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VwGH vom 07.09.2011, 2011/08/0068

VwGH vom 07.09.2011, 2011/08/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der E G in F, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Ardetzenbergstraße 42, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , Zl. IVb-609-2010/0015, betreffend Beitragsvorschreibung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse in 6850 Dornbirn, Jahngasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde die Beschwerdeführerin zur Bezahlung von Beiträgen nach dem ASVG (sowie Zinsen und Exekutionskosten) in der Höhe von (gesamt) EUR 907,38 verpflichtet. Die Beitragsforderung betraf "Beiträge 10/09" in der Höhe von EUR 657,93, "Beiträge 11/09" in der Höhe von EUR 123,58 und "Beiträge 12/09" in der Höhe von EUR 17,96 sowie Zinsen und Exekutionskosten.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin ein näher bezeichnetes Restaurant betrieben habe. Die Beitragsnachweise für die Monate Oktober, November und Dezember seien vom Steuerberatungsbüro der Beschwerdeführerin an die Gebietskrankenkasse übermittelt worden und dieser zuzurechnen. Die jeweilige "Höhe der Beitragsnachweise" würde der Höhe der aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge entsprechen.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, in dem sie ausführte, dass die Beiträge, welche den Zeitraum vor dem betreffen, vom Betriebsnachfolger, den die Betriebsnachfolgerhaftung treffe, bezahlt worden seien. Die belangte Behörde hätte dazu "unter anderem (S.S., den Betriebsnachfolger) zu vernehmen und von ihm alle Zahlungsbelege anzufordern".

Die weiteren Positionen würden Ansprüche betreffen, die - selbst wenn sie inhaltlich berechtigt sein sollten - nicht von der Beschwerdeführerin zu erfüllen seien, da sie sich auf die Dienstgebereigenschaft ab dem - und damit auf den Betriebsnachfolger - bezögen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte den Einspruch - mit einer dazu erstellten Stellungnahme - der belangten Behörde vor.

Im Einspruchsverfahren übermittelte die belangte Behörde die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen.

In der Folge erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte.

Sie führte darin aus, dass sich die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren nicht mehr geäußert habe und die belangte Behörde daher die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in deren Stellungnahme vom zugrunde lege. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe der Vorschreibung die von der Beschwerdeführerin "im Wege ihres Steuerberatungsbüros" selbst gemeldeten Beiträge zugrunde gelegt.

Zur Behauptung der Beschwerdeführerin, die Beitragsschulden würden sich auf die Dienstgebereigenschaft des Betriebsnachfolgers ab dem beziehen, sei festzuhalten, dass sich die vorgeschriebenen Beiträge ausschließlich auf die Dienstgebereigenschaft der Beschwerdeführerin vor dem beziehen würden:

Bei den für den Beitragszeitraum "12/09" vorgeschriebenen Beiträgen handle es sich um Unfallversicherungsbeiträge für das Jahr 2009 für die geringfügig beschäftigten Dienstnehmer C.E. und S.C, welche vom 22. Juli bis bzw. vom 2. bis zum beschäftigt gewesen seien. Die Abmeldungen seien am (für C.E.) bzw. am (für S.C.) erfolgt. Gemäß § 44 Abs. 2 ASVG seien diese Beiträge am Ende des Jahres fällig und würden daher immer mit dem Beitragsmonat Dezember des jeweiligen Jahres eingearbeitet. Das Steuerberatungsbüro der Beschwerdeführerin habe im Beitragsnachweis vom für diese zwei geringfügig beschäftigten Dienstnehmer selbst "12/09" angeführt.

Hinsichtlich der "Beiträge 11/09" handle es sich um Beiträge, die auf Grund der Urlaubsabfindung für die Dienstnehmerin S.G. vorgeschrieben worden seien. Das Dienstverhältnis sei am aufgelöst worden, trotz eines offenen Urlaubsanspruches im Ausmaß von 11 Tagen. Gemäß § 11 Abs. 2 ASVG verlängere die Urlaubsersatzleistung die Pflichtversicherung; sohin betreffe der Beitrag für den Zeitraum 11/09 gleichfalls den Zeitraum vor dem am erfolgten Dienstgeberwechsel.

