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VwGH vom 13.08.2020, Ra 2020/01/0213

VwGH vom 13.08.2020, Ra 2020/01/0213

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Mag. Eder, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision der Burgenländischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , Zl. E GA1/02/2019.001/007, betreffend Gemeindeaufsicht nach der Bgld. GemO 2003 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde O, vertreten durch die Rechtsanwälte Steflitsch OG in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1In seiner Sitzung vom fasste der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde Oberschützen (Gemeinde) den Beschluss, „eine Fraktionsförderung in der Höhe von € 500,-- pro Gemeinderatsmandat auszubezahlen“.

2Dieser Beschluss wurde (laut Verhandlungsschrift über die Gemeinderatssitzung) damit begründet, „dass es schon seit vielen Jahren eine Vereinsförderung gibt und die Vereine der Großgemeinde jährlich finanzielle Unterstützung erhalten. Jeder Funktionär, sei es in den Vereinen oder im Gemeinderat, hat auch eine Verantwortung zu tragen und investiert einen großen Teil seiner Freizeit für das Wohl der Gemeinde. Es wird immer schwieriger Funktionäre für Vereine und die Gemeinde zu finden, ... deshalb sei es absolut gerechtfertigt, Verantwortung und Leistung auch finanziell zu unterstützen.“

3Mit aufsichtsbehördlichem Bescheid der revisionswerbenden burgenländischen Landesregierung (Landesregierung) vom wurde dieser Beschluss gemäß § 90 Abs. 2 der Burgenländischen Gemeindeordnung 2003 (Bgld. GemO 2003) wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.

4Die Aufhebung wurde damit begründet, dass es sich um die Auszahlung zusätzlicher Bezüge an Mitglieder des Gemeinderates handle, für die es im Burgenländischen Gemeindebezügegesetz keine gesetzliche Grundlage gebe. Im Übrigen wurde auf die Befangenheitsvorschrift des § 49 Abs. 1 Bgld. GemO 2003 verwiesen, wonach Mitglieder des Gemeinderates von der Beratung und der Beschlussfassung über einen Verhandlungsgegenstand in Sachen, an denen sie selbst beteiligt seien, wegen Befangenheit ausgeschlossen seien; ein Fall, der nach Auffassung der Landesregierung hier vorliege.

5Gegen diesen Bescheid erhob die Gemeinde Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht).

Angefochtenes Erkenntnis

6Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der Gemeinde stattgegeben und der Bescheid der Landesregierung ersatzlos behoben (I.). Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (II.).

7In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Gemeinde komme nach Art. 119a Abs. 9 B-VG und § 94 Bgld. GemO 1993 Parteistellung in diesem aufsichtsbehördlichen Verfahren zu. Die Beschwerde erweise sich daher als zulässig. Sie sei auch berechtigt.

8Nach § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 seien - sofern die Gesetze (wie hier) nichts anderes bestimmten - grundsätzlich die Bezirkshauptmannschaften als Aufsichtsbehörde vorgesehen. Der Landesregierung solle - bezogen auf den vorliegenden Fall - die Aufsicht in Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück) zukommen.

9Nach Auffassung der Landesregierung sei ihr Einschreiten im vorliegenden Fall durch die Vorschriften über die Gebarungsprüfung im 4. Hauptstück der Bgld. GemO 2003 gerechtfertigt.

10Die von der Gemeinde vorliegend beschlossene „Fraktionsförderung“ falle inhaltlich unter die Gebarungsprüfung durch die Landesregierung, weil von der Gemeinde Ausgaben getätigt werden sollten und die Gebarungsprüfung im 4. Hauptstück geregelt sei. Jedoch seien Prüfungskriterien bei der Gebarungskontrolle nach Art. 119a Abs. 2 B-VG und § 79 Abs. 1 Bgld. GemO 2003 alleine die Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Gebarung der Gemeinde. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Gebarung in Form einer Rechtmäßigkeitskontrolle sei dabei nicht mitumfasst. Auch stehe den Prüfungsorganen im Rahmen ihrer Gebarungskontrolle nicht eine Aufhebung von rechtswidrigen Gebarungsakten zu. Dies sei alles Aufgabe der Rechtskontrolle, die als selbständiges Verfahrennach § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 in die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaften falle. Die beiden Verfahren könnten zwar ineinandergreifen, seien aber von unterschiedlichen Behörden zu führen.

