VwGH vom 31.08.2016, 2013/17/0147
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde der Marktgemeinde Maria Enzersdorf in Maria Enzersdorf, vertreten durch DDr. Christian F. Schneider, Rechtsanwalt in 1220 Wien, ARES Tower, Donau-City-Straße 11, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , IVW3-BE-3171601/028-2012, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Univ.-Prof. Dr. MP in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom setzte die Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Gemeinde (in Folge: Abgabenbehörde) die Kanalbenützungsgebühr für die Benützung des öffentlichen Schmutzwasserkanals mit Wirkung für zwei näher genannte Grundstücke der mitbeteiligten Partei mit einem Jahresbetrag von EUR 1.722,13 (exklusive Umsatzsteuer) fest. Der Abgabenberechnung legte sie eine Berechnungsfläche von 745,51 m2 und einen Einheitssatz von EUR 2,31 zu Grunde. Da auch Regenwässer in den Kanal eingeleitet würden, komme ein um 10 % erhöhter Tarif zur Anwendung.
Die Abgabenbehörde habe zur Frage des Vorliegens eines Härtefalls gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 Ermittlungen angestellt, um die tatsächliche Belastung der Kanalanlage durch die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei feststellen zu können. Die mitbeteiligte Partei habe ua den Wasserverbrauch für die Jahre 2011, 2010 und 2009 mitgeteilt. Sie habe auch erklärt, dass das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werde, im Haushalt sechs Personen lebten, sich auf der Liegenschaft ein nicht an den Kanal angeschlossenes Schwimmbecken mit ca 40 m3 befinde und die zu bewässernde Gartenfläche 1.500 m2 betrage.
Da im Haushalt der mitbeteiligten Partei sechs Personen wohnten, entspreche einem Einwohnergleichwert (EGW) eine Berechnungsfläche von 124,3 m2. Die Summe der Berechnungsflächen in der Gemeinde betrage laut deren EDV 828.901,5 m2. Die Summe der Hauptwohnsitze in der Gemeinde betrage 8.685, das bedeute 8.685 EGW, die Summe der Erwerbstätigen laut letztgültiger Erwerbsstatistik der Statistik Austria zum betrage 5.119, was nach Multiplikation mit 33 % zu weiteren 1.689 EGW führe. Dies ergebe in der beschwerdeführenden Gemeinde insgesamt 10.374 EGW und eine durchschnittliche Berechnungsfläche von 79,9 m2/EGW. In der beschwerdeführenden Gemeinde habe der gesamte Wasserverbrauch für das Versorgungsjahr 2011 laut letztgültiger Wasserbilanz
668.325 m3 und der durchschnittliche Wasserverbrauch pro EGW 64,5 m3 betragen. Der durchschnittliche Wasserverbrauch auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei betrage (unter Zugrundelegung eines Jahreswasserverbrauchs von 782 m3 und 6 EGW) 130,3 m3/EGW.
Die Berechnungsfläche pro EGW von 124,3 m2 sei ein Indiz für das Vorliegen eines Härtefalles. Allerdings sei der Wasserverbrauch auf der betreffenden Liegenschaft mit 130,3 m3 pro EGW mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt. An diesem Ergebnis ändere auch die Berücksichtigung des Umstandes nichts, dass die Gartenbewässerung und die Befüllung des Schwimmbeckens keine Belastung des Kanals zur Folge hätten, weil dies in weiten Bereichen der Gemeinde auch der Fall sei.
2 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung. Sie verwies auf das Vorliegen einer weit überdurchschnittlichen Gartenfläche sowie auf den Umstand, dass das Schwimmbecken nicht an den Kanal angeschlossen sei. Für jene Wassermengen, die diesen Bereichen zuzuordnen seien, sei keine Schmutzwasserfracht gegeben. Erhebungen zur konkreten Schmutzwasserfracht seien nicht erfolgt.
