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VwGH vom 28.02.2007, 2006/16/0142

VwGH vom 28.02.2007, 2006/16/0142

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Zollamtes Feldkirch in Feldkirch, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 2, vom , Zl. ZRV/0030-Z2L/05, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: R GmbH & Co in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Das Zollamt Feldkirch teilte der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom die nach Art. 203 ZK entstandene Abgabenschuld samt Abgabenerhöhung und Verwaltungsabgabe für 20.000 l aus der Schweiz am im Versandverfahren eingeführtes Bier, das in Österreich in Dosen abgefüllt und am wieder ausgeführt wurde, mit. Die mitbeteiligte Partei habe gegen die Auflagen aus der Bewilligung als zugelassener Empfänger verstoßen, weil sie die Ankunft der Waren nicht unverzüglich gemeldet habe, und auch gegen die Auflage aus der Bewilligung zum Anschreibeverfahren, weil sie erst drei Tage später die Waren angeschrieben habe. Weiters sei die Ware nicht von einer "zollverantwortlichen" Person übernommen worden. Sollte der Tatbestand des Art. 204 ZK verwirklicht worden sein, dann könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfehlungen im Sinne des Art. 859 ZK-DVO sich nicht wirklich ausgewirkt hätten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, seit mehreren Jahren fülle sie für diverse Auftraggeber aus der Schweiz im Lohnauftrag Bier in Dosen ab. Die Anlieferung erfolge durch Tankfahrzeuge nach Nüziders, das Bier werde dort unmittelbar abgefüllt und wieder ins Drittland verbracht. Die Einfuhr aus der Schweiz werde dabei im Rahmen der Gestellungsbefreiung durchgeführt. Für die gegenständliche Lieferung sei jedoch fälschlicherweise an der Grenze ein Versandverfahren eröffnet worden. Dieser Umstand sei vom Zollverantwortlichen in Nüziders übersehen worden. In der Annahme, es handle sich um die übliche Abwicklung, habe er die Zolldokumente wie üblich nach Rankweil weitergeleitet. Dieser Fehler sei passiert und es seien bereits Vorkehrungen getroffen worden, um dies in Zukunft zu vermeiden. Obwohl die Sendung ordnungsgemäß in das Zolllagerverfahren übernommen und von dort ebenfalls ordnungsgemäß wieder ausgeführt worden sei, würden nun die Eingangsabgaben vorgeschrieben werden. Es habe keinen Versuch gegeben, die Waren der zollamtlichen Überwachung zu entziehen. Es werde daher um Nachsicht der entstandenen Zollschuld im Sinne des Art. 204 ZK angesucht, da sich diese Verfehlung auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom berichtigte das Zollamt Feldkirch die buchmäßige Erfassung der Abgaben auf insgesamt EUR 6.762,42 und wies im Übrigen die Berufung als unbegründet ab.

Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch der angefochtenen Berufungsvorentscheidung dahingehend ab, dass der Abgabenbescheid des Zollamtes Feldkirch vom ersatzlos aufgehoben werde. In der Begründung heißt es, der mitbeteiligten Partei seien mit Bewilligung des Zollamtes Feldkirch bestimmte Verfahrenserleichterungen erteilt worden. Mit Bescheid vom habe das Zollamt Feldkirch der mitbeteiligten Partei den Status eines zugelassenen Empfängers im "New Computerised Transit System" (NCTS) bewilligt; in Anwendung dieses Systems seien die Waren zur mitbeteiligten Partei verbracht worden. Mit dieser Bewilligung seien Auflagen verbunden. Die mitbeteiligte Partei habe als zugelassener Empfänger die Verpflichtung, der zuständigen Zollstelle die im elektronischen Versandverfahren (NCTS) beförderten Waren bei Eintreffen beim festgelegten Warenort mittels elektronischer Ankunftsanzeige mitzuteilen. Die mitbeteiligte Partei habe dann 60 Minuten abzuwarten, bis die beförderten Waren am zugelassenen Warenort entladen werden dürfen, sofern die zuständige Zollstelle keine Kontrollmaßnahmen setze.