11Die Gebarungskontrolle der Aufsichtsbehörde habe nicht das „ob“, sondern nur das „wie“ einer gemeindlichen Maßnahme im Sinne eines Sachverständigengutachtens darüber zu beurteilen, inwieweit die Gebarungsmaßnahmen mit den vorgegebenen Prüfungszielen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit übereinstimmten.

12Eine Prüfung des „ob“ käme im Burgenland außerhalb der Gebarungskontrolle etwa innerhalb der verfassungsrechtlich gesetzten engen Grenzen der Genehmigungsvorbehalte gemäß Art. 119a Abs. 8 B-VG (§ 87 Bgld. GemO 2003) in Betracht. Die vorliegend gewährte „Fraktionsförderung“ sei auch kein Förderungsdarlehen im Sinne des § 87 Abs. 2 Z 5 Bgld. GemO 2003 oder ein sonstiges in Abs. 2 dieser Bestimmung genanntes Geschäft. Daher falle sie nicht unter diese restriktiv handzuhabenden Aufzählungen von Geschäften von besonderer finanzieller bzw. überörtlicher Bedeutung im Sinne des § 87 Bgld. GemO 2003. Auch handle es sich beim gegenständlichen Aufsichtsverfahren nicht um eine Prüfung des Beschlusses des Gemeinderates über den „Voranschlag“ des Haushaltsjahres 2019 nach § 90 Abs. 2 Bgld. GemO 2003, da dieser bereits in einem anderen Verfahren von der Landesregierung geprüft worden sei.

13Da die Landesregierung somit ihren Prüfungsgegenstand im Rahmen der Gebarungskontrolle verkannt und über ihre Zuständigkeitsgrenzen ausgedehnt habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

14Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, die „dazu vorliegende“ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei einheitlich. Die Rechtslage sei angesichts der hier aufgezeigten verfassungskonformen Auslegung des § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 anhand des Art. 119a B-VG ausreichend klargestellt.

15Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Landesregierung mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Aufwandersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

17Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, in der vorliegenden Rechtssache gehe es um die Klärung der Rechtsfrage, ob für die gemeindeaufsichtsbehördliche Kontrolle der Vergabe von „Förderungen (Subventionen)“ durch Gemeindeorgane gemäß § 86 Abs. 3 (iVm § 90) Bgld. GemO 2003 die Landesregierung oder die Bezirkshauptmannschaft zuständig sei. Zu dieser Frage gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

18Von der Klärung dieser Frage hänge nicht nur das Schicksal der vorliegenden Revision ab, es komme ihr auch eine weit über den vorliegenden Revisionsfall hinausgehende Bedeutung zu, gehe es doch um die Frage der rechtmäßigen Wahrnehmung im Burgenland in zahllosen vergleichbaren Fällen, in denen Gemeindeorgane über Gemeindevermögen disponierten.

19Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrmals mit § 86 Abs. 3 iVm § 91 Bgld. GemO 2003 beschäftigt und dabei die aufsichtsbehördliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden (zum Teil implizit) bejaht (vgl. , , 0051, , 2012/06/0018). Zu der vorliegenden Rechtsfrage, ob für die gemeindeaufsichtsbehördliche Kontrolle der Vergabe von Förderungen, Subventionen und dergleichen durch Gemeindeorgane gemäß § 86 Abs. 3 (iVm § 90) Bgld. GemO 2003 die Landesregierung oder die Bezirkshauptmannschaft zuständig sei, besteht dagegen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

20Die Revision ist somit zulässig.

Vorbringen

21Die Amtsrevision bringt in ihren Revisionsgründen vor, der Landesregierung komme (u.a.) die Aufsicht über die Gemeinden in „Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung“ im Sinne des 4. Hauptstückes der Bgld. GemO 2003 zu. Bei der - im Revisionsfall vorliegenden - Überprüfung der Vergabe von „Förderungen bzw. Subventionen“ aus Gemeindemitteln handle es sich um eine derartige Angelegenheit.

