VwGH vom 25.05.2011, 2011/08/0084
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des O H in F, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Peter Kolb, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Sirapuit 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK- 424161/0001-II/A/3/2010, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialversicherungsangelegenheit (mitbeteiligte Partei:
Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
Mit Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Tirol den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom , womit festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer in näher bezeichneten Zeiträumen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlegen sei, abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als verspätet zurückgewiesen.
In ihrer Bescheidbegründung ging die belangte Behörde von den Feststellungen aus, dass die X-Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. Co Kommandit-Partnerschaft (in der Folge: X-Steuerberatungs-Partnerschaft) mit Fax vom "namens und auftrags" des Beschwerdeführers Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt erhoben habe. Der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom sei dem Beschwerdeführer zu Handen der X-Steuerberatungs-Partnerschaft nachweislich am zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe, vertreten durch den Steuerberater K, am - somit nach Ablauf der am endenden Berufungsfrist - Berufung erhoben.
Mit Schreiben vom habe der Beschwerdeführer, wiederum vertreten durch K, vorgebracht, es liege keine Verspätung der Berufung vor, da die Vertretungsvollmacht der X-Steuerberatungs-Partnerschaft zu keiner Zeit auch die Vollmacht zur Empfangnahme von Schriftstücken umfasst habe; der Bescheid gelte erst mit seiner Übermittlung durch die Kanzlei des K am an den Beschwerdeführer mittels Telefax als zugestellt, weswegen die Berufung fristgerecht erhoben worden sei. Dazu sei die Kopie einer mit datierten Vollmachtsurkunde vorgelegt worden, welche K als Bevollmächtigten des Beschwerdeführers ausweise; der Satz "Gleichzeitig erteile(n) ich (wir) die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabebehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind", sei auf diesem Dokument durchgestrichen. Aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die Vertretungsmacht der X-Steuerberatungs-Partnerschaft nicht auch eine Zustellungsbevollmächtigung einschließe; dies sei auch nicht behauptet worden.
Mit E-Mail vom habe G, Steuerberater und Substitut von K, dem Amt der Tiroler Landesregierung mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer von K, der aus der X-Steuerberatungs-Partnerschaft ausgeschieden sei, vertreten werde, und ersucht, dass der erstinstanzliche Bescheid vom zu Handen von K zugestellt werde. Die Beendigung der Vertretungsmacht der X-Steuerberatungs-Partnerschaft sei unstrittig dem Landeshauptmann nicht vor Ausfertigung des Bescheides vom zur Kenntnis gebracht worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG bei Einschreiten einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht - wie auch nach § 88 Abs. 9 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG) die Berufung eines Berufsberechtigten im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung - den urkundlichen Nachweis ersetze. Die X-Steuerberatungs-Partnerschaft habe sich auf die erteilte Vollmacht durch Verwendung der Worte "namens und auftrages (des Mandanten)" berufen, weshalb es keines schriftlichen Nachweises des Vorliegens einer Vollmacht bedurft habe. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/08/0015, schließe die allgemeine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 10 AVG im Allgemeinen die Zustellungsbevollmächtigung ein. Bei Berufung auf die erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG sei von der Behörde, sofern kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliege, davon auszugehen, dass jedenfalls auch eine Zustellungsbevollmächtigung vorliege. Dies sei auch hier - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - der Fall. Ob - wie vom Beschwerdeführer behauptet - eine bloße eingeschränkte Vertretungsvollmacht vorgelegen habe, könne daher dahingestellt bleiben. Dem Widerruf der Vollmacht komme keine Relevanz zu, weil diese unbestritten erst nach Ausfertigung des Bescheides der Behörde mitgeteilt worden sei. Die Zustellung an die X-Steuerberatungs-Partnerschaft am sei somit als rechtwirksame Zustellung gegenüber dem Beschwerdeführer zu werten und die am übermittelte Berufung verspätet erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
Beruft sich ein Berufsberechtigter im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt gemäß § 88 Abs. 9 WTBG diese Berufung den urkundlichen Nachweis.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf eine meritorische Entscheidung über seine Berufung verletzt und vermeint, dass die belangte Behörde rechtsirrig angenommen habe, dass bei Berufung der X-Steuerberatungs-Partnerschaft auf eine Vollmacht auch vom Vorliegen einer Zustellvollmacht auszugehen gewesen sei, und es weiters verabsäumt habe, eine Abklärung des Umfanges der Vertretungsvollmacht herbeizuführen.
Er bringt gegen die Vermutung des Vorliegens einer Zustellvollmacht zusammengefasst vor, dass - im Gegensatz zu Rechtsanwälten oder Notaren - bei Wirtschaftstreuhändern die Vollmachtsübernahme bzw. -erteilung regelmäßig nicht auf ein konkretes Verfahren bzw. einen konkreten Rechtsstreit beschränkt, sondern als "Dauervertretung" gegenüber "den (Abgaben)behörden" angelegt sei und seitens der Abgabebehörden in Bezug auf die Vollmachten von Wirtschaftstreuhändern die Erteilung auch einer Zustellvollmacht in keinem Fall vermutet, sondern ganz im Gegenteil eine Zustellung an Wirtschaftstreuhänder nur und erst dann vorgenommen werde, wenn der Wirtschaftstreuhänder dezidiert erkläre, dass eine Bevollmächtigung im konkreten Einzelfall auch eine Zustellvollmacht mitumfasse.
Dem steht zunächst entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - worauf die belangte Behörde zu Recht verwiesen hat - die allgemeine Vertretungsmacht im Sinne des § 10 AVG (also die Ermächtigung im Namen der Partei und mit Wirkung für die Partei in einem vom AVG beherrschten Verwaltungsverfahren Prozesshandlungen zu setzen) eine Zustellungsbevollmächtigung inkludiert, zumal § 10 selbst eine Ausnahme insoweit nicht vorsieht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0015). Soweit sich daher ein berufsmäßiger Parteienvertreter in einem Verwaltungsverfahren, in welchem § 10 AVG anzuwenden ist, zulässigerweise auf die erteilte Vollmacht beruft, erklärt er damit gegenüber der Behörde regelmäßig auch Zustellungsbevollmächtigter iS des § 9 ZustellG zu sein.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es für diese Wirkung nicht darauf an, welche Vollmachtsformulare für die Erteilung einer Vollmacht an einen Wirtschaftstreuhänder üblicherweise in dessen Kanzlei verwendet werden und ob die Zustellungsbevollmächtigung auf solchen Formularen typischerweise gestrichen wird. Wenn sich der Parteienvertreter auf eine erteilte Vollmacht beruft, "ersetzt" dies im Geltungsbereich des AVG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes stets eine Vertretungsvollmacht iS des § 10 AVG, es sei denn, dass die Berufung auf die erteilte Vollmacht ausdrücklich um die Zustellungsbevollmächtigung eingeschränkt wird.
Im Übrigen übersieht der Beschwerdeführer, dass nach den in der Beschwerde nicht bekämpften Feststellungen der belangten Behörde der auf der vorgelegten Vollmachtsurkunde gestrichene Passus nur die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde betrifft und die Streichung daher auch aus diesem Grund ins Leere geht: Einerseits sind Sozialversicherungsbeiträge von Abgaben wesensmäßig verschieden (vgl. VfSlg. 17.414/2004) und anderseits ging es in diesem Verfahren um die Feststellung der Versicherungspflicht. Die in diesem Verfahren tätig gewesenen Behörden sind daher nicht als Abgabenbehörden tätig geworden.
Da der Inhalt der Beschwerde damit erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-86153