VwGH vom 27.04.2011, 2008/23/1181
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/23/1182
2008/23/1184
2008/23/1183
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie den Hofrat Dr. Hofbauer und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde von 1. M N, geboren am 1975, 2. T N, geboren 1998, 3. M N, geboren 2005, und
4. M N, geboren am 2005, alle in O vertreten durch Dr. Johannes Grahofer, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Bahnhofstraße 26, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom , 1.) Zl. 255.696/0/1E-VII/20/04 (ad 1., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1181), 2.) Zl. 314.973-1/2E-VII/20/07 (ad 2., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1182),
3.) Zl. 305.012-C1/3E-VII/20/06 (ad 3., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1183), und 4.) Zl. 305.014-C1/3E-VII/20/06 (ad 4., protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/1184), betreffend §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (ad 1. und 2.) sowie §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 (ad 3. und 4.) (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der drittangefochtene sowie der viertangefochtene Bescheid werden hinsichtlich der Ausweisung der Dritt- bzw. der Viertbeschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Dritt- sowie der Viertbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, gesamt somit EUR 2.212, 80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Ein Aufwandersatz hinsichtlich der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien findet nicht statt.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien, alle sind georgische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin ist mit B N verheiratet, der ebenfalls Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde, mit dem sein Asylantrag vom abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien für zulässig erklärt wurde, erhoben hat. Die Behandlung seiner Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2008/23/1159, abgelehnt. B N ist auch der Vater der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer reisten gemeinsam ins Bundesgebiet ein und beantragten beide am gemäß § 10 Asylgesetz 1997 (AsylG) die Erstreckung des B.N. zu gewährenden Asyls. Mit den im Instanzenzug ergangenen erst- und zweitangefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Asylerstreckungsanträge gemäß §§ 10 und 11 AsylG ab.
Die beiden in Österreich am geborenen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen beantragten durch ihren Vater am die Gewährung von internationalem Schutz. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt beide Anträge gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status von subsidiär Schutzberechtigten nicht zu und verfügte gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Ausweisungen der dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien nach Georgien. Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurden mit den dritt- und viertangefochtenen Bescheiden zur Gänze abgewiesen. Die im dritt- bzw. viertangefochtenen Bescheid jeweils ausgesprochene Ausweisung wurde im Verweisweg auf den jeweiligen erstinstanzlichen Bescheid damit begründet, dass zwar ein Anknüpfungspunkt zu Angehörigen einer Kernfamilie vorliege, diese aber im selben Umfang wie die Dritt- bzw. Viertbeschwerdeführerin von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien, weshalb die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.
Über die gegen die erst- bis viertangefochtenen Bescheide gemeinsam erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
zu I.:
Die belangte Behörde hat bei der im dritt- und im viertangefochtenen Bescheid jeweils erfolgten Bestätigung der erstinstanzlichen Ausweisung die Rechtslage verkannt. In Folge der lediglich im Fall der minderjährigen Drittbzw. Viertbeschwerdeführerin verfügten asylrechtlichen Ausweisung erscheint es möglich, dass die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen das Bundesgebiet ohne ihre Eltern zu verlassen haben. Die Ausweisung stellt somit einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben der Dritt- bzw. der Viertbeschwerdeführerin dar, welcher einer Rechtfertigung bedürfte. Für diesen Eingriff ist keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, zumal die belangte Behörde auch nicht dargelegt hat, warum öffentliche Interessen es erfordern würden, dass die Dritt- bzw. die Viertbeschwerdeführerin Österreich schon vor einer allfälligen Entscheidung der zuständigen Fremdenbehörde über die Ausweisung der übrigen Familienmitglieder verlassen müsste (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/1054, und ihm folgend etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/23/0276 bis 0278, mwN).
Der dritt- und der viertangefochtene Bescheid waren daher insoweit, als damit die Ausweisung der Dritt- bzw. der Viertbeschwerdeführerin nach Georgien verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich nicht auf die Ausweisung der dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien bezieht - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im angeführten Umfang abzulehnen. Den Verfahrensaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof haben die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien in diesem Fall selbst zu tragen (§ 58 Abs. 1 VwGG).
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-85993