22§ 62 Bgld. GemO 2003 enthalte im Rahmen des 4. Hauptstückes nähere Regelungen über das Gemeindevermögen. Von besonderer Bedeutung sei Abs. 2 dieser Bestimmung, wonach das Gemeindevermögen pfleglich und entsprechend seiner Zweckbestimmung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu verwalten sei. „Förderungen, Subventionen, etc.“ durch Organe der Gemeinde stellten vermögenswerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln dar. Damit bestehe die Vergabe von Förderungen und Subventionen immer in der unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Disposition über Gemeindevermögen im Sinne des § 62 Bgld. GemO 2003. Somit handle es sich ohne Zweifel um eine Angelegenheit der „Gemeindewirtschaft“ im Sinne des 4. Hauptstücks der Bgld. GemO 2003. Dem Gesetz sei nicht der geringste Anhaltspunkt zu entnehmen, dass der Landesregierung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in diesem Bereich das Aufsichtsmittel der Beschlussprüfung und -aufhebung nach § 90 Bgld. GemO 2003 nicht zur Verfügung stünde. Somit sei nach dem Wortlaut des Gesetzes die aufsichtsbehördliche Zuständigkeit der Landesregierung des § 86 Abs. 3 iVm § 62 Bgld. GemO 2003 gegeben.

23Teleologisch sei zusätzlich darauf hinzuweisen, dass die in § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 geregelte Aufgabenverteilung zwischen Landesregierung und Bezirkshauptmannschaft von der Intention des Gesetzgebers getragen sei, die Aufsicht über jene Angelegenheiten, die für die wirtschaftliche und organisatorische Funktionsfähigkeit der Gemeinde von essentieller Bedeutung seien, der Landesregierung (als oberste Behörde im Landesvollzugsbereich) vorzubehalten. Davon ausgehend seien die in dieser Bestimmung genannten Kompetenztatbestände der Landesregierung tendenziell weit zu interpretieren.

24In diesem Sinne sei auch in Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft (und Haushaltsführung) ein einheitlicher Gesetzesvollzug unabdingbar; im Besonderen zur Vermeidung finanzieller „Schieflagen“ der Gemeinden. Gerade im Bereich der Kontrolle der Verwendung von Gemeindemitteln und -vermögen sei die Konzentration aufsichtsbehördlicher Befugnisse bei der Landesregierung geboten, die durch den Fachexpertenstab im Amt der Landesregierung - im Gegensatz zu den einzelnen Bezirkshauptmannschaften - auch über die erforderliche wirtschaftliche bzw. finanztechnische Expertise verfüge. Dies spreche dafür, die Vergabe von Förderungen (die im Regelfall selbstverständlich weit höhere Beträge als im Revisionsfall umfassten) der umfassenden aufsichtsbehördlichen Kontrolle durch die Landesregierung zu unterstellen.

25Nach der Intention des § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 fielen in die aufsichtsbehördliche Kompetenz der Bezirkshauptmannschaften demgegenüber in ihren potenziellen wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen deutlich weniger bedeutsame Angelegenheiten, wie z.B. die Überprüfung der bloßen Einhaltung von Geschäftsführungs- bzw. Geschäftsordnungsbestimmungen in konkreten Einzelfällen.

26In systematischer Auslegung sei darauf hinzuweisen, dass die Landesregierung im Zuge einer Gebarungsprüfung nicht bloß auf die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit beschränkt sei. Sie könne auch Gesetzwidrigkeiten im Rahmen der überprüften Maßnahmen aufgreifen und zum Anlass für ein gesondertes aufsichtsbehördliches Verfahren nehmen. Die diesbezüglichen Instrumente der Gemeindeaufsicht gingen fließend ineinander über.

27Vor dem Hintergrund der systematischen Zusammenhänge stünde die Zuständigkeit der Landesregierung im Revisionsfall außer Zweifel. Jegliche Disposition über Gemeindevermögen im Sinne des § 61 Bgld. GemO 2003, sohin auch die Vergabe von Förderungen, stelle einen Akt der Gebarung dar. Aus der Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde zur Gebarungsprüfung (in Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit) erfließe auch die Kompetenz, von ihr wahrgenommene Rechtswidrigkeiten bei der rechtsgeschäftlichen Verfügung über Gemeindemittel (z.B. bei der Vergabe von Förderungen) aufzugreifen und zum Anlass für ein Vorgehen nach § 90 Abs. 2 Bgld. GemO 2003 wahrzunehmen.

