VwGH vom 17.11.2011, 2009/01/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der M R in W, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/IV - R 206/2006, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen, vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 Abs. 1 Z. 1, 11a Abs. 4 Z. 1 bis 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 (im Folgenden: StbG), ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin erfülle weder die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (ununterbrochener und rechtmäßiger zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet) noch jene des § 11a Abs. 4 StbG (ununterbrochener und rechtmäßiger sechsjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet bei Vorliegen eines der Gründe der Z. 1 bis 4 dieser Bestimmung), da sie sich erst seit Herbst 2004 nachweislich (gemeint: wieder) in Österreich aufhalte. Für den Zeitraum von Juli 1998 bis Herbst 2004 habe sie lediglich punktuelle Anwesenheiten in Österreich, nicht aber ihren ununterbrochenen (gemeint: tatsächlichen) Aufenthalt im Bundesgebiet nachzuweisen vermocht. Da sie sich somit laut Aktenlage im Zeitraum der letzten zehn Jahre länger als 20 v.H. - nämlich (bis auf wenige Tage) im Zeitraum Juli 1998 bis Herbst 2004 - nicht in Österreich aufgehalten habe, sei gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts unterbrochen und habe diese erst wieder im Herbst 2004 neuerlich zu laufen begonnen.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die 1979 geborene Beschwerdeführerin halte sich ihren Angaben zufolge seit 1986 im Bundesgebiet auf. Ein ununterbrochener Aufenthalt sei aber erst ab - ab diesem Zeitpunkt liege eine Inskriptionsbestätigung der Universität für angewandte Kunst Wien vor - nachgewiesen. Eine Anfrage dort habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin zu ihrer Vorbildung ein "Certificate of passing examinations, Student Azadegan Arts School Teheran, fourth grade of graphics; Juni 1998" angegeben habe. In einem Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin angegeben, von 1998 bis 2004 "künstlerische und grafische Projekte in Österreich" betrieben zu haben, ohne darüber weitere Nachweise vorzulegen. Einem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung zufolge würden von (Ende der Mitversicherung bei ihrem Vater) bis zum keine Versicherungszeiten hinsichtlich der Beschwerdeführerin aufscheinen. Für den fraglichen Zeitraum von Juli 1998 bis Herbst 2004 - ihren eigenen Angaben gegenüber der Universität für angewandte Kunst Wien zufolge habe sich die Beschwerdeführerin bis Juni 1998 jedenfalls in Teheran/Iran aufgehalten, um dort die 4. Stufe in Grafik zu absolvieren - habe die Beschwerdeführerin mit Urkundenvorlage vom lediglich eine Zeitbestätigung einer Ärztin vom , ein Schreiben einer Bank vom sowie einen Impfpass mit eingetragenen Daten vom 6. August und sowie vom 4. Oktober und als Nachweise für den tatsächlichen und ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich vorgelegt.
Daran anschließend führte die belangte Behörde weitere, von der Beschwerdeführerin über Aufforderung, nähere Angaben zu ihrem tatsächlichen Aufenthalt in Österreich von 1998 bis 2004 zu machen, vorgelegte Unterlagen an und beurteilte diese wie folgt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Mit Schreiben der Antragstellerin vom wurden der Behörde betreffend den Zeitraum Juli 1998 bis Herbst 2004 folgende Unterlagen vorgelegt (welche teilweise auch schon vorher dem Aktenbestand angehörten):
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- | Karte der Fa. Yves Rocher vom , welche mangels Namensvermerk keiner Person zuordenbar ist |
- | Informationsbroschüre der Hochschule für angewandte Kunst in Wien betreffend 1997/1998 (nicht den fraglichen Zeitraum betreffend) |
- | Antrag auf ein US - Visum an der amerikanischen Botschaft in Wien vom |
- | Befundbericht vom (nicht den fraglichen Zeitraum betreffend) |
- | Bestätigung der Creditanstalt vom über eine Zeichnungsberechtigung der Antragstellerin (mit Unterschrift der (Beschwerdeführerin)). |
- | Schreiben der Bank Austria vom an die Antragstellerin (welches nicht die Anwesenheit der (Beschwerdeführerin) zu diesem Zeitpunkt erforderte) |
- | Visum für Großbritannien, ausgestellt in Wien am (hinsichtlich (der Beschwerdeführerin)) |
- | Impfpass hinsichtlich (der Beschwerdeführerin) betreffend erfolgten Zeckenimpfungen vom , und |
- | Schreiben der Bank Austria vom an die Antragstellerin (erforderte ebenfalls nicht die persönliche Anwesenheit (der Beschwerdeführerin)) |
- | Rechnung der Jugendherberge Wien vom (hinsichtlich (der Beschwerdeführerin)) |
Später wurden noch folgende Unterlagen vorgelegt:
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- | Reisepasskopie mit dem Visum von der Tschechischen Republik vom bis (dies betrifft allerdings nicht den fraglichen Zeitraum) |
- | Bestätigung eines Allergiezentrums vom (dies betrifft ebenfalls nicht den fraglichen Zeitraum). |
- | Bestätigung über den Erwerb eines Handys vom ; aus dieser Bestätigung geht allerdings nicht hervor, wer dieses Handy erworben hat; es ist kein entsprechender Hinweis auf (die Beschwerdeführerin) aus dieser Bestätigung ersichtlich. |
- | Bestätigungen der Firma Cosmos vom bzw. von einer praktischen Ärztin vom ; vorgelegter Impfpass mit Eintragungen im fraglichen Zeitraum von , sowie 4. Oktober und (letztere Eintragung allerdings ohne Bestätigung oder Stempel einer österreichischen medizinischen Institution). |
- | Bestätigung der Universität für angewandte Kunst Wien vom , dass (die Beschwerdeführerin) am für eine dortige Studienrichtung eine Arbeitsmappe abgegeben hat bzw. Beurteilung der Zulassungsprüfung am mit 'nicht zugelassen'." |
