TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH 13.07.2022, Ra 2020/02/0062

VwGH 13.07.2022, Ra 2020/02/0062

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
B-VG Art18 Abs1
VStG §1 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 1
Bei einem Verwaltungsstrafverfahren ist § 1 Abs. 1 VStG zu berücksichtigen, welcher festlegt, dass die Bestrafung einer Tat nur insoweit zulässig ist, als ihre Begehung mit Strafe bedroht war. Es besteht also das Erfordernis einer die Tatbegehung als solche erfassenden einschlägigen Strafvorschrift. Die Tat muss ausdrücklich mit Strafe bedroht sein. Die Grenzen des strafrechtlich Verbotenen müssen verlässlich bestimmt werden können. Im Verwaltungsstrafrecht bildet daher der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung (vgl. , 0004).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2021/05/0001 E RS 3
Normen
AVG §56
KMG 1991 §10 Abs3 idF 2015/I/069
KMG 1991 §10 Abs3 Z2 idF 2012/I/083
KMG 1991 §2 Abs1
VStG §1 Abs1
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 2
Der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem ein Prospekt im Sinn des Kapitalmarktgesetzes zu veröffentlichen ist, bestimmt sich grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 KMG 1991. Demnach darf ein öffentliches Angebot im Inland nur erfolgen, wenn spätestens einen Bankarbeitstag davor ein nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erstellter und gebilligter Prospekt veröffentlicht wurde. Gemäß § 10 Abs. 3 Z 2 KMG 1991 idF BGBl. I Nr. 83/2012 galt ein Prospekt als veröffentlicht, wenn er dem Publikum in gedruckter Form kostenlos bei den zuständigen Stellen des Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, oder beim Sitz des Emittenten oder bei den Finanzintermediären einschließlich der Zahlstellen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, zur Verfügung gestellt wurde. Das verfahrensgegenständliche Prospekt wurde vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015 zum KMG 1991 in gedruckter Form am Sitz der Emittentin zur Verfügung gestellt und nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Bestimmungen veröffentlicht. Das VwG legte dem Beschuldigten in Bestätigung des Straferkenntnisses der FMA jedoch zur Last, dass der Prospekt sowie die dazu ergangenen beiden Nachträge während eines Zeitraums nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015, nicht entsprechend der neu gefassten Bestimmung des § 10 Abs. 3 KMG 1991 zusätzlich zur Zurverfügungstellung am Sitz der Emittentin bzw. der Vertriebskoordinatorin auch im Internet veröffentlicht worden seien.
Normen
AVG §56
KMG 1991 §10 Abs3 idF 2015/I/069
KMG 1991 §10 Abs3 Z1 idF 2015/I/069
KMG 1991 §10 Abs3 Z2 idF 2012/I/083
KMG 1991 §10 Abs3 Z2 idF 2015/I/069
KMG 1991 §2 Abs1
KMG 1991 §6 Abs1
VStG §1 Abs1
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 3
Zwar ist ein Prospekt grundsätzlich über den Zeitpunkt der Veröffentlichung hinaus während der Gesamtdauer des öffentlichen Angebots bereitzuhalten. Die Regeln über die Art der Veröffentlichung richten sich jedoch nach der im Zeitpunkt der Veröffentlichung geltenden Rechtslage, weil es andernfalls zu einer unzulässigen Rückwirkung der verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionierung kommen würde. § 10 Abs. 3 KMG 1991 idF BGBl. I Nr. 69/2015 sieht seit (Datum des Inkrafttretens der Bestimmung) zwar eine Verpflichtung zur zusätzlichen Veröffentlichung auf einer Internet-Seite für Prospekte vor, die gemäß Z 1 oder 2 in physischer Form veröffentlicht werden. Es ergibt sich jedoch mangels entsprechender Übergangsbestimmungen weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Materialien (vgl. ErläutRV 562 BlgNR 25. GP 9 f; denen lediglich zu entnehmen ist, dass eine elektronische Veröffentlichung künftig verpflichtend zu erfolgen hat), dass diese Verpflichtung auch für bereits vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung gesetzmäßig veröffentlichte Prospekte bestehen würde. Dass die im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts geltenden Regelungen über die Art der Veröffentlichung weiter bestehen bleiben, ergibt sich zudem auch aus § 6 Abs. 1 KMG 1991. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 zweiter Satz KMG 1991 sind Nachträge zu Prospekten nämlich zumindest gemäß denselben Regeln zu veröffentlichen und zu hinterlegen, wie sie für die Veröffentlichung und Hinterlegung des ursprünglichen Prospektes galten. Diese Bestimmung stellt damit für die Veröffentlichungsvorgaben der Nachträge zu Prospekten unmissverständlich - versteinernd - auf jene Rechtslage ab, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts (fallbezogen im Mai 2014) in Kraft standen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass auch Nachträge zum verfahrensgegenständlichen Prospekt - unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015 veröffentlicht wurden - nach denselben Regeln wie der ursprüngliche Prospekt, somit durch die Zurverfügungstellung am Sitz der Emittentin, zu veröffentlichen sind.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des M in W, vertreten durch die Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilferstraße 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W172 2224700-1/9E, betreffend Übertretungen des KMG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, soweit damit die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.1. und II.1. des Straferkenntnisses der Finanzmarktaufsichtsbehörde als unbegründet abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom wurde dem Revisionswerber unter anderem zur Last gelegt, er habe es sowohl in der Funktion als Geschäftsführer der Emittentin A GmbH (Spruchpunkt I.1.) als auch in seiner Funktion als Vorstand der W AG (Spruchpunkt II.1.) jeweils als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten, dass ein Prospekt vom sowie die Nachträge vom und für das öffentliche Angebot von Substanzgenussrechten an der A GmbH seit bis zum nicht entsprechend § 10 Abs. 3 KMG zusätzlich zur Verfügungstellung am Sitz der Emittentin A GmbH und der W AG im Internet veröffentlicht worden seien.