28Im Falle der Aufsplitterung einzelner dieser Kompetenzen im weiten Feld der Gebarungs- und Wirtschaftsaufsicht zwischen der Landesregierung und den Bezirkshauptmannschaften wären parallele Prüfzuständigkeiten (mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall) die Folge. Damit wäre eine effiziente Aufsicht in diesen Belangen aus der Sicht des Landes in der Praxis nicht möglich bzw. zumindest stark beeinträchtigt und aus Sicht der Gemeinden - nicht zuletzt auch unter dem Blickwinkel des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) - nicht zumutbar.

29Das Verwaltungsgericht verkenne diese Systemzusammenhänge. Soweit das Verwaltungsgericht auf § 87 Abs. 2 Bgld. GemO 2003 verweise, komme das dort geregelte Aufsichtsmittel des Genehmigungsvorbehalts im Revisionsfall nicht zur Anwendung. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes hätte zur Folge, dass die aufsichtsbehördliche Kompetenzlage in vielen Fällen völlig unklar wäre. Solcherart unterstelle das Verwaltungsgericht der Bestimmung des § 86 Abs. 3 (iVm § 90) Bgld. GemO 2003 im Lichte des Gebots der klaren Regelung von Behördenzuständigkeiten (Art. 18 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG) auch einen bundesverfassungswidrigen Inhalt.

30Die mitbeteiligte Gemeinde bringt in ihrer Revisionsbeantwortung dagegen vor, bei dem vorliegenden Beschluss des Gemeinderates habe es sich um keine Vergabe von Förderungen (Subventionen) gehandelt. Die bloße Festsetzung von „Förderrichtlinien“ durch den Gemeinderat stelle für sich genommen keinen Akt dar, mit dem eine Verfügung über Gemeindevermögen getroffen werde. Durch § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 sei die grundsätzliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft als Aufsichtsbehörde angeordnet. Von diesem Grundsatz würden lediglich einzelne Ausnahmen gemacht und die Zuständigkeit der Landesregierung angeordnet. Eine solche Ausnahme sei die Kontrolle der wirtschaftlichen Gebarung einer Gemeinde, nach welcher der Landesregierung nur die aufsichtsbehördliche Gebarungskontrolle mit den Instrumentarien der Überprüfung und Ergebnisübermittlung an den Gemeinderat, die im 4. Hauptstück vorgesehen seien, zugewiesen sei. Die Gebarungskontrolle nach dem 4. Hauptstück umfasse jedoch keine Gesetzmäßigkeitsprüfung nach § 90 Bgld. GemO 2003. Mit dem auf § 90 Bgld. GemO 2003 gestützten aufsichtsbehördlichen Bescheid habe die Landesregierung somit ihre Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen.

Rechtslage

31Art. 119a Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 51/2012, lautet auszugsweise:

Artikel 119a. (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.

(2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.

(3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben.

(4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.

...

(8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.

(9) Die Gemeinde ist Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens und hat das Recht, Beschwerde beim Verwaltungsgericht (Art. 130 bis 132) zu erheben. Sie ist Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und hat das Recht, Revision beim Verwaltungsgerichtshof (Art. 133) und Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 144) zu erheben.“

32Das Landesverfassungsgesetz, mit dem für die burgenländischen Gemeinden mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut eine Gemeindeordnung erlassen wird (Burgenländische Gemeindeordnung 2003 - Bgld. GemO 2003), LGBl. Nr. 55/2003 idF LGBl. Nr. 72/2019, lautet auszugsweise:

4. Hauptstück

Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung

1. Abschnitt

Gemeindewirtschaft

§ 60a

Grundsätze der Haushaltsführung

(1) Die Gemeinden haben bei ihrer Haushaltsführung die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu beachten sowie die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben.

(2) Die Veranschlagung und Rechnungslegung erfolgt mittels eines integrierten Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögenshaushalts gemäß Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 - VRV 2015, BGBl. II Nr. 313/2015, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. II Nr. 17/2018.

(3) Die Gemeinden haben den Voranschlag und den Rechnungsabschluss barrierefrei und ohne Angabe von schützenswerten personenbezogenen Informationen im Internet zur Verfügung zu stellen.

...

§ 62

Gemeindevermögen

(1) Alles Gemeindeeigentum, das nicht öffentliches Gut oder Gemeindegut ist, bildet das Gemeindevermögen.