Die Beiträge für 10/09 seien auf Grund des von der Beschwerdeführer über ihr Steuerberatungsbüro gemeldeten Beitragsnachweises vorgeschrieben worden und bezögen sich auf Zeiten vor dem Dienstgeberwechsel.

Zum Einwand der Betriebsnachfolgerhaftung sei festzuhalten, dass es sich um eine Beitragsvorschreibung zu Lasten der Beschwerdeführerin handle, nicht um die Geltendmachung einer Betriebsnachfolgerhaftung. Der Einwand, dass der Betriebsnachfolger die Beträge, die den Zeitraum vor dem betreffen, bereits bezahlt habe, sei für das Einspruchsverfahren ohne Bedeutung. Beitragsschuldner sei der Dienstgeber und nicht ein allfälliger Dritter, mit dem der Dienstgeber in einer Vertragsbeziehung stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei macht geltend, dass sie entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid im Einspruchsverfahren eine Stellungnahme abgegeben habe, die jedoch nicht berücksichtigt worden sei. Diese mit der Beschwerde vorgelegte Stellungnahme sei innerhalb der von der belangten Behörde gesetzten Frist per Telefax an die belangte Behörde an die in der Aufforderung genannte Telefaxnummer gesandt worden.

In der zu diesem Vorbringen von der belangten Behörde über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten Stellungnahme räumt die belangte Behörde ein, dass das Telefax der Beschwerdeführerin tatsächlich am um 12.46 Uhr bei der belangten Behörde eingegangen sei. Über den weiteren Verbleib des Dokumentes können keine Auskunft mehr gegeben werden.

Damit steht fest, dass der belangten Behörde eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin zugekommen ist, die bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen gewesen wäre. Dem Verfahrensmangel kommt jedoch nur dann Relevanz zu, wenn bei dessen Vermeidung eine anderslautende Entscheidung möglich gewesen wäre.

Dies kann im Beschwerdefall nicht ausgeschlossen werden. Zwar wiederholt die Stellungnahme der Beschwerdeführerin teilweise Vorbringen aus dem Einspruch, und verkennt - wie im Übrigen auch die Beschwerde -, dass die Betriebsnachfolgerhaftung im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG ausdrücklich "unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers" eintritt und sich der ursprüngliche Beitragsschuldner somit nicht schuldbefreiend auf die Haftung seines Betriebsnachfolgers gemäß 67 Abs. 4 ASVG berufen kann. In der Stellungnahme wird aber auch geltend gemacht, dass die (von der Beschwerdeführerin verschuldeten) Beiträge hinsichtlich der Dienstnehmer E.C. und C.S. bereits - vom Betriebsnachfolger - vollständig bezahlt worden seien, was - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht bedeutungslos wäre. Die belangte Behörde hätte daher festzustellen gehabt, ob und welche Zahlungen vom Betriebsnachfolger geleistet wurden und ob diese alle hier gegenständlichen "Altschulden" der Beschwerdeführerin betroffen haben.

Weiters wird in der Stellungnahme geltend gemacht, dass die Dienstnehmerin S.G. keinen Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung gehabt habe, da sie ihren ganzen Urlaub konsumiert hatte.

Dies dürfte zwar im Widerspruch zur (berichtigten) Beitragsnachweisung durch das Steuerberatungsbüro der Beschwerdeführerin stehen, die belangte Behörde hat sich jedoch mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und auch den diesbezüglichen Beweisantrag auf Einvernahme der Dienstnehmerin S.G. stillschweigend übergangen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Kostenmehrbegehren für die Äußerung vom war abzuweisen, da der pauschalierte Schriftsatzaufwand auch den Aufwand abdeckt, der mit der Erstattung weiterer im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstatteter Schriftsätze verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/07/0002).

Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am