2 Der Revisionswerber habe dadurch zu den Spruchpunkten I.1. und II.1. § 10 Abs. 3 KMG, BGBl. Nr. 625/1991 idF BGBl. I Nr. 98/2015 in Verbindung mit § 16 Z 1 KMG, BGBl. Nr. 625/1991 idF BGBl I Nr. 107/2017, verletzt. Die belangte Behörde verhängte über den Revisionswerber aufgrund dieser Übertretungen sowie drei weiterer Übertretungen des KMG insgesamt eine Geldstrafe in Höhe von € 18.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 51 Stunden).

3 Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers änderte die FMA das Straferkenntnis mit Beschwerdevorentscheidung vom dahingehend ab, dass eine Geldstrafe in Höhe von € 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 34 Stunden) verhängt wurde.

4 Nach rechtzeitiger Erhebung eines Vorlageantrages wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom unter Ergänzung der im Straferkenntnis genannten verletzten Rechtsvorschriften als unbegründet ab. Ferner setzte es einen Kostenbeitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit fallbezogen relevant - aus, der Prospekt für das öffentliche Angebot von Substanzgenussrechten an der A GmbH vom sei durch Zurverfügungstellung in gedruckter Form am Sitz der Emittentin A GmbH sowie am Sitz der Vertriebskoordinatorin W AG veröffentlicht worden. In gleicher Weise seien die Nachträge zu diesem Prospekt vom und vom veröffentlicht worden. Im Zeitraum vom bis sei weder auf der Homepage der A GmbH noch auf der Homepage der W AG eine elektronische Veröffentlichung des Prospekts bzw. der Nachträge ersichtlich gewesen.

6 Ausgehend von diesem Sachverhalt führte das Bundesverwaltungsgericht rechtlich aus, dass damit dem Erfordernis des § 10 Abs. 3 KMG idF BGBl. I Nr. 69/2015, wonach jeder Prospekt nunmehr jedenfalls zusätzlich in elektronischer Form zu veröffentlichen sei, nicht entsprochen worden sei. Die vom Revisionswerber vertretene Rechtsanschauung, wonach diese Bestimmung nicht auf Prospekte anzuwenden sei, die bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung am nach den damals geltenden Vorschriften veröffentlicht worden seien, widerspreche dem Schutzzweck der Norm, die der Sicherstellung des Anlegerschutzes und der Markteffizienz diene, weil derartige Prospekte in diesem Fall nie elektronisch veröffentlicht und lediglich durch Nachträge aktuell gehalten werden müssten.

7 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen dieses Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.1. und II.1. des Straferkenntnisses abgewiesen wurde.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- oder Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit § 10 Abs. 3 KMG in der Fassung nach der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015 auch Prospekte erfasse, die bereits vor deren Inkrafttreten veröffentlicht waren, als zulässig. Sie ist auch begründet.