Die mitbeteiligte Partei habe der Zollstelle die Ankunftsanzeige am übermittelt, obwohl die Ware bereits am bei ihr eingelangt, anschließend in Dosen abgefüllt und am in die Schweiz wieder ausgeführt worden sei. Mit der Warenübergabe an die mitbeteiligte Partei (den zugelassenen Empfänger) am sei das Versandverfahren ex lege ordnungsgemäß beendet worden. Die mitbeteiligte Partei habe gegen eine Auflage der erteilten Bewilligung zum zugelassenen Empfänger verstoßen. Zur Verfehlung sei zunächst festzustellen, dass sich diese Anordnungen aus den Bestimmungen der Art. 406 bis 408a ZK-DVO ergäben. Dabei handle es sich um Vorschriften, die ausschließlich für jenen Personenkreis Geltung hätten, welchen der Status eines zugelassenen Empfängers bewilligt worden sei. Bei diesen Vorschriften handle es sich um keine Verpflichtungen, welche sich aus einem Zollverfahren ergäben. Die im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Zollverfahren seien in Art. 4 Z 16 ZK taxativ aufgezählt. Verfehlungen bzw. Pflichtverstöße, die eine Zollschuldentstehung nach Art. 204 ZK nach sich zögen, könnten sich nur durch die Verletzung gesetzlich auferlegter Verpflichtungen im Rahmen der vorgenannten Verfahren ergeben. Im Rahmen des Versandverfahrens ergäben sich die Pflichten aus Art. 96 ZK. Darin werde bestimmt, dass der Hauptverpflichtete die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungsstelle zu gestellen habe und weiters die Vorschriften des Versandverfahrens einzuhalten habe. Unbeschadet dieser Verpflichtungen für den Hauptverpflichteten habe ein Warenführer bzw. Warenempfänger, der solche Waren annehme und wisse, dass diese Waren dem Versandverfahren unterlägen, ebenfalls die Pflicht, diese Waren innerhalb der vorgesehenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungsstelle zu gestellen. Diese Vorschriften im Rahmen des Versandverfahrens seien bis zur Beendigung dieses Zollverfahrens im Beschwerdefall auch eingehalten worden. Durch die ordnungsgemäße Beendigung des Versandverfahrens könne somit in diesem Verfahrensstadium keine Entziehungshandlung aus der zollamtlichen Überwachung erblickt werden, sodass ein Entstehen einer Zollschuld nach den Bestimmungen des Art. 203 ZK im Rahmen des Versandverfahrens ausscheide. Im Beschwerdefall liege weiters auch keine Pflichtverletzung der mitbeteiligten Partei vor, welche sich aus dem Versandverfahren ergäbe, sondern aus den Bestimmungen des zugelassenen Empfängers. Auch sei bei der Erwägung einer Heranziehung des Art. 204 ZK gleichfalls zu berücksichtigen, dass das Versandverfahren bereits durch die Übernahme der Waren durch den zugelassenen Empfänger beendet worden sei und die vom Zollamt Feldkirch festgestellte Verfehlung zeitlich nach der Beendigung des Versandverfahrens erfolgt sei. Folglich habe im Rahmen des gegenständlichen Versandverfahrens durch die vorliegende Verfehlung weder eine Zollschuld nach Art. 203 ZK noch nach Art. 204 ZK entstehen können.

Auch sei zu der Feststellung des Zollamtes Feldkirch, dass nämlich im Rahmen des Anschreibeverfahrens eine Übernahme der Sendung offenbar durch einen nicht bewilligten Personenkreis erfolgt sei, auszuführen, dass es sich hiebei ebenfalls um eine etwaige Verfehlung handle, welche zeitlich nach der Beendigung des Versandverfahrens einzuordnen sei. Diese Handlung könne daher bei einer Beurteilung einer Zollschuldentstehung im Rahmen des Versandverfahrens keinen Einfluss nehmen. In der vom Zollamt Feldkirch dem unabhängigen Finanzsenat übermittelten Bewilligung zum zugelassenen Empfänger vom finde sich ohnedies kein festgelegter verantwortlicher Personenkreis. Der Bescheid des Zollamtes Feldkirch vom sei daher im Ergebnis zu Unrecht erlassen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Zollamtes Feldkirch, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die aus der Schweiz angelieferten Waren wurden im Versandverfahren zu der mitbeteiligten Partei, einem zugelassenen Empfänger, verbracht.

Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen gemäß Art. 37 Abs. 1 ZK vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft werden.

Sie bleiben nach Art. 37 Abs. 2 ZK solange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wieder ausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.

Gemäß Art. 91 Abs. 1 Buchstabe a) ZK können im externen Versandverfahren Nichtgemeinschaftswaren zwischen zwei innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gelegenen Orten befördert werden, ohne dass diese Waren Einfuhrabgaben, anderen Abgaben oder handelspolitischen Maßnahmen unterliegen.

Das externe Versandverfahren endet gemäß Art. 92 Abs. 1 ZK und die Verpflichtungen des Inhabers sind erfüllt, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Dokumente entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle gestellt werden.

Gemäß Art. 40 ZK sind Waren, die nach Maßgabe des Artikels 38 Abs. 1 Buchstabe a) bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eintreffen, von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat oder die gegebenenfalls die Beförderung der Waren nach dem Verbringen übernimmt.

Einer Person, die im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderte Waren in ihrem Betrieb oder an einem anderen festgelegten Ort in Empfang nehmen möchte, ohne dass der Bestimmungsstelle die Waren gestellt oder die Exemplare Nrn. 4 und 5 der Versandanmeldung vorgelegt werden, kann gemäß Art. 406 Abs. 1 ZK-DVO der Status eines zugelassenen Empfängers bewilligt werden.

