VwGH vom 29.03.2007, 2006/16/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der O Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt und Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom , Zl. 00/37/3/103-2006/Mag.Rie/Pi, betreffend Getränkesteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Landeshauptstadt St. Pölten hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei stellte mit Schreiben vom den Antrag auf Rückzahlung der Getränkesteuer für das Jahr 1995 und in eventu den Antrag auf Rückzahlung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke.
Mit dem an die beschwerdeführende Partei ergangenen Bescheid vom setzte der Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten für die entgeltliche Lieferung von Getränken und Speiseeis für das Kalenderjahr 1995 die Getränkesteuer mit S 223.947,52 fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die beschwerdeführende Partei die Ansicht, die Vorschreibung der Getränkesteuer verstoße gegen Art. 33 der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie und in eventu gegen Art. 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie 92/12 EWG.
Mit Bescheid vom und dem weiteren Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung aus.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid erster Instanz "betreffend die Rückerstattung der Getränke und Speiseeissteuer für den Zeitraum von bis " gemäß § 213 Abs. 2 NÖ AO als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, die der Abgabenberechnung zu Grunde gelegten Bemessungsgrundlagen ergäben sich aus den eingereichten Abgabenerklärungen. Die Veräußerung von Getränken an Letztverbraucher erfolge im Beschwerdefall im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit. Es handle sich daher um "Restaurationsumsätze", auf welche die im Verfahren vorgebrachte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht zutreffe. Da somit die alkoholischen Getränke bei der Getränkesteuerbemessung einzubeziehen seien, habe auch kein rückzahlbares Guthaben entstehen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem aus Art. 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie fließenden Recht, für die entgeltliche Abgabe von alkoholischen Getränken keine Getränkesteuer entrichten zu müssen, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Bescheid erster Instanz hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten über die Festsetzung der Getränkesteuer für das Jahr 1995, nicht aber auch über den Antrag auf Rückerstattung der Getränke- und Speiseeissteuer abgesprochen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Berufung und dabei in Verkennung der Sache der Entscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz über die Rückerstattung der Getränke- und Speiseeissteuer für das Jahr 1995 entschieden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Spruch, sondern auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides.
Damit hat die belangte Behörde ohne vorangegangene Entscheidung der Behörde erster Instanz unzuständiger Weise über die Rückerstattung der Getränke- und Speiseeissteuer entschieden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/16/0002).
Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Unzuständigkeit der belangten Behörde auch dann wahrzunehmen, wenn dies von der Partei nicht geltend gemacht wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0066).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird auf die , und , Rs C-231/94, hingewiesen.
Nach dem zuletzt zitierten Urteil sind Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr bestehen, keine Lieferungen von Gegenständen im Sinne von Art. 5 der 6. Richtlinie 77/388, sondern Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie.
Wenn auch die Getränke in einem "spartanisch eingerichteten" Selbstbedienungsrestaurant zum sofortigen Verzehr abgegeben werden, erfolgt dies im Sinne des zitierten Urteils im Rahmen einer Dienstleistung und es liegen damit "Restaurationsumsätze" vor, auf die nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Getränkesteuer erhoben werden darf. Die Beschwerde zeigte keine Umstände für eine Beurteilung der Veräußerungen der Getränke im Selbstbedienungsrestaurant als "Lieferung" auf.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
Fundstelle(n):
WAAAE-86054