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VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0065

VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0065

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der E O in Wien, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 8/4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2010-0566-9- 002944, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die bis in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis bei der Firma B gestanden ist, stellte am per einen Antrag auf Arbeitslosengeld; im Antragsformular bejahte sie die Fragen nach einer selbständigen Tätigkeit (wozu seitens des AMS der Vermerk "Bauernversicherung" hinzugefügt wurde) sowie nach einer vergangenen selbständigen Tätigkeit und gab an, die Gewerbeberechtigung "zurückgelegt bzw. ruhend gemeldet zu haben". Sie legte eine Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft über das Ende der GSVG-Kranken- und Pensionsversicherung mit sowie einen Ausdruck der Wirtschaftskammer Wien über die Nichtbetriebsmeldung mit vor, aus der ersichtlich ist, dass ihr freies Gewerbe, lautend auf "Verabreichung von Speisen und Ausschank von Getränken gemäß § 111 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 idF BGBl I Nr. 111/2002 im Zusammenhang mit der Ausübung eines Buschenschanks" ruht.

Mit Bescheid vom hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice H (in Folge: AMS) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld abgewiesen und diesen Bescheid damit begründet, dass die GSVG-Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin zwar mit geendet habe, sie jedoch den "Heurigen", aus dem diese Pflichtversicherung entstanden sei, als Buschenschank weitergeführt habe, sodass Arbeitslosigkeit nicht vorliege.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung sowie in ihrer Stellungnahme im Berufungsverfahren wendete die Beschwerdeführerin zusammengefasst ein, mit den Betrieb des Heurigen an einer näher bezeichneten Adresse aufgegeben zu haben, womit auch die GSVG-Versicherungspflicht geendet habe. Unmittelbar im Anschluss daran habe sie an derselben Adresse die Vermarktung des in ihrem eigenen Betrieb hergestellten Weins in Form eines Buschenschanks begonnen; eine Unterbrechung zwischen diesen Tätigkeiten habe nicht stattgefunden. Weiters brachte sie vor, dass ein Buschenschank nicht der Gewerbeordnung unterliege; er sei eine besondere Vermarktungsform für selbsterzeugten Wein im Rahmen des Weinbaubetriebs und zähle weder zu den Nebenbetrieben noch zu den Nebentätigkeiten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, sondern sei ein unmittelbarer Bestandteil des Hauptbetriebes; deshalb seien Einkünfte aus dem Buschenschank ausschließlich als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern. Es fehle der notwendige sachliche Zusammenhang, den Betrieb des Buschenschanks als Fortsetzung des Betriebs eines Heurigen anzusehen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

In ihrer Bescheidbegründung hielt die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen zur Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin zunächst fest, dass gemäß § 2 GewO 1994 der Buschenschank ausgenommen sei, jedoch nach § 111 leg. cit. die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken (nach Maßgabe des (gemeint wohl:) § 143 Z. 7 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002), wenn dies im Zusammenhang mit der Ausübung eines Buschenschanks erfolge, wiederum einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe bedürfe. Die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde weiter - habe ihre Tätigkeit des Betreibens eines Buschenschanks nicht beendet. Sie habe lediglich die Gewerbeberechtigung, auf Grund der sie zu einem größeren Angebot an Speisen und Getränken im Rahmen des Buschenschanks berechtigt gewesen sei, ruhend gemeldet, weshalb die Pflichtversicherung nach dem GSVG geendet habe. Der Umfang der angebotenen Speisen und Getränke habe sich möglicherweise geändert, eine Beendigung der Tätigkeit, nämlich Ausschank von Getränken und Verabreichung von Speisen, sei nach Ende der Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht ersichtlich, weshalb Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs. 1 AlVG nicht gegeben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch aus Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer unter anderem arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 hat (auszugweise) folgenden Wortlaut:

"(1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1und 2 gilt insbesondere nicht:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
wer in einem Dienstverhältnis steht;
b)
wer selbständig erwerbstätig ist;

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

b) wer einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt, wenn 3 vH des Einheitswertes die jeweils geltende Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 ASVG nicht übersteigen;

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;

…"

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 5 Gewerbeordnung 1994 ist der Betrieb eines Buschenschankes von der Gewerbeordnung ausgenommen. Nach § 2 Abs. 9 leg. cit. ist unter Buschenschank im Sinne dieses Bundesgesetzes der buschenschankmäßige Ausschank von Wein und Obstwein, von Trauben- und Obstmost und von Trauben- und Obstsaft sowie von selbstgebrannten geistigen Getränken durch Besitzer von Wein- und Obstgärten, soweit es sich um deren eigene Erzeugnisse handelt, zu verstehen; im Rahmen des Buschenschankes ist auch die Verabreichung von kalten Speisen und der Ausschank von Mineralwasser und kohlensäurehältigen Getränken zulässig, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Tätigkeiten dem Herkommen im betreffenden Bundesland in Buschenschänken entsprechen. Die Verabreichung von warmen Speisen auf Grund dieser Ausnahmebestimmung ist nicht zulässig.

Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 bedarf die Verabreichung von Speisen jeder Art und der Ausschank von Getränken einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 94 Z. 26). Keiner Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe bedarf es nach Abs. 2 Z. 5 dieser Bestimmung für:

"die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von Getränken nach Maßgabe des § 143 Z 7 der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002, wenn die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken im Zusammenhang mit der Ausübung des Buschenschankes (§ 2 Abs. 9) nach Maßgabe landesgesetzlicher Vorschriften erfolgt".

§ 143 Z. 7 GewO idF vor dem In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 lautet:

"die Verabreichung von gebratenen, gegrillten oder gesottenen Würsten, gebratenem oder gegrilltem Fleisch (ausgenommen Innereien) von Rindern und Schweinen, gegrilltem Geflügel und Fisch, Pommes frites, Fleisch und Wurstsalaten, Fleisch und Wurstmayonnaisesalaten, Brotaufstrichen, belegten Brötchen, üblichen kalten Beigaben, wie Essiggemüse, Mayonnaise, Senf, Kren, Brot und Gebäck, in einfacher Art, und von vorverpackt angeliefertem Speiseeis sowie der Ausschank von Milchmischgetränken, anderen nichtalkoholischen kalten Getränken und Flaschenbier, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuß von Speisen oder Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden. Die Beschränkung auf die Bereitstellung von nicht mehr als acht Verabreichungsplätzen gilt nicht, wenn die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken in dem in dieser Ziffer festgelegten Umfang im Zusammenhang mit der Ausübung des Buschenschankes (§ 2 Abs. 9) erfolgt".

2. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass es sich bei der Tätigkeit eines Buschenschankes um eine - im Gegensatz zu einem Heurigenbetrieb - "völlig andere", einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnende Tätigkeit handle. Entgegen der landesgesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Ausübung eines Buschenschankes sei die Beschwerdeführerin, solange sie den Heurigen betrieben habe, berechtigt gewesen, andere Speisen als solche aus "betriebseigener Fechsung" wie auch warme Speisen anzubieten, und sie sei auch nicht den für Buschenschanken geltenden Öffnungszeiten unterworfen gewesen. Die belangte Behörde hätte daher zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der Einstellung des Heurigenbetriebes und "Zurückgabe der Gewerbeberechtigung" gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ihre Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung beendet und keine weitere Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung ausgeübt habe.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin eine anwartschaftsbegründende arbeitslosenversicherungspflichtige unselbständige Beschäftigung beendet und mit ihr freies Gewerbe, lautend auf "Verabreichung von Speisen und Ausschank von Getränken gemäß § 111 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 111/2002 im Zusammenhang mit der Ausübung eines Buschenschanks" ruhend gemeldet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2009/08/0195, sowie vom heutigen Tag zur Zl. 2009/08/0155, mit der Frage der Auswirkungen der Neugestaltung des (gemäß § 79 Abs. 94 AlVG für ab geltend gemachte Ansprüche und somit auch für diesen Beschwerdefall anzuwendenden) § 12 AlVG auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass auch das Ausüben einer geringfügigen Erwerbstätigkeit in den Grenzen des § 12 Abs. 6 AlVG, wenn diese Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt, Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ausschließt. Zum Weiteren genügt es dazu auf die nähere Begründung dieser Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen.

Der hier angefochtene Bescheid enthält keine näheren Feststellungen zu den Tätigkeiten der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Betrieb des Buschenschanken und lässt damit keine Beurteilung zu, ob mit der - bereits vom genannten Gewerbeschein umfassten - (Weiter)Führung des Buschenschanken die der Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeit tatsächlich mit auch beendet wurde. Der Umstand, dass dieser Betrieb nach der Ruhendmeldung in denselben Räumlichkeiten geführt worden ist, schließt außerdem nicht aus, dass es sich dabei um eine selbständige Erwerbstätigkeit iSv § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG gehandelt haben könnte. Im Übrigen fehlen auch Feststellungen dazu, ob das Einkommen aus dem Buschenschanken die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe.

3. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die begehrte Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand findet darin keine Deckung.

Wien, am