VwGH vom 25.03.2020, Ra 2020/02/0033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der K in G, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Mag. Philipp Pall, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.9-2997/2018-17, betreffend Übertretung des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark (LPD) vom wurde der Revisionswerberin vorgeworfen, sie habe sich am um 10:10 Uhr mit einem näher konkretisierten Fahrzeug am Tatort als Lenkerin, obwohl es ihr zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspreche, weil festgestellt worden sei, dass die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert gewesen sei, obwohl die Ladung und auch einzelne Teile dieser auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sein müssten, dass sie den normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhielten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet werde. Die einzelnen Teile der Ladung müssten so verstaut und durch geeignete Mittel so gesichert werden, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern könnten. Diese gelte jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen könnten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet werde. Die Ladung oder einzelne Teile seien erforderlichenfalls zB durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen oder Kombinationen geeigneter Ladungssicherungsmittel zu sichern. Eine ausreichende Ladungssicherung liege auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Ladegütern vollständig ausgefüllt sei, sofern ausreichend feste Abgrenzungen des Laderaumes ein Herabfallen des Ladegutes oder Durchdringen der Laderaumbegrenzung verhinderten. Es sei festgestellt worden, dass der mit Karton verpackte Bürosessel lediglich auf den Beifahrersitz des offenen Cabrios gestellt und zwischen Windschutzscheibe und Rückenlehne geklemmt gewesen sei. Dadurch habe die Revisionswerberin gegen § 102 Abs. 1 KFG iVm. § 101 Abs. 1 lit. e KFG verstoßen, weshalb über sie eine Geldstrafe in Höhe von EUR 300,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 134 Abs. 1 KFG verhängt werde. Begründend führte die LPD u.a. aus, die "mangelnde Ladungssicherheit sei durch die der Anzeige beigefügten Lichtbilder eindeutig und zweifelsfrei dokumentiert. 2 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) wies die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie der Kosten des beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen für das Kraftfahrwesen. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Das LVwG stellte fest, dass die Revisionswerberin einen in einem Karton verpackten Bürosessel gekauft habe, den sie mit einem Lagermitarbeiter so auf dem Beifahrersitz verstaut habe, dass "dies für ihre Begriffe 'formschlüssig' verklemmt zwischen der Lehne des Beifahrersitzes und dem Dachquerträger" erfolgt sei. Auf dem Heimweg sei sie von Beamten der LPD aufgehalten und einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle unterzogen worden. Den Beamten sei eine nicht gehörige sichere Transportweise des Kartons aufgefallen, nachdem dieser auch über den Dachquerträger des geöffneten Daches des KFZ-Cabrios der Revisionswerberin hinausgeragt sei. Den Angaben der Revisionswerberin zufolge habe sie subjektiv gesehen keine wesentliche Sichtbeeinträchtigung durch den auf den Beifahrersitz abgestellten Karton gehabt. Weiters gab das LVwG den Befund und das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen für das Kraftfahrwesen wörtlich wieder. In seiner Beweiswürdigung führte das LVwG aus, es seien die Ausführungen der Revisionswerberin den Feststellungen zugrunde gelegt worden. Aus diesem Grund sei es nicht erforderlich gewesen, die Version des meldungslegenden Beamten "und der angefertigten Lichtbilder der Entscheidung zugrunde zu legen".
4 Rechtlich führte das LVwG aus, beim Ladungstransport sei nicht nur eine entsprechende Sicherung der transportierten Ware vorzunehmen, sondern es dürfe insgesamt der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet werden. Gerade solches habe sich aber aufgrund der von der Revisionswerberin vorgenommenen Transportweise ergeben, wonach entsprechend den Ausführungen des beigezogenen KFZ-Sachverständigen eine erhebliche Sichtbeeinträchtigung nach rechts für die Revisionswerberin gegeben gewesen sei. Ihre subjektiven Ausführungen entsprächen nicht der Realität und sei durch die beschriebene Transportweise eine verkehrsgefährdende Sichtabschottung nach rechts gegeben gewesen, sodass diverse Verkehrsteilnehmer, die sich in diesem Bereich befunden hätten, von der Revisionswerberin nicht hätten gesehen werden können. Im Übrigen sei auch ein Blick in den rechten Außenspiegel nicht möglich gewesen. Wenngleich in technischer Sicht eine formschlüssige Transportweise des Pakets gegeben gewesen sei, sei der sichere Betrieb des Fahrzeuges erheblich beeinträchtigt gewesen. Nähere Ausführungen zum Verschulden der Revisionswerberin enthält das Erkenntnis nicht. In der Folge erläuterte das LVwG die Strafbemessung.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Die LPD erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück- in eventu die Abweisung der Revision. Sie führte u. a. aus, eine Auswechslung der Tat habe nicht stattgefunden, weil die Ladung so gesichert sein müsse, dass der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet werde. Dies sei der Revisionswerberin angelastet worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, der Revisionswerberin sei im gesamten Verwaltungsstrafverfahren lediglich angelastet worden, sie habe die Ladung nicht ausreichend gesichert, weshalb die Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, es habe eine deutliche Sichtbehinderung nach rechts bestanden, ein neues Sachverhaltselement enthalte, als zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den § 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Auch in Verwaltungsstrafsachen ist gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 24 VStG die Begründungspflicht im Sinn des § 58 AVG von Bedeutung (vgl. , mwN).