3 Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde (in Folge: Berufungsbehörde) die Berufung als unbegründet ab. Zum Vorwurf, die Abgabenbehörde habe es unterlassen, den Umfang der Schmutzwasserfracht zu erheben, verwies sie auf die Mitwirkungspflicht der mitbeteiligten Partei, weil der amtswegigen Ermittlungstätigkeit faktische Grenzen gesetzt seien. Mangels Schmutzwasserzählern sei der Abgabenbehörde bloß möglich gewesen, die Schmutzwasserfracht auf Grundlage des Wasserverbrauchs zu schätzen.
4 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde.
Die Aufhebung sei in der in mehrfacher Hinsicht rechtswidrigen Anwendung des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 durch die Berufungsbehörde begründet. Die Härtefallregelung des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 sei von Amts wegen zu berücksichtigen und keine Ausnahmebestimmung iSd BAO. Es liege daher keine erhöhte Mitwirkungspflicht der mitbeteiligten Partei vor.
Zudem seien die Abgabenbehörden rechtsirrig von der Relevanz des Wasserverbrauchs der Liegenschaft ausgegangen. Tatsächlich sei die Ermittlung und vergleichende Betrachtung dieses Werts für die Prüfung eines Härtefalles entbehrlich. Die Schmutzfracht sei vielmehr anhand der Maßzahl des EGW darzustellen und in Beziehung zu setzen. Die rechnerische Berechnungsfläche von 124,3 m2 je EGW Schmutzfracht in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft übersteige die durchschnittliche rechnerische Berechnungsfläche von 79,9 m2 EGW in Ansehung der gesamten Gemeinde signifikant. Verhältnismäßig betrachtet sei die Berechnungsfläche je EGW bezüglich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft um 55,57 % höher als auf die gesamte Gemeinde bezogen. Schon damit sei angesichts der Wertung des Gesetzgebers, dass der für den Betrieb einer Kanalanlage anfallende Aufwand auf die angeschlossenen Geschoßflächen umzulegen sei (§ 5a Abs 2 NÖ Kanalgesetz 1977), das Vorliegen eines Härtefalles ausreichend dargetan. Ein möglicherweise überdurchschnittlicher Wasserverbrauch auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei - möge dieser nun auf Grund der Nutzung der Baulichkeiten oder durch die Gartenbewässerung bzw Schwimmbeckenbefüllung entstanden sein - ändere am Vorliegen eines Härtefalles nichts. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz habe sohin rechtsirrig das Vorliegen eines Missverhältnisses verneint. Weiters wäre sie im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet gewesen, dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung die tatsächlichen für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kosten gegenüberzustellen. Da dies nicht erfolgt sei, sei der entscheidungswesentliche Sachverhalt unzureichend ermittelt worden. Unter der Überschrift "Ergänzende unpräjudizielle Anmerkungen" führte die belangte Behörde aus, dass im weiteren Verfahren vom Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen der Kanalbenützungsgebühr und den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kosten betreffend die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei auszugehen und das Ermittlungsverfahren entsprechend zu ergänzen sei. Die Abgabenbehörde habe ihre Annahme, ein Erwerbstätiger in der Gemeinde entspreche 0,33 EGW nicht begründet. Weiters sei die Kanalbenützungsgebühr je EGW in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft (derzeit EUR 1.722,13 für sechs EGW) mit den im Gemeindegebiet durchschnittlich für die Entsorgung einer sechs EGW entsprechenden Schmutzfracht entstehenden Kosten gegenüberzustellen. Hiezu wäre der Jahresaufwand für die Abwasserbeseitigung entsprechend dem Voranschlag bzw Rechnungsabschluss durch die Gesamtzahl der EGW zu dividieren. Bei Heranziehung des der Aufsichtsbehörde zuletzt vorgelegten Betriebsfinanzierungsplans 2012 wäre etwa von einem Jahresaufwand von EUR 2.066.333 auszugehen, was bei Heranziehung der von der Abgabenbehörde ermittelten Summe der EGW von 10.374 durchschnittliche Kosten von EUR 199,18 je EGW ergebe. Für sechs EGW ergebe sich daher ein Aufwand von EUR 1.195,08. Da die mitbeteiligte Partei derzeit EUR 1.722,13 für sechs EGW entrichten müsse, wäre das Missverhältnis evident. Hilfsweise könnte angesichts der Wertung des Gesetzgebers, dass der für den Betrieb einer Kanalanlage anfallende Aufwand auf die angeschlossenen Geschoßflächen umzulegen sei (§ 5a Abs 2 NÖ Kanalgesetz 1977), von der in EGW zum Ausdruck gebrachten Schmutzfracht im Verhältnis zur Berechnungsfläche ausgegangen werden. Eine Reduktion der Kanalbenützungsgebühr um ca 30 % könnte angesichts des Verhältnisses 79,9 m2 zu 124,3 m2 Berechnungsfläche je EGW als angemessen erachtet werden.