(2) Das Gemeindevermögen ist pfleglich und entsprechend seiner Zweckbestimmung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu verwalten, wobei beim ertragsfähigen Vermögen der größte dauernde Nutzen gezogen werden soll. Für Vermögensgegenstände, die einer Abnützung oder Wertminderung unterliegen oder aus diesen oder anderen Ursachen ersetzt oder wegen wachsenden Bedarfs erweitert werden müssen, sollen die Mittel zur Instandhaltung, zur Ersatzbeschaffung oder zur Erweiterung aus Mitteln des Voranschlags angesammelt werden (Instandhaltungs-, Erneuerungs- und Erweiterungsrücklagen).

...

2. Abschnitt

Haushaltsführung

...

§ 66a

Mittelfristiger Finanzplan

(1) Für einen Zeitraum von fünf aufeinanderfolgenden Jahren ist ein mittelfristiger Finanzplan in Form einer Ergebnis- und Finanzierungsplanung für den Ergebnishaushalt und den Finanzierungshaushalt sowie für den Nachweis der Investitionstätigkeit zu erstellen.

(2) Bei der Erstellung des Voranschlags ist auf den mittelfristigen Finanzplan Bedacht zu nehmen. ...

...

§ 67

Voranschlag

(1) Der Gemeindehaushalt ist nach dem Voranschlag zu führen. Dieser ist für jedes Haushaltsjahr so rechtzeitig zu erstellen und zu beschließen, dass er mit Beginn des Haushaltsjahres in Wirksamkeit treten kann.

...

§ 75

Erstellung des Rechnungsabschlusses

(1) Nach Ablauf des Haushaltsjahres hat der Bürgermeister den Rechnungsabschluss zu erstellen.

...

3. Abschnitt

Kassen-, Rechnungs- und Prüfungswesen

...

§ 79

Gebarungsprüfung der Aufsichtsbehörde

(1) Die Aufsichtsbehörde hat das Recht, die Gebarung der Gemeinde (des Gemeindeverbands), einschließlich

1.der wirtschaftlichen Unternehmungen gemäß § 63 Abs. 1,

2.der Beteiligungen an Unternehmungen gemäß § 63 Abs. 2, die unter beherrschendem Einfluss der Gemeinde stehen, und

3.der in der Verwaltung der Gemeinde stehenden selbständigen Fonds und Stiftungen

auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen.

(2) Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Prüfbericht ist dem Gemeinderat unter einem eigenen Tagesordnungspunkt zur Kenntnis zu bringen. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.

...

6. Hauptstück

Staatliche Aufsicht und Schutz

der Selbstverwaltung

1. Abschnitt

Staatliche Aufsicht

§ 86

Aufsichtsbehörden und Handhabung

des Aufsichtsrechts

(1) Das Land übt das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereichs aus dem Bereich der Landesvollziehung die Gesetze und Verordnungen des Bundes oder Landes nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. Das Gleiche gilt auch bezüglich der gemäß § 20 gebildeten Gemeindeverbände.

...

(3) Aufsichtsbehörde ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Bezirkshauptmannschaft, soweit es sich jedoch um die Aufsicht über Gemeindeverbände (§ 20), um Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück) sowie um die Bestellung der Gemeindeorgane und die Funktionsfähigkeit derselben handelt, die Landesregierung.

...

(5) In den Angelegenheiten, in denen die Landesregierung Aufsichtsbehörde ist, kann diese, ausgenommen den Fall des § 93, die Bezirkshauptmannschaft durch Verordnung allgemein zur Ausübung des Aufsichtsrechts ermächtigen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

...

§ 87

Genehmigungsvorbehalte

(1) Inwieweit außer den in diesem Verfassungsgesetz genannten Fällen Gemeinderatsbeschlüsse der Genehmigung der Aufsichtsbehörde unterliegen, wird in den einschlägigen Gesetzen bestimmt.

(2) Der Genehmigung der Landesregierung bedürfen jedoch alle Rechtsgeschäfte der Gemeinde über

...

(3) Die Genehmigung darf in den Fällen des Abs. 2 nur versagt werden, wenn durch das beabsichtigte Rechtsgeschäft gesetzliche Vorschriften verletzt, die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts verhindert oder die ordnungsgemäße Erfüllung der der Gemeinde gesetzmäßig obliegenden Aufgaben oder ihrer privatrechtlichen Verpflichtungen gefährdet würden oder wenn das beabsichtigte Rechtsgeschäft für die Gemeinde mit einem finanziellen Nachteil oder Risiko verbunden ist.