Zusammenfassend beurteilte die belangte Behörde die vorgelegten Urkunden dahingehend, dass diese lediglich einzelne Tage betreffen würden und der tatsächliche und ununterbrochene Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet im fraglichen Zeitraum dadurch nicht nachgewiesen würde. Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine über etwa sechs Jahre (von 1998 bis 2004) in Österreich aufhältige Person nicht in diversen Lebensbereichen in Erscheinung trete und ihre tatsächliche Anwesenheit in Österreich auch durch entsprechende Nachweise belegen könne. In dieses Gesamtbild füge sich auch die Lücke in den Versicherungsdaten der Beschwerdeführerin im Zeitraum von (Ende der Mitversicherung bei ihrem Vater) bis zum (Beginn der eigenen Versicherungsdaten) laut Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung. | |
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. | |
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. |
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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen: | |
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war. | |
Gemäß § 11a Abs. 4 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn weitere nachfolgend in den Ziffern 1 bis 4 genannte Voraussetzungen erfüllt sind. | |
Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG wird die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz unterbrochen, wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.H. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen. | |
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut der genannten Bestimmungen ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/01/0063, und vom , Zl. 2009/01/0047, jeweils mwH). | |
Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Aufenthaltsfristen zwar keine (besondere) "Beweispflicht" - die belangte Behörde bedient sich in diesem Zusammenhang des insoweit irreführenden Ausdrucks "nachweisen" - trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0064), sie aber im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 4 StbG verpflichtet war, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. | Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht, 7. Auflage (2006), S. 48). |
Gegen die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitraum von Juli 1998 bis Herbst 2004 nicht ununterbrochen (im Sinne der dargestellten Bestimmungen) im Bundesgebiet aufgehalten, bringt die Beschwerde (nur) vor, sie habe ihren ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet einerseits durch die ständig aufrechte polizeiliche Meldung in Wien, andererseits durch die vorgelegten Urkunden, welche nur punktuelle Aufenthaltszeiten hätten betreffen können, schlüssig und nachvollziehbar nachgewiesen. | |
Damit zeigt sie eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung, wonach die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden zwar auf ihre punktuelle Anwesenheit, nicht aber auf ihren ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet zwischen 1998 und 2004 schließen lassen, nach den bei der Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof anzulegenden Maßstäben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/1018, mwH) nicht auf. | |
Es kann der belangten Behörde nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie es als nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend ansieht, dass die Beschwerdeführerin angesichts eines behaupteten (ununterbrochenen) Aufenthaltes im Bundesgebiet im Zeitraum von 1998 bis 2004 - für den sie in ihrem am vor der belangten Behörde angefertigten Lebenslauf angibt, sich mit künstlerischen und grafischen Projekten in Österreich beschäftigt zu haben - nicht in diversen Lebensbereichen in Erscheinung getreten sei und demnach ihre tatsächliche Anwesenheit in Österreich durch entsprechende (weitere) Nachweise belegen könne. Ebenso ist es nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde davon ausgehend in der "Lücke" in den österreichischen Sozialversicherungsdaten der Beschwerdeführerin von bis einen weiteren, gegen ihre überwiegende Anwesenheit im Bundesgebiet sprechenden Hinweis sieht. | |
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, die vorgelegten Urkunden hätten (gemeint offenbar: stets) nur punktuelle Aufenthaltszeiten betreffen können, ist anzumerken, dass es ihr etwa auch offen gestanden wäre, der belangten Behörde Zeugen für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet namhaft zu machen oder die von ihr angegebenen Projekte näher zu konkretisieren. | |
Soweit die Beschwerde auf den Begriff des Hauptwohnsitzes verweist und dazu ausführt, die Beschwerdeführerin habe "zumindest" ihren Willen, in Österreich aufhältig zu sein, seit 1986 niemals aufgegeben, ist ihr zu entgegnen, dass es nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z. 1 ("rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten") bzw. des § 11a Abs. 4 StbG ("nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von") in der hier maßgeblichen Fassung nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 nicht mehr auf den Hauptwohnsitz, sondern auf den durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer, zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde, ankommt. Aus § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG ergibt sich, dass eine tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von mindestens vier Fünftel des Zeitraumes erforderlich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/01/0065, sowie vom , Zl. 2007/01/1030). | |
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. | |
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
SAAAE-86090