5 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gemeinde beantragt, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
6 Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Das NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl 8230 (§ 5b idF LGBl 8230-5),
lautet:
"...
§ 1a
Begriffe
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
...
3. Einwohnergleichwerte (EGW): Maßzahl die die Verschmutzung betrieblicher Abwässer in Beziehung zur Verschmutzung häuslicher Abwässer ausdrückt;
...
§ 5b
Vermeidung von Härtefällen
(1) Ergibt sich bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr ein offensichtliches Mißverhältnis, zwischen der berechneten Höhe und dem verursachten Kostenaufwand, so ist die Kanalbenützungsgebühr entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme, unter Berücksichtigung der sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühren höchstens jedoch um 80 % zu vermindern.
(2) Ein offensichtliches Mißverhältnis im Sinne des Abs. 1 liegt jedenfalls vor, wenn die Schmutzfracht pro 300 m2 Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein EGW ist.
(3) Eine Verminderung der Kanalbenützungsgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn die Berechnungsfläche mehr als 700 m2 beträgt.
..."
9 Im Beschwerdefall ist strittig, ob die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen eines Härtefalles gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 ausgegangen ist.
10 Ein Härtefall iSd § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 liegt dann vor, wenn bei einer Liegenschaft mit einer Berechnungsfläche von mehr als 700 m2 ein offensichtliches Missverhältnis zwischen der berechneten Höhe der Kanalbenützungsgebühr und dem Kostenaufwand für die Entsorgung der von der Liegenschaft verursachten Abwässer besteht. Dies wäre beispielsweise bei einer Möbelhalle mit einem Kunden-WC oder einer Werkshalle mit einem Handwaschbecken der Fall. Gelangen von diesen Ablaufstellen nur geringe Mengen an Abwasser in den öffentlichen Kanal, so ist es evident, dass die flächenbezogene Berechnungsmethode hier zu ungewollten Härten führt. Diese Härten sollen durch die Bestimmung des § 5b leg cit vermieden werden (vgl Leiss , NÖ Kanalgesetz 56).
§ 5b NÖ Kanalgesetz 1977 wird insbesondere bei Objekten, bei denen die Nutzungsmöglichkeit aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche über die tatsächliche Nutzung deutlich hinaus geht und damit die tatsächliche Belastung der Kanalanlage wesentlich geringer ist als bei Objekten vergleichbarer Größe, Anwendung finden (vgl , iZm einem Schloss).
11 Liegt ein offensichtliches Missverhältnis iSd § 5b NÖ KanalG vor, dann besteht ein Rechtsanspruch auf entsprechende Verminderung des Gebührenanteils schon bei der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr (vgl ).
12 Bei der Prüfung des Vorliegens eines Härtefalles ist die Gebühr für die Abwasserentsorgung dem tatsächlich für die Abwasserentsorgung entstehenden Kostenaufwand durch die Benützung der Liegenschaft gegenüberzustellen.
13 Dabei sind die jeweiligen Jahreswerte maßgebend. Neben dem jährlichen Gebührenanteil ist somit auch der jährliche tatsächlich für die Abwasserentsorgung entstehende Kostenaufwand festzustellen (vgl , zu § 5b leg cit idF vor der Novelle LGBl 8230-5).