10 Die maßgeblichen Bestimmungen des Kapitalmarktgesetzes - KMG, BGBl. Nr. 625/1991, in der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des verfahrensgegenständlichen Prospekts geltenden Fassung BGBl. I Nr. 83/2012 lauten auszugsweise:

„Nachtrag zum Prospekt

§ 6.

(1) Jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Bewertung der Wertpapiere oder Veranlagungen beeinflussen könnten und die zwischen der Billigung des Prospekts und dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots oder, falls später, der Eröffnung des Handels an einem geregelten Markt auftreten oder festgestellt werden, müssen in einem Nachtrag (ändernde oder ergänzende Angaben) zum Prospekt genannt werden. Dieser Nachtrag (ändernde oder ergänzende Angaben) ist vom Antragsteller (§ 8a Abs. 1) unverzüglich zumindest gemäß denselben Regeln zu veröffentlichen und zu hinterlegen, wie sie für die Veröffentlichung und Hinterlegung des ursprünglichen Prospektes galten. [...]

[...]

Veröffentlichung des Prospekts

§ 10. [...]

(3) Der Prospekt gilt als im Sinne dieses Bundesgesetzes veröffentlicht, wenn er

1. im Amtsblatt zur Wiener Zeitung oder sonst in wenigstens einer Zeitung mit Verbreitung im gesamten Bundesgebiet veröffentlicht wurde oder

2. dem Publikum in gedruckter Form kostenlos bei den zuständigen Stellen des Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, oder beim Sitz des Emittenten oder bei den Finanzintermediären einschließlich der Zahlstellen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, zur Verfügung gestellt wurde oder

3. in elektronischer Form auf der Internet-Seite des Emittenten oder gegebenenfalls auf der Internet-Seite der die Wertpapiere platzierenden oder verkaufenden Finanzintermediäre einschließlich der Zahlstellen veröffentlicht wurde oder

4. in elektronischer Form auf der Internet-Seite des geregelten Marktes, für den die Zulassung zum Handel beantragt wurde, veröffentlicht wurde oder

5. in elektronischer Form auf der Internet-Seite der FMA oder auf der Internet-Seite einer von dieser dazu gegen angemessene Vergütung beauftragten Einrichtung veröffentlicht wurde, wenn die FMA entschieden hat, diese Dienstleistung anzubieten.

Der FMA ist - sofern Österreich Herkunftsmitgliedstaat ist - vorab anzuzeigen, wie veröffentlicht wird und wo der Prospekt erhältlich sein wird; die Kriterien für eine Veröffentlichung nach Z 1 kann die FMA durch Verordnung festlegen.

[...]“

11 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015, welche mit in Kraft trat, wurde § 10 Abs. 3 KMG neu gefasst und dabei der letzte Absatz des § 10 Abs. 3 KMG wie folgt ergänzt:

„Wird der Prospekt gemäß Z 1 oder 2 veröffentlicht, so hat der Emittent, der Anbieter oder die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragende Person diesen zusätzlich auch auf einer Internet-Seite gemäß Z 3, 4 oder 5 zu veröffentlichen. [...]“

12 Nach den Gesetzesmaterialien erfolgte diese Änderung aufgrund eines , zu Art. 14 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2003/71/EG in der Fassung der Richtlinie 2010/73/EU (Prospekt-Richtlinie) und der Berichtigung des deutschen Wortlauts des Art. 14 Abs. 2 der Prospekt-Richtlinie. Dadurch solle gewährleistet werden, dass künftig eine elektronische Veröffentlichung verpflichtend zu erfolgen hat und damit die Zugänglichkeit des Prospekts erleichtert wird (vgl. ErläutRV 562 BlgNR 25. GP 9 f).

13 Der Verwaltungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung fest, dass gemäß § 1 Abs. 1 VStG die Bestrafung einer Tat nur insoweit zulässig ist, als ihre Begehung mit Strafe bedroht war. Es besteht also das Erfordernis einer die Tatbegehung als solche erfassenden einschlägigen Strafvorschrift. Die Tat muss ausdrücklich mit Strafe bedroht sein. Die Grenzen des strafrechtlich Verbotenen müssen verlässlich bestimmt werden können. Im Verwaltungsstrafrecht bildet daher der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung (vgl. , 0004, mwN).

14 Der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem ein Prospekt im Sinn des Kapitalmarktgesetzes zu veröffentlichen ist, bestimmt sich grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 KMG. Demnach darf ein öffentliches Angebot im Inland nur erfolgen, wenn spätestens einen Bankarbeitstag davor ein nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erstellter und gebilligter Prospekt veröffentlicht wurde.