(4) Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte der Gemeinden, die nach Gesetz oder Vereinbarung in Schriftform abgeschlossen werden, werden dritten Personen gegenüber erst durch die Beurkundung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung auf dem Schriftstück rechtswirksam. Alle anderen genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte der Gemeinden werden Dritten gegenüber mit der schriftlich erteilten Genehmigung dieses Rechtsgeschäfts durch die Landesregierung rechtswirksam.

...

§ 90

Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Beschlüssen

(1) Die Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit von Beschlüssen steht unbeschadet der für Verordnungen und Bescheide geltenden Bestimmungen der Aufsichtsbehörde zu.

(2) Beschlüsse, die Gesetze und Verordnungen verletzen, können von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden. Die Organe der Gemeinde sind verpflichtet den der Rechtsanschauung der Aufsichtsbehörde entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

...

§ 91

Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden

(1) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs ergangene rechtskräftige Bescheide können von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen in Handhabung des Aufsichtsrechts nur aufgehoben werden, wenn ...“

Aufsichtsbehörde nach § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003

33Die vorliegende Rechtssache betrifft die Auslegung des § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003, welcher die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden regelt.

34Nach dieser Bestimmung ist - abgesehen von den in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen - die Bezirkshauptmannschaft Aufsichtsbehörde (vgl. bereits , 2012/06/0018).

35In der Revisionssache ist allein die Ausnahme der „Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)“ relevant.

36Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass von dieser Ausnahme alleine die in § 79 Bgld. GemO 2003 geregelte Gebarungsprüfung umfasst ist. Diese Gebarungsprüfung sei auf die Überprüfung der Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beschränkt.

37Die Landesregierung ist dagegen der Auffassung, dass sie im Zuge einer Gebarungsprüfung nicht bloß auf die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit beschränkt sei. Sie könne auch Gesetzwidrigkeiten im Rahmen der überprüften Maßnahmen aufgreifen, wobei ihr das Aufsichtsmittel der Beschlussprüfung bzw. -aufhebung nach § 90 Bgld. GemO 2003 zur Verfügung stünde.

Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)

38Wie angeführt, weist § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 der Landesregierung als Aufsichtsbehörde bestimmte Angelegenheiten zu. Als Ausnahme von der Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft und in die Zuständigkeit der Landesregierung fallend (vgl. in diesem Sinn auch Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 486, Rz. 10 zu § 86 Abs. 3) nennt diese Bestimmung „die Aufsicht über Gemeindeverbände (§ 20)“, „die Bestellung der Gemeindeorgane und die Funktionsfähigkeit derselben“ und die vorliegend relevanten „Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)“.

39Der zuletzt genannte Zuständigkeitstatbestand spricht dem Wortlaut nach nicht alleine von der „Gebarungsprüfung der Aufsichtsbehörde“ nach § 79 Bgld. GemO 2003, sondern allgemein von den „Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)“. Somit erfasst der Wortlaut dieser Bestimmung die Aufsicht über alle Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung wie sie (im verwiesenen) 4. Hauptstück der Bgld. GemO 2003 geregelt sind.

40Das 4. Hauptstück der Bgld. GemO 2003 erfasst - wie schon sein Titel besagt -die Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung der Gemeinden. In diesem Hauptstück werden im Rahmen der Gemeindewirtschaft (1. Abschnitt) die Grundsätze festgelegt, welche die Gemeinden bei ihrer Haushaltsführung zu beachten haben (§ 60a). Weiter wird die Verwaltung des Gemeindeeigentums (§ 61) und des Gemeindevermögens (§ 62) geregelt. In diesem Zusammenhang bringt die Amtsrevision zutreffend vor, dass die Gemeinden verpflichtet sind, das Gemeindevermögen pfleglich und entsprechend seiner Zweckbestimmung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu verwalten (§ 62 Abs. 2).Darüber hinaus regelt das 4. Hauptstück (in seinem 2. Abschnitt) die Haushaltsführung der Gemeinde und trifft Regelungen für die Erstellung eines mittelfristigen Finanzplanes (§ 66a), des Voranschlags (§ 67) und die Erstellung des Rechnungsabschlusses (§ 75). Im 3. Abschnitt wird das Kassen-, Rechnungs- und Prüfungswesen der Gemeinden geregelt und in diesem Rahmen das Recht der Aufsichtsbehörde vorgesehen, die Gebarung (u.a.) der Gemeinden auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen (§ 79).

