunden nicht in Betrieb gewesen.

72.3. In der Folge begründete das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung, seine rechtlichen Erwägungen sowie die Strafbemessung.

83.1. Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom , E 4440/2019-5, deren Behandlung ablehnte und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte u.a. aus, die Einschränkung der Zahlungsmöglichkeiten an Wettterminals auf Bargeld gemäß § 13 Abs. 3 lit. c Wiener Wettengesetz liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

93.2. Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision.

103.3. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurück- bzw. die Abweisung der Revision.

114. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

124.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

154.2. Liegen - wie hier in Schuld- und Strafausspruch - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. ).

164.3. Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision hinsichtlich des Schuldspruchs ist Folgendes auszuführen:

174.3.1. Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, was unter einem Wettannahmeschalter im Sinne des § 13 Abs. 3 Wiener Wettengesetz zu verstehen sei bzw., ob es für das Vorliegen eines Wettannahmeschalters erforderlich sei, dass auch Personal vorhanden sei, welches den Wettabschluss über den Schalter tatsächlich durchführe oder dazu zumindest im Stande sei. Das Verwaltungsgericht habe festgestellt, dass es entsprechende Geräte gegeben habe, das Vorliegen eines Wettannahmeschalters aber deshalb verneint, weil keine Mitarbeiter vor Ort gewesen seien, die dazu in der Lage gewesen wären, die den Wettannahmeschalter bildenden Geräte auch zu bedienen.

18Die Erläuterungen zu § 13 Abs. 5 Wiener Wettengesetz in der Stammfassung (nunmehr § 13 Abs. 3 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 40/2018) lauten wie folgt (BlgLT 20. GP 3/2016, S 27):

„In Abs. 5 wurde schließlich dem Umstand Rechnung getragen, dass es in Betriebsstätten ohne Wettannahmeschalter (zB Gaststätten, Tankstellen) aufgrund der fehlenden Aufsicht durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers zusätzlicher strengerer Bestimmungen für Wettterminals bedarf.“

19Ob eine technische Einrichtung als „Wettannahmeschalter“ im Sinne der klaren gesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 3 Wiener Wettengesetz zu qualifizieren ist, unterliegt der Beurteilung im Einzelfall; diese ist als solche grundsätzlich nicht revisibel (vgl. etwa zur Beurteilung eines Tablets als Wettterminal , mwN).

20Vor dem Hintergrund der Erläuterungen des Gesetzgebers und der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes stellt sich in diesem Zusammenhang daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

214.3.2. Weiters wenden sich die revisionswerbenden Parteien gegen die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Beweiswürdigung; diese sei nicht schlüssig, bestimmte Feststellungen seien aus näheren Gründen auf eine evident unschlüssige Beweiswürdigung zurückzuführen.

22Der Verwaltungsgerichtshof ist aber als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung berufen. Diese ist nur dahingehend seiner Kontrolle unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen bzw. ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung daher nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa , mwN). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu erkennen und wird in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision auch nicht dargestellt, reicht es dafür doch nicht aus, dass aufgrund der Beweisergebnisse auch ein anderes Ergebnis begründbar gewesen wäre (vgl. ).

234.3.3. Vor dem Hintergrund dessen, dass das Verwaltungsgericht seine Feststellungen jeweils mit einer expliziten Beweiswürdigung versehen hat, wird auch eine Verletzung der Begründungspflicht des Verwaltungsgerichtes nicht aufgezeigt.

244.3.4. Mit dem weiteren Vorbringen der Befangenheit des entscheidenden Richters des Verwaltungsgerichtes machen die revisionswerbenden Parteien einen Verfahrensmangel geltend (vgl. ). Die Zulässigkeit der Revision setzt im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. , mwN).

25Mit dem Vorbringen, es lägen Verfahrensfehler des entscheidenden Richters vor, wird jedoch keine Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels aufgezeigt.

264.3.5. Schließlich bringen die revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das Verwaltungsgericht wäre von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum fortgesetzten Delikt bzw. zum Dauerdelikt abgewichen. Bei einem Dauerdelikt sei nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert. Es sei daher nicht zulässig, zwei Verwaltungsstrafverfahren gegen einen Beschuldigten zu führen, wenn ein Dauerdelikt vorliege; andernfalls könne der Beschuldigte eine Verletzung in seinem Recht, wegen derselben strafbaren Handlung nur einmal bestraft zu werden, nicht wirksam geltend machen. Das Verwaltungsgericht habe sich auf den Vorwurf betreffend den beschränkt; im Strafverfahren betreffend den sei nur dieser Tag Verfahrensgegenstand gewesen. Das diesbezügliche Straferkenntnis der belangten Behörde datiere vom . Das Verwaltungsgericht müsse Anfang und Ende des Tatzeitraumes angeben, es habe jedoch keine amtswegigen Ermittlungen zum Tatzeitraum aufgenommen, obwohl die revisionswerbenden Parteien auf das zweite Verwaltungsstrafverfahren hingewiesen hätten.

27Zunächst ist dazu auszuführen, dass „Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen ist und zwar unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. ).

28Nach der hg. Rechtsprechung ist etwa eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. , mwN).

29Bereits vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 war hingegen eine Erweiterung des Vorwurfs erst durch die Berufungsbehörde unzulässig. Eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus wurde durch die Novelle nicht geschaffen. So stellt insbesondere die Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht weiterhin eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG dar (vgl. hierzu ausführlich ; ).

30Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens war daher die angelastete Übertretung vom ; dieses wurde aufgrund einer Kontrolle durch einen Organwalter der belangten Behörde eingeleitet. Der Erstrevisionswerber wurde (im vorliegenden Verfahren) mit Straferkenntnis vom bestraft.