15 Gemäß § 10 Abs. 3 Z 2 KMG idF BGBl. I Nr. 83/2012 galt ein Prospekt als veröffentlicht, wenn er dem Publikum in gedruckter Form kostenlos bei den zuständigen Stellen des Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, oder beim Sitz des Emittenten oder bei den Finanzintermediären einschließlich der Zahlstellen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, zur Verfügung gestellt wurde.

16 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts wurde der verfahrensgegenständliche Prospekt am in gedruckter Form am Sitz der Emittentin zur Verfügung gestellt und somit vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015 zum KMG nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Bestimmungen veröffentlicht.

17 Das Bundesverwaltungsgericht legte dem Revisionswerber in Bestätigung des Straferkenntnisses der FMA jedoch zur Last, dass der Prospekt sowie die dazu ergangenen beiden Nachträge vom und vom seit bis , sohin während eines Zeitraums nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015, nicht entsprechend der neu gefassten Bestimmung des § 10 Abs. 3 KMG zusätzlich zur Zurverfügungstellung am Sitz der Emittentin bzw. der Vertriebskoordinatorin auch im Internet veröffentlicht worden seien.

18 Für eine derartige Bestrafung bietet der durch BGBl. I Nr. 69/2015 neu gefasste § 10 Abs. 3 KMG jedoch keine Grundlage.

19 Zwar ist ein Prospekt grundsätzlich über den Zeitpunkt der Veröffentlichung hinaus während der Gesamtdauer des öffentlichen Angebots bereitzuhalten (vgl. dazu Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz, § 10 Rz 51ff). Die Regeln über die Art der Veröffentlichung richten sich jedoch nach der im Zeitpunkt der Veröffentlichung geltenden Rechtslage, weil es andernfalls zu einer unzulässigen Rückwirkung der verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionierung kommen würde:

20 § 10 Abs. 3 KMG idF BGBl. I Nr. 69/2015 sieht seit (Datum des Inkrafttretens der Bestimmung) zwar eine Verpflichtung zur zusätzlichen Veröffentlichung auf einer Internet-Seite für Prospekte vor, die gemäß Z 1 oder 2 in physischer Form veröffentlicht werden. Es ergibt sich jedoch mangels entsprechender Übergangsbestimmungen weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Materialien (denen lediglich zu entnehmen ist, dass eine elektronische Veröffentlichung künftig verpflichtend zu erfolgen hat), dass diese Verpflichtung auch für bereits vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung gesetzmäßig veröffentlichte Prospekte bestehen würde.

21 Dass die im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts geltenden Regelungen über die Art der Veröffentlichung weiter bestehen bleiben, ergibt sich zudem auch aus § 6 Abs. 1 KMG.

22 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 zweiter Satz KMG sind Nachträge zu Prospekten nämlich zumindest gemäß denselben Regeln zu veröffentlichen und zu hinterlegen, wie sie für die Veröffentlichung und Hinterlegung des ursprünglichen Prospektes galten. Diese Bestimmung stellt damit für die Veröffentlichungsvorgaben der Nachträge zu Prospekten unmissverständlich - versteinernd - auf jene Rechtslage ab, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts (fallbezogen im Mai 2014) in Kraft standen.

23 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass auch Nachträge zum verfahrensgegenständlichen Prospekt - unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015 veröffentlicht wurden - nach denselben Regeln wie der ursprüngliche Prospekt, somit durch die Zurverfügungstellung am Sitz der Emittentin, zu veröffentlichen sind.

24 Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der verfahrensgegenständliche Prospekt über das öffentliche Angebot von Substanzgenussrechten an der A GmbH sowie die Nachträge zu diesem nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2015 erneut nach der neuen Regelung zu veröffentlichen gewesen wären, findet in der bestehenden Gesetzeslage demnach keine Deckung.

25 Das angefochtene Erkenntnis war somit im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §56
B-VG Art18 Abs1
KMG 1991 §10 Abs3 idF 2015/I/069
KMG 1991 §10 Abs3 Z1 idF 2015/I/069
KMG 1991 §10 Abs3 Z2 idF 2012/I/083
KMG 1991 §10 Abs3 Z2 idF 2015/I/069
KMG 1991 §2 Abs1
KMG 1991 §6 Abs1
VStG §1 Abs1
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020062.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAE-86127