41Diese im 4. Hauptstück der Bgld. GemO 2003 geregelten Angelegenheiten machen deutlich, dass die Ausnahme bzw. der Zuständigkeitstatbestand „Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)“ in § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 nicht alleine die (in § 79 geregelte) Gebarungsprüfung erfasst. Vielmehr wird die Aufsicht über alle im 4. Hauptstück genannten Handlungsformen der Gemeinden im Bereich der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung der Landesregierung als Aufsichtsbehörde zugewiesen.

42Die im 4. Hauptstück der Bgld. GemO 2003 geregelten Angelegenheiten betreffen - wie bereits die Anführung dieses Begriffes in § 79 leg. cit. zeigt - die Gebarung der Gemeinden.

43Die Gebarung ist ein über das bloße Hantieren mit finanziellen Mitteln (Tätigen von Ausgaben und Einnahmen, Verwalten von Vermögensbeständen) hinausgehendes Verhalten, nämlich jedes Verhalten, das finanzielle Auswirkungen (Auswirkungen auf Ausgaben, Einnahmen und Vermögensbestände) hat (vgl. KR 1/2014-19, VfSlg. 19.910, Rn. 58; vgl. auch Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 437, Rz. 1 zu § 78, und Hengstschläger, Gebarungskontrolle, 54, Rz. 153 in: Pabel [Hrsg.], Das österreichische Gemeinderecht [2015]).

44Die in § 79 Bgld. GemO 2003 geregelte Gebarungsprüfung stützt sich auf Art. 119a Abs. 2 B-VG (vgl. Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 451, Rz. 1 zu § 79). Die Bgld. GemO 2003 sieht darüber hinaus auch eine Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 119a Abs. 1 B-VG vor (§ 90 bzw. § 91).

45Aufgrund des weiten Begriffsverständnisses der Gemeindegebarung (nach Art. 119a Abs. 2 B-VG) ist es durchaus denkbar, dass es zu Überschneidungen der Gebarungskontrolle mit der Rechtsaufsicht in ein und derselben Angelegenheit kommt (vgl. Hengstschläger, Gebarungskontrolle, 54, Rz. 154 in: Pabel [Hrsg.], Das österreichische Gemeinderecht [2015]).

46In diesem Sinne bringt die Amtsrevision zutreffend vor, dass die Instrumente der Gemeindeaufsicht der Bgld. GemO 2003 im Bereich der Gebarungskontrolle fließend ineinander übergehen.

47So ist zwar der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Gebarung (Übereinstimmung mit den Gesetzen und sonstigen Vorschriften) in § 79 Bgld. GemO 2003 nicht ausdrücklich angeführt. Falls bei der Aufsichtsbehörde Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der überprüften Maßnahmen entstehen, kann dies zum Anlass für ein gesondertes aufsichtsbehördliches Verfahren genommen werden. In der Praxis gehen so die einzelnen Instrumente der Gemeindeaufsicht fließend ineinander über (vgl. Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 453, Rz. 4 zu § 79).

48Diese Systemzusammenhänge zeigen sich auch in der in Art. 126a B-VG vorgezeichneten umfassenden Gebarungskontrolle des Rechnungshofes:

49Die in Art. 126a Abs. 5 B-VG normierten Prüfungsmaßstäbe tragen dem Rechnungshof eine umfassende Prüfung auf (vgl. Mayer/Muzak, B-VG5 [2015], 432, IV.1. zu Art. 126b) und umfassen die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, und ferner die Überprüfung auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit.

50Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat keinen Zweifel, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Vergabeverfahrens zur (zulässigen) Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof zählt, weil die Entscheidung, welchem Bieter in einem Vergabeverfahren der Zuschlag erteilt wird, jedenfalls finanzielle Auswirkungen auf den Bund haben kann (vgl. KR 1/2014-19, VfSlg. 19.910, Rn. 61).

51Ein gesondertes aufsichtsbehördliches Verfahren hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der (im Rahmen der Gebarungskontrolle) überprüften Maßnahmen ist die Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Beschlüssen gemäß § 90 Bgld. GemO 2003.

52Die in § 90 Bgld. GemO 2003 geregelte aufsichtsbehördliche Prüfung der im eigenen Wirkungsbereich von der Gemeinde gefassten Beschlüsse dient - neben den Möglichkeiten der Bescheid- und Verordnungsprüfung - der Gewährleistung der umfassenden Kontrolle der Gemeindeverwaltung, deren Maßstab die Gesetzmäßigkeit ist (vgl. Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 519, Rz. 1 zu § 90).

