VwGH vom 12.09.2012, 2011/08/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der H H in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-440.020/0009-VI/1/2010, betreffend rückwirkende Berichtigung der Höhe des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice X (in der Folge: Landesgeschäftsstelle) hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Leistungsausschusses vom - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS - ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 20 iVm § 21 AlVG ab Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 29,72 (anstelle von EUR 16,97) täglich gebühre. Dies wurde damit begründet, dass laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0474) im Falle einer Antragstellung bis zum 30. Juni als Jahresbeitragsgrundlage des "zuletzt vorliegenden Kalenderjahres" nach der Wortbedeutung auch das der Antragstellung unmittelbar vorangegangene Jahr in Betracht komme. Im vorliegenden Fall sei daher auf Grund der am erfolgten Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Bemessung die Jahresbeitragsgrundlage 2008 (aus dem Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin bei der A-GmbH vom bis ) heranzuziehen gewesen und nicht - wie von der erstinstanzlichen Behörde - die (geringere) valorisierte Jahresbeitragsgrundlage 2004 (aus der davor zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Sommer 2004).
Mit Schreiben vom erteilte die belangte Behörde der Landesgeschäftsstelle die Weisung, (1.) diesen Bescheid nach § 24 Abs. 2 AlVG in Verbindung mit § 68 Abs. 6 AVG zu widerrufen, sofern Auszahlungen getätigt wurden, diese einzustellen und eine Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG mangels erkennbaren Rückforderungstatbestandes nicht vorzunehmen; (2.) dieser (neue) Bescheid der Landesgeschäftsstelle "lasse eine Berufung an (die belangte Behörde) zu (da in § 68 Abs. 6 AVG 'außerhalb des Berufungsverfahrens' normiert ist)".
Daraufhin hat die Landesgeschäftsstelle durch ihren Leistungsausschuss mit Bescheid vom die Bemessung des Arbeitslosengeldes der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 21 AlVG iVm § 68 Abs. 6 AVG "rückwirkend ab dahingehend berichtigt, dass (der Beschwerdeführerin) dieses in Höhe von EUR 16,97 täglich gebührt."
Begründend wurde nach Angabe der relevanten Gesetzesstellen im Wesentlichen ausgeführt, es sei - da die Beschwerdeführerin ihren Arbeitslosengeldanspruch am geltend gemacht habe - das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus der gespeicherten Jahresbeitragsgrundlage heranzuziehen gewesen. Da eine solche aus dem Jahr 2007 nicht vorliege, seien die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres - hier diejenige aus 2004 - heranzuziehen gewesen. Die grundsätzliche Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit eines sowohl formell wie auch materiell rechtskräftig gewordenen Bescheides würde durch § 68 Abs. 2 bis 4 AVG aber auch durch Verwaltungsvorschriften Ausnahmen erfahren. Bei der zur Anwendung kommenden Bestimmung des AlVG handle es sich um eine solche, die Rechtskraft durchbrechende Bestimmung; da die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft auf Grund der Heranziehung der Bemessungsgrundlage von 2008 vorgenommen worden sei, sei diese rückwirkend zu berichtigen gewesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid der Landesgeschäftsstelle vom rechtswidrig gewesen sei, weil darin der Änderung von § 21 AlVG durch BGBl. I Nr. 148/1998 nicht Rechnung getragen worden sei. Diese sei nämlich gerade auch im Lichte der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen, um Zufälligkeiten bei der Heranziehung von Jahresbeitragsgrundlagen auszuschließen. Durch die Änderung sollte - was aus den parlamentarischen Materialien hervorgehe - klargestellt werden, dass bei Nichtvorliegen der grundsätzlich maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen stets die letzte vorliegende Jahresbeitragsgrundlage eines davorliegenden Zeitraumes heranzuziehen ist. Die Schwere der Rechtswidrigkeit liege - so die belangte Behörde weiter - darin, dass der Bescheid gegen die offenkundige Absicht des Gesetzgebers verstoßen würde und damit Willkür vorläge. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, § 24 Abs. 2 AlVG ermögliche keine so weitreichende Durchbrechung jeglicher Rechtskraft, hielt die belangte Behörde entgegen, dass es vom allgemeinen Konzept der Unabänderlichkeit rechtskräftiger Bescheide die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG genannten Ausnahmen gäbe wie auch zusätzliche Ermächtigungen zur Rechtskraftdurchbrechung in Verwaltungsvorschriften, auf welche § 68 Abs. 6 AVG ganz allgemein verweise. Im Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechtes handle es sich bei den §§ 24, 25 AlVG um solche Ermächtigungen, welche den Widerruf und die Berichtigung des Arbeitslosengeldes nicht bloß ermöglichen, sondern erfordern würden. Nach neuer mit BGBl. I Nr. 82/2008 seit geänderter Rechtslage sei darüber hinaus selbst bei Fehlern der Behörde und auch wenn die Ungebührlichkeit der Leistung von Anfang an festgestanden sei, noch ein Eingriff in rechtskräftige Bescheide möglich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene, nach Ablehnung und Abtretung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 422/10-6, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
§ 21 Abs. 1 AlVG in der (für das oben zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0474 maßgeblichen) Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, lautet auszugsweise:
"(1) Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen keine Jahresbeitragsgrundlagen des letzten bzw. vorletzten Jahres vor, so sind jeweils die Jahresbeitragsgrundlagen des zuletzt vorliegenden Kalenderjahres heranzuziehen. ..."