14 Ergibt sich, dass die Abwässer einer Liegenschaft dem Kanalbetreiber weniger Kosten verursachen, als für diese Liegenschaft an Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben wird, kann ein Missverhältnis iSd § 5b Abs 1 NÖ Kanalgesetz 1977 vorliegen. Ein offensichtliches Missverhältnis ist nach § 5b Abs 2 NÖ Kanalgesetz 1977 jedenfalls dann gegeben, wenn die Schmutzfracht pro 300 m2 Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein EGW ist. Ein offensichtliches Missverhältnis kann aber auch in anderen Fällen, in denen die Schmutzfracht pro 300 m2 Berechnungsfläche größer oder gleich einem EGW ist, aufgrund besonderer Umstände vorliegen. Dazu müssen aber entsprechende Feststellungen iSd § 5b Abs 1 NÖ Kanalgesetz 1977 getroffen werden.
15 Bei der Bemessung des Ausmaßes der Verminderung der Gebühr sieht § 5b Abs 1 leg cit vor, dass auch die sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühren zu beachten sind. Damit wird offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen, dass in einer Gemeinde für alle Liegenschaften Kanalbenützungsgebühren eingehoben werden können, die den jeweils anteiligen tatsächlichen Kostenaufwand überschreiten, was gemäß § 15 Abs 3 Z 4 FAG 2008 bis zum doppelten Jahreserfordernis für die Kanalanlage zulässig ist. Die Anwendung der Härtefallregelung soll also nicht zu einer Bevorzugung einer Liegenschaft gegenüber allen anderen Liegenschaften einer Gemeinde führen. Darüber hinaus darf die Verminderung aufgrund der Anwendung der Härtefallregelung höchstens 80 % betragen.
16 Im Beschwerdefall beträgt die Berechnungsfläche der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei rund 745 m2, sodass diese in § 5b Abs 3 NÖ Kanalgesetz 1977 angeführte Voraussetzung zur Anwendung der Härtefallregelung erfüllt ist.
17 Auf der Liegenschaft der mitbeteiligen Partei besteht kein Abwasserzähler, sodass die Abgabenbehörde der beschwerdeführenden Gemeinde das Ausmaß der von der Liegenschaft verursachten Abwässer schätzen musste. Zu diesem Zweck hat sie auf die Anzahl der Bewohner dieser Liegenschaft abgestellt und ermittelt, wie viel Berechnungsfläche auf einen Bewohner der Liegenschaft entfällt.
18 In einem nächsten Schritt hat die Abgabenbehörde die durchschnittliche Berechnungsfläche der vorliegenden Liegenschaft pro Bewohner mit der durchschnittlichen Berechnungsfläche pro EGW (Einwohner und Beschäftigte) in der Gemeinde verglichen. Dabei hat sie eine überproportional hohe Berechnungsfläche (dh Gebührenbelastung) in Bezug auf die Bewohner der Liegenschaft festgestellt. Nach Auffassung der Abgabenbehörde werde dieses Missverhältnis aber durch den überdurchschnittlich hohen Wasserverbrauch der Bewohner der Liegenschaft relativiert, weil dieser als Indiz für eine ebenfalls überdurchschnittlich hohe Kanalinanspruchnahme angesehen wurde.
19 Demgegenüber hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich die Bedeutung des Wasserbezuges auf der Liegenschaft in diesem Zusammenhang verneint. Vielmehr sei bereits mit dem Vergleich der durchschnittlichen Berechnungsflächen pro Bewohner der Liegenschaft bzw EGW der Gemeinde das Vorliegen eines Härtefalls iSd § 5 NÖ Kanalgesetz 1977 ausreichend dargetan worden, sei doch "die Berechnungsfläche je Einwohnergleichwert in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft um 55,57 % höher als auf die gesamte Gemeinde bezogen".
