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VwGH 06.07.2020, Ra 2020/01/0141

VwGH 06.07.2020, Ra 2020/01/0141

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
MeldeG 1991 §1 Abs6
MeldeG 1991 §1 Abs7
RS 1
Eine Unterkunftnahme liegt - nur - dann vor, wenn von einer Unterkunft widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Die Meldevorschriften stellen sowohl betreffend das Nehmen als auch betreffend die Aufgabe einer Unterkunft auf ein tatsächliches Naheverhältnis bzw. dessen Wegfall des Meldepflichtigen zur Unterkunft ab. Auch für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes ist neben der Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, der tatsächliche Aufenthalt an einer bestimmten Unterkunft erforderlich (vgl. , mwN). Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 7 MeldeG ist für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes an einer bestimmten Unterkunft der tatsächliche Aufenthalt und die Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, erforderlich (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2016/01/0011 E RS 5
Normen
MeldeG 1991 §1 Abs6
MeldeG 1991 §1 Abs7
RS 2
Zur Wohnsitzbegründung ist erforderlich, dass die Wohnung tatsächlich zum Wohnen bezogen worden ist. Der Begriff des Wohnsitzes schließt somit ein zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung vor Ort - und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der polizeilichen Anmeldung ist kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Die polizeiliche Meldung ist zwar ein wesentliches Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, aber keine notwendige Voraussetzung (vgl. zum Ganzen , Rz 21 f, mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen).
Norm
MeldeG 1991 §15 Abs1
RS 3
Entscheidend für die Abmeldung gemäß § 15 Abs. 1 MeldeG ist das faktische Verlassen der bisherigen Unterkunft und die Unmöglichkeit der Rückkehr; auf die Gründe, die dazu geführt haben, kommt es in melderechtlicher Hinsicht nicht an (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Gnilsen, über die Revision der Mag. S H in S, vertreten durch Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-10/771/1/12-2020, betreffend eine Angelegenheit nach dem Meldegesetz 1991 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache die Revisionswerberin von Amts wegen gemäß §§ 3, 4 Abs. 1, 4a Abs. 1, 7 und 8 iVm § 15 Abs. 1 und 2 Meldegesetz 1991 von ihrer näher genannten Adresse in S abgemeldet und die Berichtigung des Melderegisters verfügt (I.). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Meldezettel der Revisionswerberin vom keine gültige Unterschrift des Unterkunftgebers [ihres Ehemannes] aufweise. Damit liege keine vollständig ausgefüllter Meldezettel vor. Die gegenständliche Wohnsitzmeldung sei daher entgegen den Bestimmungen des MeldeG vorgenommen worden, weshalb bereits aus diesem Grund zu Recht gemäß § 15 Abs. 1 MeldeG die amtswegige Abmeldung der Revisionswerberin vorgenommen worden sei. Die Frage, ob die Revisionswerberin an der gegenständlichen Adresse einen Hauptwohnsitz begründet habe, sei daher nicht näher zu prüfen gewesen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine Abmeldung und Berichtigung des Melderegisters schon dann zu verfügen sei, wenn die Unterschrift des Unterkunftgebers auf dem Meldezettel nicht echt sei. Nach - näher genannter - ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es auf das tatsächliche Naheverhältnis des Meldepflichtigen zur Unterkunft an.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

6 Gemäß § 1 Abs. 6 Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992 idF BGBl. I Nr. 104/2019 (MeldeG),ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

7 Gemäß Abs. 7 leg. cit. ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

8 Gemäß § 8 Abs. 1 MeldeG hat der Unterkunftgeber alle vom Meldepflichtigen unterfertigten Meldezettel unter leserlicher Beifügung seines Namens zu unterschreiben.

9 Gemäß § 15 Abs. 1 zweiter und dritter Satz MeldeG hat die Meldebehörde, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass eine Meldung entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgenommen oder unterlassen wurde, die An- oder Abmeldung von Amts wegen vorzunehmen; im Übrigen hat sie das Melderegister, soweit es unrichtige oder vollständige Meldedaten enthält, zu berichtigen.

10 Eine Unterkunftnahme liegt - nur - dann vor, wenn von einer Unterkunft widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Die Meldevorschriften stellen sowohl betreffend das Nehmen als auch betreffend die Aufgabe einer Unterkunft auf ein tatsächliches Naheverhältnis bzw. dessen Wegfall des Meldepflichtigen zur Unterkunft ab. Auch für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes ist neben der Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, der tatsächliche Aufenthalt an einer bestimmten Unterkunft erforderlich.

Zur Wohnsitzbegründung ist erforderlich, dass die Wohnung tatsächlich zum Wohnen bezogen worden ist. Der Begriff des Wohnsitzes schließt somit ein zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung vor Ort - und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen.

Der polizeilichen Anmeldung ist kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Die polizeiliche Meldung ist zwar ein wesentliches Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, aber keine notwendige Voraussetzung (vgl. zum Ganzen , Rz 21 f, mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen).

11 Entscheidend für die Abmeldung gemäß § 15 Abs. 1 MeldeG ist demnach das faktische Verlassen der bisherigen Unterkunft und die Unmöglichkeit der Rückkehr; auf die Gründe, die dazu geführt haben, kommt es in melderechtlicher Hinsicht nicht an (vgl. , mwN).

12 Indem das Verwaltungsgericht im Revisionsfall die amtswegige Abmeldung der Revisionswerberin in Verkennung dieser Rechtslage allein auf den Umstand einer im Sinne des § 8 Abs. 1 MeldeG mangelhaft erfolgten polizeilichen Meldung gestützt und - davon ausgehend - die entscheidende Frage des Bestehens bzw. der Aufgabe des (Haupt-)Wohnsitzes der Revisionswerberin an der in Rede stehenden Adresse unbeachtet gelassen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

13 Bei diesem Ergebnis musste auf das weitere Revisionsvorbringen, wonach das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung am fallbezogen zu Unrecht in Abwesenheit der Revisionswerberin durchgeführt habe, nicht mehr eingegangen werden.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
MeldeG 1991 §1 Abs6
MeldeG 1991 §1 Abs7
MeldeG 1991 §15 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010141.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAE-85990