§ 21 Abs. 1 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 90/2009 hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. …"
§§ 24, 25 und 57 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 lauten:
"§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs. 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.
(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Ist die fehlerhafte Zuerkennung oder Bemessung auf ein Versehen der Behörde zurückzuführen, so ist der Widerruf oder die Berichtigung nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr zulässig.
§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, daß die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.
(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar.
(3) Wenn eine dritte Person eine ihr nach diesem Bundesgesetz obliegende Anzeige vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch einen unberechtigten Bezug verursacht hat, kann sie zum Ersatz verpflichtet werden.
(4) Rückforderungen, die gemäß Abs. 1 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit der Maßgabe aufgerechnet werden, daß dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges freibleiben muß; sie vermindern den Anspruch auf die zu erbringenden Leistungen, auch wenn er gepfändet ist. Die regionalen Geschäftsstellen können anläßlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen.
(5) Werden Rückforderungen gestundet oder Raten bewilligt, so sind keine Stundungszinsen auszubedingen.
(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 oder eine Verfügung zur Nachzahlung ist für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.
(7) Abs. 4 gilt auch für Forderungen auf Ersatz unberechtigt bezogener Beihilfen gemäß des Arbeitsmarktservice.
§ 57. Bescheide der regionalen Geschäftsstellen und der Landesgeschäftsstellen, die zu diesem Bundesgesetz oder zu einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im Widerspruch stehen oder mit denen ein dem Sinne dieses Bundesgesetzes widersprechender Ermessensakt gesetzt wurde, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (§ 68 Abs. 4 Z 4 AVG)."
§ 68 AVG lautet:
"(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
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2. | einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde, |
3. | tatsächlich undurchführbar ist oder |
4. | an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. |
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."
§ 68 Abs. 6 AVG räumt keine Zuständigkeiten irgendwelcher Art ein, sondern stellt nur klar, dass § 68 AVG nicht anderen Bestimmungen derogiert, die eine Zurücknahme von Bescheiden außerhalb eines Berufungsverfahrens (insoweit also gleich dem § 68 AVG) in anderen Gesetzen (und allenfalls unter anderen Voraussetzungen als § 68 AVG) vorsehen (vgl. etwa die Hinweise bei Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren18, § 69 Anm 13).
Die Landesgeschäftsstelle hat ihren Bescheid auf § 24 Abs. 2 AlVG iVm § 68 Abs. 6 AVG gestützt (wie auch ihre Begründung zeigt, nach welcher § 24 Abs. 2 dem § 68 Abs. 2 bis 4 vorgehen soll). Damit hat sie allerdings weder im Sinne des § 68 AVG noch des § 69 leg. cit. den Berufungsbescheid abgeändert, sondern einen erstinstanzlichen Bescheid erlassen. Dazu war die Berufungsbehörde aber nicht zuständig, weshalb die belangte Behörde - ungeachtet ihrer zuvor ergangenen, nach dem Gesagten: rechtswidrigen Weisung - in Wahrnehmung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde deren Bescheid ersatzlos zu beheben gehabt hätte.
Indem die belangte Behörde dies unterlassen hat, hat sie den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455; das Mehrbegehren für den Schriftsatzaufwand samt USt findet darin kein Deckung.
Wien, am