20 Damit verkennt die belangte Behörde aber, dass zur Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalls nach dem Wortlaut des § 5b Abs 1 NÖ Kanalgesetz 1977 - mit Ausnahme des Abs 2 leg cit - ausschließlich die Relation zwischen dem tatsächlich für die Abwasserentsorgung der Liegenschaft entstehenden Kostenaufwand und der Gebührenbelastung dieser Liegenschaft ausschlaggebend ist. Auf den Vergleich der durchschnittlichen Berechnungsflächen pro Bewohner einer Liegenschaft bzw EGW der Gemeinde kommt es diesfalls hingegen nicht an. Es wäre nämlich nicht auszuschließen, dass die erhöhte Gebührenbelastung durch eine erhöhte Inanspruchnahme des öffentlichen Kanals gerechtfertigt ist.
21 Warum im Beschwerdefall ohne weitere Feststellungen zur tatsächlichen Kanalinanspruchnahme und der daraus resultierenden Kosten eine solche Offensichtlichkeit des Missverhältnisses von Gebühren zu verursachten Kosten auch bereits bei einer Berechnungsfläche von 124,3 m2 pro Bewohner (EGW) auf einer ausschließlich Wohnzwecken dienenden Liegenschaft gegeben sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.
22 Die von der belangten Behörde unter der Überschrift "Ergänzende unpräjudizielle Anmerkungen" dargestellte Berechnungsmethode war im Übrigen nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Die Bindung eines aufsichtsbehördlichen Bescheids erstreckt sich nämlich nicht auf die Aufhebung nicht tragende Ausführungen der Vorstellungsbehörde, so etwa - wie im Beschwerdefall - auf Hinweise auf die weitere Verfahrensführung (vgl , und vom , 2006/05/0220). Solche Ausführungen sind somit, da sie keine Verletzung der Gemeinde in ihrem Recht auf Selbstverwaltung zu begründen vermögen, nicht in die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Vorstellungsbescheids miteinzubeziehen.
23 Da die belangte Behörde aus dem bloßen Umstand, dass die Berechnungsfläche pro Bewohner der Liegenschaft jene pro EGW der Gemeinde um 55,57 % überstieg, vom Vorliegen eines Härtefalls ausging, hat sie die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
24 Bei der Ermittlung des Ausmaßes der Inanspruchnahme des öffentlichen Kanals im Schätzungswege (allenfalls mit Hilfe eines Gutachtens) kann im fortzusetzenden Verfahren - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - ein überdurchschnittlicher Wasserbezug durch eine Liegenschaft durchaus ein Indiz für eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserentsorgung darstellen, sofern das bezogene Wasser in der Folge im Wesentlichen in den Kanal eingeleitet wird. Insofern wäre etwa auch die Frage der Häufigkeit der Entleerung eines Schwimmbeckens von Bedeutung, sofern dies über die öffentliche Kanalanlage erfolgt, was auch der Fall sein kann, wenn kein eigener Kanalanschluss für das Schwimmbecken besteht.
25 Die belangte Behörde war aber insofern im Recht, als das Unterlassen diesbezüglicher Feststellungen durch die Abgabenbehörde nicht mit einer Verletzung der - auch im Schätzungsverfahren bestehenden - Mitwirkungspflicht durch die mitbeteiligte Partei gerechtfertigt werden durfte. Dass der Abgabepflichtige bei der Bemessung der Kanalbenützungsgebühr initiativ von sich aus alle Umstände betreffend das allfällige Vorliegen eines Härtefalles vorzubringen hätte, ist dem NÖ Kanalgesetz 1977 nämlich nicht zu entnehmen. Anders als die beschwerdeführende Gemeinde vermeint, ist die Härtefallregelung nach § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 auch nicht "funktionell mit dem Institut der Nachsicht iSd § 236 BAO vergleichbar", handelt es sich bei letzterem doch um ein antragsbedürftiges Verfahren betreffend bereits fällige oder entrichtete Abgaben, während im Beschwerdefall ein amtswegiges Abgabenbemessungsverfahren durchzuführen war. Im Übrigen ist auch in einem Nachsichtsverfahren die Behörde nicht von ihrer Pflicht, Feststellungen zu treffen, entbunden, sie kann sich aber auf die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe beschränken (vgl Ritz , BAO5 Tz 3ff zu § 236 mwN).
26 Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
27 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am