VwGH vom 06.07.2011, 2011/08/0066
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2011/08/0101 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.15-37/2009-35, betreffend Übertretung des ASVG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; Bundesminister für Finanzen; mitbeteiligte Partei: R S in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als der Berufung "hinsichtlich der Punkte 1.) bis 7.) sowie 9.) und 10.)" Folge gegeben wurde.
Der Antrag des beschwerdeführenden Finanzamtes auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirksverwaltungsbehörde legte dem Mitbeteiligten mit Straferkenntnis vom zur Last, er habe zu verantworten, dass er zumindest am (bzw. im August 2008) insgesamt elf namentlich genannte Personen bei einer Baustelle in W beschäftigt habe und diese nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung angemeldet habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 33 Abs. 1 ASVG verletzt, weshalb gemäß § 111 ASVG insgesamt elf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 730,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Mitbeteiligten "dem Grunde nach" ab, gab der Berufung hinsichtlich der Strafe aber Folge und verhängte hinsichtlich der im Bescheid zu den Zahlen 1 bis 7 sowie 9 und 10 genannten Personen eine Geldstrafe von EUR 2.180,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) sowie hinsichtlich der zu den Zahlen 8 und 11 genannten Personen zwei Geldstrafen zu je EUR 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag) und fasste den Spruch des Straferkenntnisses neu. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die im Spruch des Bescheides namentlich genannten Personen seien in den Betrieb des Mitbeteiligten organisatorisch eingegliedert gewesen; diese hätten die gleichen Arbeitszeiten einzuhalten gehabt wie die Arbeitnehmer des Mitbeteiligten, hätten von diesem ihre Arbeitsanweisungen erhalten und hätten in gemischten Partien mit Arbeitnehmern des Mitbeteiligten bzw. mit diesem selbst gearbeitet. Diese Personen hätten Malerarbeiten und Spachtelarbeiten erbracht, wobei es sich um kein selbständiges, abgegrenztes Werk gehandelt habe. Es würden die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit deutlich überwiegen. Aufgrund des Beschäftigungsausmaßes sei auch von einer vollversicherungspflichtigen Tätigkeit auszugehen.
Fraglich sei, ob bei einer Fallkonstellation wie der hier vorliegenden zu Recht elf Geldstrafen zu verhängen seien. Der Schutzzweck des § 111 ASVG bestehe offenkundig darin, dass die Dienstgeber die Sozialversicherungsträger bei der ordnungsgemäßen Erfassung und laufenden Aktualisierung der sozialversicherungsrechtlich relevanten Daten zu unterstützen hätten. Pönalisiert werde somit ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten der Dienstgeber. Dem betroffenen Arbeitnehmer entstehe hingegen aus der verspäteten Sozialversicherungsanmeldung kein Nachteil, da § 10 ASVG bestimme, dass die Pflichtversicherung der Dienstnehmer unabhängig von der Erstattung einer Anmeldung mit dem Tag des Beginns der Beschäftigung beginne. Auch aus der Rechtsprechung zum AuslBG oder zum AZG sei abzuleiten, dass insoweit jeweils nur ein Delikt vorliege. Diese Judikatur sei auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Da die zu den Zahlen 1 bis 7 sowie 9 und 10 genannten Arbeitnehmer am selben Tag ihren Dienst beim Mitbeteiligten angetreten hätten und auch im selben Ausmaß beschäftigt worden seien, hätte der Mitbeteiligte diese Personen im Rahmen eines einheitlichen Meldevorganges anmelden müssen. Diese Handlungen bildeten somit eine Einheit, welche auch nur mit einer Strafe sanktioniert werden könne. Im Hinblick auf die große Zahl der betroffenen Dienstnehmer sei insofern die Höchststrafe zu verhängen gewesen. Hinsichtlich der beiden übrigen (zu Zahlen 8 und 11 angeführten) Personen seien hingegen gesonderte Geldstrafen zu verhängen, da auf Grund der großen Zeitdifferenz nicht mehr von einem einheitlichen Meldevorgang gesprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben. Bekämpft wird der Bescheid insoweit, als mit diesem trotz elffacher Verwirklichung des Tatbestandes nur drei Tatbestandsverwirklichungen angenommen und deswegen nur drei Strafen verhängt worden seien.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0056, auf dessen Begründung (zu Punkt 4 des genannten Erkenntnisses) gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, wurde ausgesprochen, dass die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine gesondert zu verfolgende Verwaltungsübertretung des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG darstellt.
Der hier vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Insbesondere ist den Ausführungen der belangten Behörde, den betroffenen Arbeitnehmern entstehe aus einer verspäteten (bzw. unterbliebenen) Sozialversicherungsanmeldung kein Nachteil, entgegenzuhalten, dass in der Pensionsversicherung die Verletzung der Meldepflichten durch den Dienstgeber auch nach der Änderung des § 225 ASVG durch das 2. SRÄG 2009, BGBl. I Nr. 83/2009, welche gemäß § 644 Abs. 3 ASVG für Beitragszeiträume ab anzuwenden ist, leistungsrechtliche Konsequenzen für den Dienstnehmer haben kann oder diese leistungsrechtlichen Konsequenzen nur durch eine Nachentrichtung von Beiträgen durch den Dienstnehmer (also ebenfalls zum Nachteil des Dienstnehmers) vermieden werden können (vgl. RV 179 BlgNR 24. GP, 8 f; vgl. auch Sonntag in Sonntag, ASVG2, 2010, § 225 Rz 1 f).
In dem im angefochtenen Bescheid angeführten Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0053, war auf diese Frage nicht einzugehen, da in jenem Fall die Anmeldung rechtzeitig erfolgt war und somit keinerlei Ordnungswidrigkeit vorlag, sodass auch nicht zu prüfen war, ob es sich gegebenenfalls um eine oder mehrere Ordnungswidrigkeiten handeln würde.
Soweit in der Gegenschrift der belangten Behörde betont wird, es liege ein Dauerdelikt vor, weshalb nur eine Strafe zu verhängen sei, so könnte - unabhängig davon, ob es sich hier überhaupt um ein Dauerdelikt (also um die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes) handelt (vgl. dem gegenüber etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 22 VStG E 313) - daraus aber nicht abgeleitet werden, ob es sich um ein Dauerdelikt oder aber um mehrere Dauerdelikte (nämlich je ein Dauerdelikt hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers) handelt. Anders als in dem von der belangten Behörde hiezu zitierten Fall (hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/01/0301: Dort bestand das unter Strafandrohung geschuldete Verhalten eines Discotheken-Unternehmers darin, in seinem Betrieb entsprechend wirksame Eintrittskontrollen einzurichten und aufrecht zu erhalten) sind Dienstgeber nicht (bloß) dazu verpflichtet, eine bestimmte Organisation aufrecht zu erhalten, sie sind vielmehr dazu verpflichtet, "jede von ihnen beschäftigte … Person … vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden …" (§ 33 ASVG).
Der angefochtene Bescheid war demnach - im angefochtenen Umfang - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG findet in den Fällen (u.a.) des Art. 131 Abs. 2 B-VG für den Beschwerdeführer und die belangte Behörde kein Aufwandersatz statt, sodass der Antrag auf Aufwandersatz des beschwerdeführenden Finanzamtes abzuweisen war. Wien, am