53Gemäß § 90 Bgld. GemO 2003 ist die Aufsichtsbehörde befugt, die im 4. Hauptstück angeführten Beschlüsse der Gemeinden, nämlich den Voranschlag (§ 67 Bgld. GemO 2003), den mittelfristigen Finanzplan (§ 66a Bgld. GemO 2003) und den Rechnungsabschluss (§ 75 Bgld. GemO 2003) auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen (vgl. Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 520, Rz. 1 zu § 90).

54Diese solcherart geprüften Beschlüsse sind Angelegenheiten des 4. Hauptstückes und daher von der Ausnahme bzw. dem Zuständigkeitstatbestand der Landesregierung nach § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 („Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)“ erfasst.

55Hauptanwendungsbereich des § 90 sind die auf dem Gebiet der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinden gefassten Beschlüsse (vgl. Fasching/Weikovics, Bgld. GemO 20032 [2018], 520, Rz. 1 zu § 90).

56Die Amtsrevision bringt in diesem Zusammenhang zutreffend vor, die Vergabe von Förderungen, Subventionen und dergleichen durch Organe der Gemeinde stellten vermögenswerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln dar. Sie bestehe immer in der rechtlichen und wirtschaftlichen Disposition über Gemeindevermögen im Sinne des § 62 Bgld. GemO 2003. Somit handle es sich dabei um eine Angelegenheit der „Gemeindewirtschaft“ im Sinne des 4. Hauptstücks derBgld. GemO 2003.

57Zudem fällt die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer derartigen Vergabe von Förderungen, Subventionen und dergleichen in den im B-VG vorgezeichneten Begriff der Gebarungskontrolle, weil die Entscheidung, wem eine Förderung, Subvention oder dergleichen zukommen wird, jedenfalls finanzielle Auswirkungen haben kann (vgl. idS zum Vergabeverfahren KR 1/2014-19, VfSlg. 19.910, Rn. 61).

58Da die im 4. Hauptstück der Bgld. GemO 2003 geregelten Angelegenheiten - wie oben ausgeführt - die Gebarung der Gemeinden betreffen, erfüllt daher jedwede aufsichtsbehördliche Prüfung der Gebarung der Gemeinden - sei es im Rahmen der Gebarungskontrolle nach § 79 leg. cit. oder im Rahmen der Gesetzmäßigkeitskontrolle nach § 90 leg. cit. - die Ausnahme bzw. den Zuständigkeitstatbestand der Landesregierung nach § 86 Abs. 3 Bgld. GemO 2003 („Angelegenheiten der Gemeindewirtschaft und Haushaltsführung (4. Hauptstück)“.

59Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Gesetzmäßigkeitskontrolle von Beschlüssen der Gemeinden nach § 90 Bgld. GemO 2003, soweit sie Angelegenheiten der Gebarung, somit auch Förderungen, Subventionen und dergleichen, betreffen, neben der Gebarungskontrolle nach § 79 leg. cit. der Landesregierung als Aufsichtsbehörde zukommt.

Einzelfallbezogene Beurteilung

60Die von der Gemeinde vorliegend beschlossene „Fraktionsförderung“ hat finanzielle Auswirkungen (Auswirkungen auf Ausgaben, Einnahmen und Vermögensbestände) und ist daher als Gebarung anzusehen.

61Wenn die Gemeinde in ihrer Revisionsbeantwortung vorbringt, es habe sich lediglich um die „bloße Festsetzung von ‚Förderrichtlinien‘ “ gehandelt, so ändert dies nichts daran, dass - wie vom Verwaltungsgericht festgestellt - aufgrund dieses Beschlusses von der Gemeinde Ausgaben getätigt werden sollten.

62Da dieser Beschluss somit die Gebarung der Gemeinde betroffen hat, ist die Zuständigkeit zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieses Beschlusses gemäß § 86 Abs. 3 iVm § 90 Bgld. GemO 2003 in die Zuständigkeit der Landesregierung als Aufsichtsbehörde gefallen.

Ergebnis

63Da das Verwaltungsgericht somit die Rechtslage verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

64Die mitbeteiligte Gemeinde hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. etwa , mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010213.L00

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