9 Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa , mwN).
10 Nach der hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. erneut , mwN).
11 Im vorliegenden Fall hat das LVwG ausdrücklich festgestellt, dass die Revisionswerberin subjektiv gesehen keine wesentliche Sichtbeeinträchtigung durch den abgestellten Karton gehabt habe. Beweiswürdigend führte das LVwG - ohne nähere Begründung - aus, es folge den Ausführungen der Revisionswerberin. Nach bloßer wörtlicher Wiedergabe des Sachverständigengutachtens - d.h. insbesondere ohne weitere Feststellungen zu treffen - führt das LVwG in seinen rechtlichen Erwägungen aber weiter aus, es habe nach den Ausführungen des KFZ-Sachverständigen eine erhebliche Sichtbeeinträchtigung nach rechts bestanden. Die Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens kann die Feststellung des Sachverhaltes jedoch nicht ersetzen (vgl. ). 12 Die rechtliche Beurteilung widerspricht somit der zuvor vom LVwG getroffenen Feststellung zum (subjektiven) Nichtvorliegen einer Sichtbeeinträchtigung und enthält weiters keine Ausführungen dazu, wie die vom Sachverständigen angenommene "objektive" Sichtbeeinträchtigung, die "subjektiv" nach den Feststellungen gerade nicht vorgelegen ist, der Revisionswerberin schuldhaft vorwerfbar sein soll.
13 Das angefochtene Erkenntnis enthält daher insgesamt keine nachvollziehbare, den Spruch des Erkenntnisses tragende Begründung, weshalb es aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist.
14 Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen:
15 "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. etwa , mwN).
16 Eine Verfolgungshandlung im Sinn der § 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss ().
17 Nach der hg. Rechtsprechung ist eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. , mwN). 18 Im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren wurde der Revisionswerberin im gesamten Verwaltungsstrafverfahren angelastet, den von ihr transportierten Karton nicht vorschriftsmäßig gesichert zu haben, weil der Karton "lediglich" auf den Beifahrersitz des offenen Cabrios gestellt und zwischen Windschutzscheibe und Rückenlehne geklemmt gewesen sei. In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses wird der Revisionswerberin nunmehr jedoch - nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist - angelastet, es habe eine erhebliche Sichtbeeinträchtigung nach rechts bestanden.
19 Dieses Sachverhaltselement, das eine Übertretung des § 102 Abs. 2 KFG indiziert, war jedoch nicht Gegenstand der von der Behörde gesetzten Verfolgungshandlung und wurde der Revisionswerberin von dieser auch nicht zum Vorwurf gemacht. Damit hat das LVwG jedoch keine (grundsätzlich zulässige) Präzisierung der allein angelasteten (vgl. § 44a Z 2 VStG) rechtlichen Grundlage der Bestrafung (nämlich § 102 Abs. 1 KFG iVm. § 101 Abs. 1 lit. e KFG), sondern einen unzulässigen Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhalts vorgenommen, der darüber hinaus unter eine andere verletzte Norm zu subsumieren wäre. Zu einer solchen Abänderung des Tatvorwurfes war das LVwG nicht berechtigt.
20 Indem das LVwG in Verkennung der Rechtslage der Bestrafung der Revisionswerberin einen anderen Tatvorwurf zugrunde gelegt hat, war das angefochtene Erkenntnis aus diesem Grund wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020033.L00 |
Schlagworte: | Verfahrensbestimmungen |
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