Gemäß Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO hat der Hauptverpflichtete seine Pflichten nach Artikel 96 Absatz 1 Buchstabe a) des ZK erfüllt und das gemeinschaftliche Versandverfahren ist beendet, sobald die Waren zusammen mit den Exemplaren Nrn. 4 und 5 der Versandanmeldung, die die Sendung begleitet haben, dem zugelassenen Empfänger innerhalb der vorgeschriebenen Frist unverändert in seinem Betrieb oder an dem in der Bewilligung näher bestimmten Ort übergeben und die zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen beachtet worden sind.

In der Bewilligung wird gemäß Art. 407 Abs. 1 ZK-DVO insbesondere Folgendes festgelegt:

a) die zuständige(n) Bestimmungsstelle(n) für die beim zugelassenen Empfänger eingehenden Waren;

b) die Frist sowie die sonstigen Einzelheiten der Anzeige des Eingangs der Waren durch den zugelassenen Empfänger bei der Bestimmungsstelle, damit diese gegebenenfalls bei deren Eintreffen eine Kontrolle vornehmen kann;

c) die ausgeschlossenen Warenarten oder -verkehre.

Die Zollbehörden legen gemäß Art. 407 Abs. 2 ZK-DVO in der Bewilligung fest, ob der zugelassene Empfänger über die eingegangenen Waren ohne Mitwirkung der Bestimmungsstelle verfügen kann.

Für die in seinem Betrieb oder an den in der Bewilligung näher bezeichneten Orten eingetroffenen Waren hat der zugelassene Empfänger gemäß Art. 408 Abs. 1 ZK-DVO

a) die Bestimmungsstelle nach den in der Bewilligung enthaltenen Vorschriften unverzüglich über etwaige Mehrmengen, Fehlmengen, Vertauschungen und sonstige Unregelmäßigkeiten, wie verletzte Verschlüsse, zu unterrichten;

b) der Bestimmungsstelle unverzüglich die Exemplare Nrn. 4 und 5 der Versandanmeldung, die die Ware begleitet haben, zuzusenden, sofern die Angaben nicht unter Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung mitgeteilt werden und das Ankunftsdatum sowie den Zustand gegebenenfalls angelegter Verschlüsse mitzuteilen.

Wendet die Bestimmungsstelle die Bestimmungen des Abschnittes 2 Unterabschnitt 7 an, so kann einer Person gemäß Art. 408a Abs. 1 ZK-DVO der Status eines zugelassenen Empfängers gewährt werden, wenn sie die Voraussetzungen des Artikels 373 erfüllt und außerdem für den Datenaustausch mit den Zollbehörden Informatikverfahren einsetzt.

Gemäß Art. 408a Abs. 2 ZK-DVO setzt der zugelassene Empfänger die Bestimmungsstelle vor dem Entladen von der Ankunft der Waren in Kenntnis.

Die am festgelegten Warenort angekommenen Waren unterlagen im Beschwerdefall gemäß Art. 37 ZK auch noch nach der Übernahme durch den zugelassenen Empfänger der zollamtlichen Überwachung. Die mitbeteiligte Partei hatte als zugelassener Empfänger zwar nicht die Verpflichtung zur Gestellung der im Versandverfahren an den festgelegten Warenort verbrachten Waren, aber auf Grund der Bestimmungen der ZK-DVO über die Bewilligung des Status des zugelassenen Empfängers die Verpflichtung zur Mitteilung des Eingangs der Waren durch Ankunftsanzeige. Erst danach - d.h. nach Verstreichen der bescheidmäßig festgesetzten Frist von 60 Minuten -

durfte der zugelassene Empfänger nicht nur die Waren entladen, sondern diese auch in ein anderes Zollverfahren überführen. Die Zollbehörde wird durch die Ankunftsanzeige von der Ankunft der Ware beim zugelassenen Empfänger in Kenntnis gesetzt und kann entscheiden, ob sie ihre Kontrollrechte konkret durch eine Kontrolle auch ausübt. Erfolgt keine Mitteilung über die Ankunft der Waren und werden diese - wie im Beschwerdefall - in Dosen abgefüllt und wieder ausgeführt, dann wird der Zollbehörde die Möglichkeit der Ausübung der Zollkontrolle genommen.

Der Begriff der Entziehung einer Ware aus der zollamtlichen Überwachung umfasst jede Handlung oder Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird. Es kommt nicht darauf an, ob die Zollbehörde tatsächlich eine solche Prüfung durchzuführen beabsichtigt und ob der Beteiligte die Ware der Zollbehörde zu einer solchen Prüfung zur Verfügung stellen könnte. Entscheidend ist allein, dass die Zollbehörde - wenn auch nur vorübergehend - objektiv nicht in der Lage ist, die zollamtliche Überwachung sicherzustellen (vgl. das Urteil des BFH vom , VII R 21/04).

Durch die Nichtmitteilung des Eingangs der Waren wurde die Zollbehörde an der Möglichkeit der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfung der unter zollamtlicher Überwachung stehenden Waren gehindert und diese wurden dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen. Damit entstand die Zollschuld nach Art. 203 ZK für die beschwerdeführende Partei.

Da die belangte Behörde dies verkannte und ein Entstehen der Zollschuld nach Art. 203 ZK verneinte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am