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VwGH vom 14.12.2011, 2009/01/0021

VwGH vom 14.12.2011, 2009/01/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des R H in W, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Bahnhofplatz 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Gem(Stb)-410883/34-2007/Gru/Ha, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG), die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren ab Zustellung dieses Bescheides das Ausscheiden aus dem kroatischen Staatsverband nachweist.

Am legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Republik Kroatien vom vor, wonach er zum Zweck der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus dem kroatischen Staatsverband entlassen wird.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG "in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006", ab.

Begründend führte sie dazu im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass nach Erlassung des Zusicherungsbescheides bestimmte näher bezeichnete Verleihungshindernisse eingetreten seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 1456/07-9, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte die Beschwerde mit Schriftsatz vom . Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 StbG (zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 124/1998) lautet auszugsweise:

"(1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn


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1.
er nicht staatenlos ist;
2.
weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 Anwendung finden und
3.
ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.

(2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

(3) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, ist zu verleihen, sobald der Fremde

1. aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder

2. nachweist, daß ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren.

(4) …"

Mit Erkenntnis vom , G 154/10, kundgemacht am in BGBl. I Nr. 111/2011, hat der Verfassungsgerichtshof § 20 Abs. 2 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 als verfassungswidrig aufgehoben (I.). Weiters hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt (II.), die Vorschrift auch auf die am beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden ist (III.) und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten (IV.).

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf Grund einer nach Zusicherung der Staatsbürgerschaft erfolgten gerichtlichen Verurteilung wegen Wegfalls von Verleihungsvoraussetzungen abgewiesen, ohne zuvor ihren Zusicherungsbescheid vom gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen.

Im gegenständlichen Fall ist auf Grund der vom Verfassungsgerichtshof ausgedehnten Anlassfallwirkung gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG die bereinigte Rechtslage anzuwenden. Die Anwendung der Bestimmung des § 20 Abs. 2 StbG im vorliegenden Beschwerdefall ist somit ausgeschlossen, sodass es an einer gesetzlichen Grundlage für einen Widerruf der Zusicherung mangelt.

Nach den Erwägungsgründen des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, denen sich der Verwaltungsgerichtshof insofern anschließt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zl. 2007/01/0226 und Zl. 2008/01/0584), ist es der Behörde nach der bereinigten Rechtslage verwehrt, bei Vorliegen eines Zusicherungsbescheides nochmals über die bereits bejahten Verleihungsvoraussetzungen abzusprechen. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu (in Rz. 30 und 31 des genannten Erkenntnisses) ausgeführt, "dass § 20 Abs. 3 StbG, wonach die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, zu verleihen ist, sobald der Fremde aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder nachweist, dass ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder zumutbar waren, nach der bereinigten Rechtslage nunmehr so zu lesen ist, dass der Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides für die Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen bestimmend ist. Da es der Staatsbürgerschaftsbehörde auf Grund der bereinigten Rechtslage nach Aufhebung des § 20 Abs. 2 StbG verwehrt ist, nochmals über die bereits bejahten Voraussetzungen abzusprechen, hat sie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur noch darüber abzusprechen, ob der Staatsbürgerschaftswerber die gemäß § 20 Abs. 3 StbG vorgesehenen Erfordernisse erfüllt".

Die (nachträgliche) Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-86094