31Für das Verwaltungsstrafverfahren gilt beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen, anders als im gerichtlichen Strafverfahren, nach § 22 Abs. 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen.

32Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beim fortgesetzten Delikt bzw. beim Dauerdelikt (vgl. , mwH). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentraten (vgl. , mwN).

33Bei einem Dauerdelikt sind tatbestandsgemäße Einzelhandlungen bis zur Erlassung eines Straferkenntnisses nur als eine Verwaltungsübertretung anzusehen (vgl. z.B. -0124). Da das Straferkenntnis vom hinsichtlich der Übertretung am durch Zustellung am erlassen wurde, wäre die von den revisionswerbenden Parteien behaupteterweise bis zum andauernde Verwaltungsübertretung durch das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren (mit-)abgedeckt. Die revisionswerbenden Parteien haben darüber hinaus im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht dargestellt, dass das zweite Verwaltungsstrafverfahren bereits abgeschlossen wäre, sodass sich die vorgebrachte Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im vorliegenden Verfahren nicht stellt.

34Darüber hinaus ist jedoch noch auf Folgendes hinzuweisen:

35Um von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, vom sogenannten Gesamtvorsatz getragen sein, das heißt, der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefasst haben, das er durch die Begehung mehrerer Teilakte, somit schrittweise, erreichen will. Von einem solchen Gesamtvorsatz kann daher nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den angestrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfasst hat, sodass sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines (von vornherein gewollt vorhandenen) Gesamtkonzeptes darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang lässt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung des einheitlich gewollten Ganzen erscheinen (vgl. erneut ; zum Fahrlässigkeitsdelikt vgl. erneut ). Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, wird von Delikt zu Delikt verschieden sein und hängt im besonderen Maße von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss getragen werden (vgl. , mwN).

36Es ist dabei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Beurteilung eines Deliktes als fortgesetzt begangen trotz eines engen zeitlichen Zusammenhanges ein „Ereignis“ innerhalb dieses Zeitraumes entgegenstehen kann. Als solches ist etwa eine Kontrolle und der darauf neu gefasste Tatentschluss zu sehen (vgl. z.B. , mwN).

374.3.6. Hinsichtlich des Schuldspruchs des angefochtenen Erkenntnisses wurde somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, sodass die Revision diesbezüglich zurückzuweisen ist.

384.4. Demgegenüber erweist sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zum Strafausspruch hinsichtlich des Widerspruchs zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhängung einer Gesamtstrafe für mehrere selbständige Taten, durch welche mehrere Verwaltungsübertretungen begangen wurden, im Umfang der Überprüfung des Strafausspruches als zulässig und begründet:

394.4.1. § 13 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idF LGBl. Nr. 40/2018, lautet auszugsweise:

„IV. Abschnitt

Bestimmungen betreffend Wettterminals

Beschaffenheit und Nutzungsbedingungen

§ 13. (1) Mit Wettterminals dürfen nur Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen abgeschlossen oder an Buchmacherinnen oder Buchmacher vermittelt werden, die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens oder der Schweiz oder in einem nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellten Staat haben.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) In Betriebsstätten ohne Wettannahmeschalter dürfen Wettterminals weiters nicht

a)Einsätze von mehr als 50 € pro Wette zulassen;

b)mit Wertkarten benutzbar gemacht werden;

c)auf andere Weise als durch Eingabe von Bargeld benutzbar gemacht werden.“

40§ 24 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idF LGBl. Nr. 40/2018, lautet auszugsweise:

„Strafbestimmungen

§ 24. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - von der Behörde mit einer Geldstrafe bis 22.000 € und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer

1.[...]

2. - 5. [...]

6.als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer ein Wettterminal betreibt, welches den Bestimmungen des § 13 nicht entspricht;

...“

414.4.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, kann hinsichtlich des Betriebes von Wettterminals auf die hg. Rechtsprechung zum Glücksspielgesetz - GSpG zurückgegriffen werden, nach der der Betrieb jedes einzelnen Glücksspielgerätes eine selbständige Verwaltungsübertretung darstellt (, betreffend § 52 GSpG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014, mwN). Nichts anderes gilt für die Vermittlung von Wettkunden im Wege zweier (oder mehrerer) Wettterminals (vgl. ).

424.4.3. Dem Erstrevisionswerber wurde im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren zusammengefasst angelastet, dass insgesamt drei Wettterminals betrieben wurden, die nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts alle nicht den Bestimmungen des § 13 Abs. 3 Wiener Wettengesetz entsprachen.

43Damit hat der Erstrevisionswerber jedoch insgesamt drei Verwaltungsübertretungen verwirklicht, für die gemäß § 22 VStG drei Geldstrafen zu verhängen sind. Dabei ist bei der Bemessung der einzelnen Geldstrafe auch zu berücksichtigen, dass dem Erstrevisionswerber im Straferkenntnis noch der Betrieb von vier Wettterminals angelastet worden ist, das Verwaltungsgericht sohin eine Reduktion des Tatvorwurfes vorgenommen hat. Durch die Verhängung einer Gesamtstrafe ist aus diesem Grund nicht erkennbar, wie hoch das Ausmaß der Strafe für jede einzelne der selbständigen Handlungen ist, sodass keine nachprüfende Kontrolle des Gerichtshofes in der Richtung möglich ist, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm bei der Strafbemessung zustehenden Ermessen hinsichtlich jeder der einzelnen Übertretungen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. z.B. , mwN).

445. Das angefochtene Erkenntnis ist daher im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. ).

456. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020103.L00
Schlagworte:
Ermessen VwRallg8 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

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